Ein Stück Frieden

Gewaltlos Ende März 1969 protestierten Yoko Ono und John Lennon eine Woche lang im Bett gegen den Vietnam-Krieg. Sie haben dabei aber auch an sich selbst gedacht

Nach ihrer Hochzeitszeremonie in Gibraltar reisten John Lennon und Yoko Ono nach Amsterdam, wo sie zwischen dem 25. und 31. März 1969 das inszenierten, was sie Bed-In-for-Peace nannten. Eine Woche lang luden sie jeden Tag Pressevertreter in ihr Hotelzimmer ein. Sie hatten es sich im Bett gemütlich gemacht und beantworteten von dort aus höflich die Fragen, warum sie auf diese Weise gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten.

Für sich allein, als einmalige Laune genommen, mag die Sache wie eine unbedeutende Selbstinszenierung erscheinen. In Anbetracht der noch recht frischen Erinnerungen daran, wie wenig die Anti-Kriegs-Proteste 2003 zu ändern vermochten, scheint die Idee, mit einer Woche im Bett die Außenpolitik Richard Nixons ändern zu wollen, gelinge gesagt: ein wenig realitätsfern.
Es scheint mir daher vielversprechender, die Bed-In-Aktion als Konvergenzpunkt der beiden sehr unterschiedlichen Karrieren von Ono und Lennon zu betrachten. Lennon erhielt zu jener Zeit für seine Aktionen viel Spott und Hohn von Seiten der Medien. Und auch Ono musste sich einiges gefallen lassen und diente allen als Zielscheibe, die über die Trennung der Beatles frustriert waren.

Aber genau diese Aufmerksamkeit konnten die beiden für ihre Bed-In-Aktion gut gebrauchen und wandelten sie mithilfe des unstillbaren Hungers der Medien nach Geschichten ins Positive. Die Aktion ermöglichte den „haarigen Hedonisten“ eine Alternative zum aktiven Widerstand zu demonstrieren, der im Vorjahr bei Antikriegsdemonstrationen zu gewaltsamem Ausschreitungen geführt hatte.
Im Name der Arbeit „peace“ (Frieden) ist zum einen wörtlich zu verstehen, zum anderen erinnert er an „piece“(Stück), dem Wort, das Ono für alle ihre Arbeiten verwendete. Auf Bed-In folgte 1969 Bag piece, in dem zwei Leute sich hinter einem großen Stoffbeutel verbergen und alle möglichen Sachen veranstalten, die ihnen gerade in den Sinn kommen. Der formale Bezug zu Bed-In ist offenbar und Lennon verstand die Arbeit angeblich als „Beutel des Gelächters“ gegen den Krieg in Vietnam.

Auf den Fotos, die von dem Event gemacht wurden, ist auf der Wand des Schlafzimmers das Wort „bagism“ zu lesen. Ähnlich aussagekräftig ist Onos Performance Shadow Piece von 1966, während der sie die Umrisse von 20 Menschen nachzeichnet, die entlang eines Stoffstreifens auf dem Hof der Londoner Free School auf der Erde liegen – ein Grundstück, das seit seiner Bombardierung während des Zweiten Weltkriegs brach lag. Die Performance war Teil einer Veranstaltung mit dem Titel Zerstörung in der Kunst, in der ihre Kindheitserinnerungen von Hiroshima und den Folgen des Atombombenabwurfs wiederklingen.
Am Ende eines Interviews, das ich einmal mit Ono bei der Tate Britain führte, verteilte sie, wie sie es öfter tut, Scherben eines zerbrochenen Topfes an das Publikum. Möglicherweise treffen sich alle damals Anwesenden eines Tages wieder und können dann die Scherben wieder zusammenfügen. Ohne daran zu glauben, dass dies je geschehen wird, bewahre ich meine Scherbe doch für diesen Tag auf.


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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Michael Archer, The Guardian | The Guardian

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