Vor ein paar Monaten habe ich eine Ausgabe des Frauenmagazins Grazia in Stücke gerissen und auf die Überreste gespuckt, weil ich der Ansicht war, dass die Autorenzeile unter einem meiner Artikel viel zu kurz ausgefallen war. Eine Freundin, die den Übergriff beobachtete, schlug mir vor, es mit Meditation zu versuchen. „Das könnte dir helfen, deine Wutanfälle in den Griff zu bekommen“, sagte sie, während sie zusah, wie die Spucke von meinem Kinn auf die Zeitschrift tropfte. „Aber ich mag es, dass mein Leben sich wie eine Hommage an American Werewolf anfühlt“, erwiderte ich. „Nein, tust du nicht“, sagte sie. „Und ich habe dich dabei beobachtet, wie du Busse angeschrieen hast.“
Meditation als Chance
Meditieren soll sich positiv auf die Gesundheit auswirken, insbesondere soll das für Neurotiker mit Wutanfällen und Angstattacken wie meine Wenigkeit gelten. Bei Versuchskaninchen (menschlichen), die transzendentale Meditation praktizierten, gingen in einer wissenschaftlichen Studie depressive Symptome um 48 Prozent zurück. Im vergangenen Jahr kam eine andere Studie zu dem Schluss, dass Anhänger der transzendentalen Meditation nur halb so oft von Herzinfarkten, Schlaganfällen und anderen vorzeitigen Todesursachen heimgesucht werden. Mein Freund Yogi Cameron, ein ehemaliges Supermodel, erklärte es mir so: „Yogis entscheiden selbst, wann es Zeit für sie ist zu sterben.“ Also – hätte Meditation meine Ausgabe der Grazia retten können? Wird sie mich retten können?
Ich erfahre zunächst, dass es viele unterschiedliche Arten der Meditation gibt – sie ist so etwas wie ein großes, aromatisches Buffet der Liebe. Sie ist unter den großen Religionsgemeinschaften beliebt – auch das Beten eines Rosenkranzes kann als Form der Meditation durchgehen – und als Freizeitaktivität so alt wie die ersten Kriege. Da wären zum Beispiel die Mantra-Meditation, bei der man ein Wort oder einen Satz die ganze Zeit wiederholt (zu dieser Sorte gehört auch die transzendentale Meditation), die Achtsamkeitsmeditation, Yoga, Tai Chi und Qi Gong. Alle versprechen sie innere Ruhe und Heilung und ein Ende der Attacken auf tadellose Frauenzeitschriften. Ich versuche es mit Achtsamkeitsmeditation, denn, das behauptet zumindest mein Leitfaden, sie wird mir dabei helfen „mich selbst zu spüren“ und „den Moment zu Leben“. Und das alles durch eine neue Körperhaltung und Atemübungen (Bei Tai Chi müsste man hingegen stehen).
Also hänge ich mich ans Telefon und bettle darum in einem buddhistischen Zentrum im Londoner Westen in einen Anfängerkurs (Kostenpunkt 8 Pfund) aufgenommen zu werden. Das Zentrum liegt in Notting Hill, Hochburg der Supermütter und Lattetrinker, und so ziemlich der letzte Ort in London von dem ich mir eine spirituell Erweckung erwarte. Ein paar Tage später schleiche ich dann doch um das Gebäude herum, zweimal um genau zu sein. Verweigerung nennt man das wohl. Die Wut und die Angstgefühle wollen die Oberhand behalten.
Buddha ist schon da
Ich stolpere zu spät in einen cremeweißen Kellerraum, in dem ein kleiner Schrein steht. Buddha ist natürlich da. Aus irgendeinem Grund sieht er für mich wie ein sehr kleiner Fußballfan aus. Die Szene erinnert mich an Sonntagnachmittage bei meiner Großmutter. Eine Gruppe von Frauen und ein Mann mit einem Bart sitzen komatös auf dem Fußboden, über ihren Schößen sind blaue Decken ausgebreitet.
Ein Mann namens Duncan leitet die Gruppe. Er ist groß und blass – gutaussehend, aber ein bisschen gespenstisch. Er hat einen drahtigen Yoga-Körper und strahlend blaue Augen. Er lächelt sanft und sagt mir, ich solle mich auf einen Stuhl setzen und meine Augen schließen. Ich gehorche und Duncan redet ganz ruhig auf mich ein. Später werde ich mich nur noch daran erinnern, dass er sagt, ich solle „meine Zunge fühlen“, denn ich kann mir mit geschlossenen Augen schlecht Notizen machen. Er fordert uns auf, jedes Körperteil zu spüren und uns auf unsere Atmung zu konzentrieren: „Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.“
Am Ende der Stunde fühle ich mich glücklich und aufgekratzt. Ich liege in meiner Decke auf dem Boden und lache wie eine Verrückte oder wie ein Baby oder wie ein verrücktes Baby. Ich vermute, dass ich schrecklich müde bin. Ich spreche mit einigen meiner Mitreisenden. Es sieht ganz so aus, als hätten sie alle eine fürchterliche persönliche Krise hinter sich. Allerdings weiß ich nicht, ob sie auch Busse anbrüllen.
Interview und Meditation vertragen sich schlecht
Ich unterhalte mich ein wenig mit Duncan. Er ist etwa 50 Jahre alt und sieht ziemlich vornehm aus, auch wenn er diese Einschätzung entschieden ablehnt. Er hat Angst, dass ich mich in meinen Artikel über die Buddhisten lustig machen könnte. „Alle machen sich über die Buddhisten lustig“, sagt er. Ich? Buddhisten verarschen? Ich versuche ihn zu interviewen, aber es macht keinen Sinn, jemanden nach einer Meditation zu interviewen. Man kippt einfach um. Ich frage also nur, weshalb ich so müde bin. „Das ist der Sinn der Sache“, sagt er. „Du bist schläfrig, weil du dich auf diese Art von der Gegenwart löst.“ Wir vertagen das Interview.
Später werde ich mit der ersten Herausforderung meines neuen meditativen Lebensabschnitts konfrontiert. Ich besuche meinen Freund Raymond in Kentish Town. Ich bereite einen Lammfleischeintopf für ihn zu. Aber als ich den Topf auf den Herd stelle, explodiert er. „Der Topf ist explodiert“, sage ich zu Raymond. „Oje“, meint Raymond nur und bewegt sich keinen Zentimeter von seinem Sofa weg, auf dem er ein Buch mit dem Titel „Städteplanung in Großbritannien seit 1900: Der Aufstieg und Fall des Planungsideals“ liest. „Ich bin mir sicher, alles wird gut.“
„Er ist explodiert“, sage ich noch einmal. „Oje“, sagt er nur und blättert weiter. Ohne Meditation hätte ich Raymond dafür vermutlich verstümmelt. Aber ich lasse das. Ich bin ruhig. Ich fühle eine innere Ruhe, die ich sonst nur in Verbindung mit Ohnmachtsanfällen oder Valium kenne. Also werfe ich das Lamm einfach nur in die Tonne und gehe.
Ein paar Tage später ist es Zeit für die nächste Meditation. Genauer gesagt: ich will wieder hin. Ist es vielleicht möglich, dass meine Wut bereit ist zu verschwinden? Dieses Mal gehe ich zu City Lit nach Holbron, wo Duncan einen anderen Achtsamkeitsmeditationskurs gibt. Wieder bin ich zu spät – die Macht der Verweigerung! Als ich den Raum betrete, sitzen dort 20 Frauen mit geschlossenen Augen auf Matratzen. Eine öffnet kurz die Augen und wirft mir einen finsteren Blick zu. Ich starre böse zurück. Natürlich gibt es auch hier den unvermeidlichen einzigen Mann. In jedem Meditationskurs gibt es einen einsamen Mann. Das scheint ein Gesetz zu sein.
Täglich 10 Minuten
Als alle die Augen wieder geöffnet haben, überprüft Duncan, ob wir unsere Achtsamkeits-Hausaufgaben gemacht haben. Jeder sollte pro Tag 10 Minuten meditieren und alle guten Gedanken und die zugehörigen Stimmungen und Gefühle aufschreiben. Nicht alle haben ihre Hausaufgaben gemacht, was Duncan zu verärgern scheint. Er zuckt zusammen. Er scheint sich eine Klasse voller Zwangsneurotiker aufgehalst zu haben. Duncan trägt uns auf, das Wort „Blume“ auf ein Stück Papier zu schreiben und darüber zu meditieren. Mindesten drei Leute fragen nach mehr Papier, weil sie, wie einer sagt „das Wort Blume nicht genau in die Mitte des Papiers geschrieben haben“.
Wir machen weiter. Ich schließe die Augen und Duncan spricht über Zungen und Füße und wie wichtig es sei, sich ihrer bewusst zu sein und in ihnen zu leben; und wieder falle ich ins Reich der Freundlichkeit. Dieses Mal ist es schon einfacher. Alles. Wird. Gut.
Dann gibt es einen Zwischenfall. Eine Frau schreit draußen auf der Straße und ich sitze mit einem Schlag wieder auf meiner Matte in Holborn. Sie schreit erneut und in meinem Kopf verschmilzt alles zu einem Film. Ich gerate in Panik. Ich bin eine Versagerin! Ein Monster! Ich hasse jeden und alle hassen mich! Ich fühle, wie sich mein Körper zu einer riesigen Faust zusammenzieht. Ich fühle mich wie Hulk. Mit Hulk konnte ich mich aus ganz offensichtlichen Gründen schon immer identifizieren. Ich kann die Filmmusik sogar auf dem Klavier spielen. Aber ich kenne diese Situation. Deshalb bin ich hier – um von meinen Ängsten und dem was unweigerlich auf sie folgt geheilt zu werden, wie etwa dem Wunsch auf Zimmerpflanzen einzuschlagen. Ich konzentriere mich wieder auf Duncan, meine Erlösung. „Einatmen, ausatmen“, sagt er. „Einatmen, ausatmen.“ Ich meditiere weiter und nach und nach spüre ich, wie meine Wut sich verabschiedet. Ich bleibe ruhig.
Kürzlich bin ich von einem Freund gefragt worden, ob ich zu seiner Dinnerparty komme. Einladungen zum Abendessen sind für mich ähnlich grauenerregend wie Nazis. Aber ich gehe hin und bin höflich, selbst als mich jemand fragt, ob ich Blasenentzündung habe. (Habe ich nicht). Ich fürchte, Meditation wirkt tatsächlich. Ich laufe Gefahr, ein fröhlicher Mensch zu werden.
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