Ein Zaun aus Streichhölzern

Rettungsfonds Würde Spanien sich jetzt dazu entschließen, Hilfsgelder aus der EU sowie dem IWF zu beantragen, wäre nicht genügend Kapital vorhanden, um eine seriöse Antwort zu geben
Auch bei spanischen Herrenausstattern schlägt mehr denn je die Stunde der Patrioten
Auch bei spanischen Herrenausstattern schlägt mehr denn je die Stunde der Patrioten

Foto: Oli Scarff / Getty Images

Wenn man die Krise des Euro beobachtet, gilt die Faustregel, dass etwas umso wahrscheinlicher eintritt, desto mehr es von offizieller Seite geleugnet wird. Während die Zinsen für spanische Staatsanleihen alle Rekorde der Eurozone brechen, behauptet die Regierung in Madrid nach wie vor, sie werde kein vollständiges Rettungsprogramm benötigen. Für die meisten Beobachter stellt sich mittlerweile aber nicht mehr die Frage ob, sondern wann Spanien Geld von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erhält. Obwohl die Panik der Märkte auf eine schnelle Entscheidung hinweist, deutet alles daraufhin, dass man diesen Schritt so lange wie möglich aufschieben wird, wahrscheinlich noch bis zum kommenden Jahr.

Zwar haben die Zinsen für langfristige Staatsanleihen Spaniens mit 7, 5 Prozent ein Niveau erreicht, dass es einem die Tränen in die Augen treibt, noch beunruhigender aber ist, dass zugleich auch die Zinsen für kurzfristige Anleihen in die Höhe schießen und die Investoren offenbar nicht einmal mehr darauf vertrauen, dass Spanien in den nächsten zwei Jahren zahlungsfähig bleibt.

Griechenland, Irland und Portugal wurden alle dazu gedrängt, Rettungsprogramme anzunehmen, als die Zinsen für ihre langfristigen Anleihen sieben Prozent überstiegen haben. Es gibt aber keine magische Zahl, von der an Kredite sich nicht mehr rechnen. Theoretisch braucht ein Land seine Ausgaben nur immer weiter zurückzuführen, um entsprechend mehr Geld für die Zinstilgung zu haben.

Vorleistungen erbracht

Und noch besteht keine Gefahr, dass der Regierung in Madrid das Geld ausgeht. Im Durchschnitt haben die spanische Kredite eine lange Lauf- und Karenzzeit, so dass die Kosten nicht für alle auf einmal ansteigen werden. Doch die Schwierigkeiten sind gravierend und vielseitig: der einem schwarzen Loch gleichende Bankensektor, enorme regionale Schulden, drastische Arbeitslosenzahlen und zunehmende Kapitalflucht. Hilfsgelder für die spanische Regierung würden an all dem nicht notwendig etwas ändern. Schaden würden sie aber wahrscheinlich auch nicht – schließlich sind Kredite von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu weitaus günstigeren Zinsen zu haben, als Spanien sie derzeit an den Märkten aufnehmen kann.

Die größten Nachteile eines Rettungsprogramms liegen in den strengen Bedingungen, an die es geknüpft ist. Von denen hat Spanien allerdings viele bereits selbst erfüllt – inklusive der exzessiven Defizitrückführung in den kommenden Jahren. Was die EU-Kommission noch nicht verlangt hat, haben die Märkte erzwungen. Mit jeder Zinserhöhung auf spanische Staatsanleihen, die es Vorjahr gab, hat die Regierung in Madrid eine Reihe neuer Sparmaßnahmen und Strukturreformen von der Art und Weise angekündigt, wie sie im Falle eines Rettungspaketes verlangt würden.

Italien im Fokus

Auch wenn Spanien augenblicklich im Rampenlicht steht, sind die italienischen Zinsen doch nur unwesentlich geringer. Mit anderen Worten, würde Spanien von den Märkten genommen, hätten die Investoren einen Anlass, sich auf Italien zu konzentrieren, das dann ebenfalls schnell unter den Rettungsschirm müsste. Aber es ist eine offene Frage, ob die EU-Rettungsfonds und der IWF theoretisch in der Lage wären, die Bedürfnisse Spaniens und Italiens so zu bedienen, wie das dann nötig wäre.

Wir wissen, dass gegenwärtig auf keinen Fall genügend Geld zur Verfügung steht, um beide Länder zu stützen. Der ESM kann frühestens im September implementiert werden, sollte das deutsche Verfassungsgericht die Klagen abweisen und ihn für rechtens erklären. Des Weiteren haben bereits einzelne G20-Länder Geld vom IWF beantragt, ohne dass sie bereits etwas bekommen hätten. Im Moment bunkert die EFSF nur 200 Milliarden Euro, die noch niemandem zugedacht sind. Doch käme allein dieser Kapitalstock in Frage, Kredite für Spanien und Italien in den kommenden Jahre zu schultern.

Das heißt, eine Zusage, für die Schulden Spaniens und Italiens aufzukommen, ohne zu wissen, ob es den ESM geben wird und IWF-Gelder verfügbar sind, wäre nicht glaubwürdig. Zusammen sind diese Fonds als Firewall gedacht. Sollte aber Spanien jetzt sofort Sicherheitsleistungen verlangen, sähe es so aus, als versuchten die Politiker der Eurozone zwei große Länder mit etwas zu schützen, das mehr Ähnlichkeit mit einem Zaun aus Zahnstochern als einer Brandmauer hat.

Megan Greene ist Direktorin für europäische Ökonomie bei dem Anbieter von Kapitalmarkt- und Wirtschaftsinformationen: Roubini Global Economics.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Megan Greene | The Guardian

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