Mitten in einer Pandemie, der übermäßig viele Schwarze zum Opfer fallen, wird um George Floyd, Breonna Taylor, Ahmaud Arbery, David McAtee und andere getrauert. Dass Floyd das Virus bisher überlebt hatte, um dann von der Polizei getötet zu werden, die ihm die Luft abdrückte, ist eine grausame Ironie. Sein Tod macht deutlich, dass wir Pandemie und Polizeigewalt nicht trennen können. Sie werden beide von der gleichen Sache bestimmt – der Herrschaft der Weißen.
Seit dem langen, heißen Sommer 1967, als überall im Land Unruhen ausbrachen, gab es immer wieder das Verlangen nach Reform und Wandel, um das Leben der Schwarzen zu verbessern, doch nie ist dahingehend wirklich etwas geschehen. Bodycams, nicht tödliche Waffen, eine größere Diversität der Polizei und Ähnliches wurden angekündigt. Alles sollte der Polizeiarbeit zu einem anderen Gesicht verhelfen – tatsächlich verändert wurden nur die Techniken. Und anstatt die Beamten zu einem verantwortungsbewussteren Handeln zu veranlassen, werden Bodycams im Zweifel einfach ausgeschaltet. Die Polizei leistet weiter einen Beitrag, um die Öffentlichkeit zu brutalisieren, der sie angeblich dient. Insofern wird die Reform eines kaputten Systems kaum dazu führen, dass Schwarze davor bewahrt werden, auf der Straße zu sterben. Das zeigen die vergangenen Wochen.
Der Schmerz, wie ihn Menschen verspüren können, zeigt sich im Leben von Schwarzen in so vielen Facetten. Aber werden deshalb die schwarzen Geschichten als Teil einer kollektiven Erzählung über die USA gesehen? Der unter Präsident Richard Nixon eingeleitete „Anti-Drogen-Krieg“ wurde Mitte der 1980er Jahre verschärft, um die sogenannte Crack-Epidemie zu bekämpfen. Die rassistische Aufladung der Droge machte Schwarze zum Gesicht einer Sucht und führte zur Forderung nach strengeren Strafen für den Besitz von Crack. Als sich eine moralisierende Panik wegen angeblicher „Crack-Babys“ und anderem Unsinn ausbreitete, wurde der Besitz von Crack härter geahndet als der von Kokain, sodass in kurzer Zeit immer mehr Schwarze inhaftiert waren. Erst als die Opioid-Epidemie das ländliche und vorstädtische weiße Amerika erfasste, wurde Drogenabhängigkeit als Krankheit betrachtet. Plötzlich schien es möglich, statt der Gefängniszelle eine Therapie in Erwägung zu ziehen. Was damit zu erklären war, dass die Drogen, die so vielen Schwarzen das Leben gekostet hatten, nun auch Weiße erreichten. Die Reaktion darauf war – natürlich – eine andere.
Aber wir treten auf der Stelle. Gerade wird im Senat die Verabschiedung eines Gesetzes blockiert, das Lynchen nach mehr als einem Jahrhundert zu einem Verbrechen erklärt, das auf Bundesebene verfolgt werden muss. Die Journalistin und Aktivistin Ida B. Wells-Barnett beschrieb den Lynchmord 1909 als „colour line-murder“ – „Mord entlang der Farblinie“. Es handle sich um „ein nationales Verbrechen, das eine nationale Abhilfe erfordert“. Sie sagte, was heute im US-Kongress noch immer zu wenig Anerkennung findet: Der Tod von Schwarzen auf legalem und außergesetzlichem Wege ist „eine Schande für unsere Nation“.
Mehr als ein Jahrhundert später können die Schwarzen die US-Regierung noch immer nicht dazu bewegen, ihre Leiden anzuerkennen. George Floyd und viele andere sind tot, weil sie schwarz waren. Und schwarz zu sein, das wird in den USA von Polizeibeamten wie Bürgermilizen als hinreichender Grund gesehen, Menschen zu belästigen, zu verhaften und zu töten. Sind die Schwarzen die Kanarienvögel im Bergwerk, die einst in Kohleschächten eingesetzt wurden, um rechtzeitig tödliche Gase zu erkennen? Was mit ihnen in diesem Land geschieht, ist für alle von Bedeutung. Wer versucht, mit dem Verweis auf die Kriminalität von Schwarzen den Vorwurf eines systemischen Rassismus abzuwehren, der hat nicht aufgepasst. Der ignoriert die immense Gewalt, die Schwarze in den USA täglich erfahren.
Die Zeit ist reif
Schwarze schämen sich dafür, sagen zu müssen, dass sie zu Opfern geworden sind. Opfer zu sein, bedeutet, dass man durch die Taten eines anderen geschädigt wurde. Dennoch wird Schwarzen immer wieder erklärt, es sei nicht richtig, von Rassismus auch nur zu sprechen, weil damit die „Rassismuskarte“ gespielt und Opfermentalität offenbart werde. Ein Mythos, der bedient wird, damit sich Schwarze nicht aufgrund des vielfältigen Schadens definieren, den sie erlitten haben. Dabei ist es bei Weitem nicht nur in den USA üblich, das Eingestehen schwarzen Leids als Schwäche oder Kontrollverlust darzustellen. Wenn das so ist, dann muss nicht mehr groß darüber nachgedacht werden, wie sich der angerichtete Schaden beheben und künftig verhindert lässt. Schwarzen bleibt in diesem Fall nichts weiter übrig, als einfach nur zu überleben, was ihnen wenig bekommt, wie am Beispiel der USA zu sehen ist.
Gebraucht wird daher ein grundlegender Systemwandel. Doch werden wir den nicht bekommen, wenn wir so tun, als hätten wir uns nur entwickeln können, solange wir in den USA eine Nation sind. Dadurch wird übersehen oder verdeckt, wie sehr diese Nation auf Raub und Diebstahl gegründet ist. Die Zeit ist reif, dass davon etwas zurückgezahlt wird.
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