Die Ssese-Inseln liegen wenige Kilometer südlich des Äquators im Viktoriasee in Uganda. Alles andere als ein tropisches Idyll, denn das Land ist eher für seine Probleme, für Bürgerkrieg und Massaker, denn für Tourismus bekannt. Die Ssese waren einmal ein Geheimtipp unter Rucksack-Reisenden. Doch selbst die Unerschrockenen kamen nicht mehr, nachdem die Fähre, die die Inseln mit der Hauptstadt Kampala verbindet, vor über zehn Jahren den Betrieb einstellte. Danach war eine Fahrt im Kanu eines Fischers die schnellste Art, ans andere Ufer zu kommen – allerdings keine ungefährliche. Jedes Jahr kommen Menschen auf dem See ums Leben. Mein Reiseführer empfiehlt den Kauf von leeren Plastikcontainern, die man sich vor die Brust binden soll, um i
m im Notfall nicht unterzugehen.Die Nacht verbringen wir in einer vornehmen kolonialen Pension an den Ufern des Viktoriasees. Am Morgen besteigen wir zu sechst unser Schlauchboot. Mein Freund Nick sitzt vorn, wir übrigen nehmen in der Mitte Platz, ganz hinten der Rafting-Lehrer, der für unsere Sicherheit sorgen soll.Den Schleudergang, bitteDie erste Schnelle des Viktoria-Nils gehört in die Kategorie eins und besteht aus kaum mehr als ein paar Wellen. Leicht. Bei der nächsten springe ich auf Anregung des Lehrers ins Wasser, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie es ist, wenn das Boot sich überschlägt. Die Strömung erfasst mich sofort und schleudert mich wieder und wieder um die eigene Achse. Panik ergreift mich, während ich orientierungslos versuche, zwischen den Wellen Luft zu holen. Ich bin ziemlich eingeschüchtert, als ich zurück aufs Floß gezogen werde.Wir arbeiten uns schnell zu Kategorie zwei und drei vor und lernen, wie verrückt zu paddeln, um die Stromschnellen mit ausreichender Geschwindigkeit nehmen zu können und uns dann auf den Boden des Bootes zu werfen, damit wir beim Eintauchen in die Wellen nicht über Bord geworfen werden.Schließlich erreichen wir die Bujagali-Fälle, und damit die Stromschnellen der Kategorie fünf. Dass es ernst wird, wissen wir, als wir erfahren, dass stehende Wellen (so nennt man Wellen, die immer an derselben Stelle zu finden sind) Namen tragen – die Böse zum Beispiel oder Silberrücken. Dann stellt jemand den Schleudergang an. Ich werfe mich auf den Bootsboden, während ein Strudel uns nach unten zieht, sich über uns eine Mauer aus Wasser auftürmt und wir in die Luft geschleudert werden.Plötzlich kommt der Schleudergang zum Stillstand, wir schießen aus den Schnellen heraus – immer noch im Floß. Der Nil wird wieder breit und ruhig. Wir springen ins Wasser und lassen uns ungefähr eine Stunde lang von der Strömung treiben, bis wir abermals auf Stromschnellen stoßen. Ein Klacks gegen die in Bujagalu, trotzdem überschlagen wir uns wie blutige Anfänger. Ich schaffe es, mich an unser Gefährt zu klammern und sehe, wie der Rest unserer Truppe ebenfalls wieder auftaucht. Ich bin erleichtert, ja geradezu beschwingt.Neben dem Rafting gehört das Gorilla-Watching zu den größten Touristenattraktionen Ugandas. Billig ist der Spaß allerdings nicht, allein die Genehmigung kostet 500 Dollar pro Tag. Eine Wanderung zu den Schimpansen – immerhin unseren nächsten Verwandten – erscheint uns mehr Spaß zu versprechen und ist mit nur 90 Dollar auch ein echtes Schnäppchen.Der Kibare Forest National Park liegt nur wenige Stunden westlich von Kampala. Zudem haben mein Freund Nick und ich hier Gelegenheit, einen Abstecher in eine der berühmtesten Herbergen Ugandas zu machen, der Ndali Lodge, die inmitten einer sanften Hügellandschaft liegt. Auf der Veranda über dem See wird allen Gästen an einem großen Tisch gemeinsam das Abendessen serviert. Das ist toll, doch ist man dadurch auch den anderen Gästen ausgeliefert. In meinem Fall einer Gruppe amerikanischer Fundamentalisten.Die christliche Reisegruppe wird von einem Pastor angeführt, der die Ugander darüber belehren will, wie man ein guter Ehepartner wird. Bevor jemand Einwände erheben kann, besteht er darauf, ein Tischgebet zu sprechen. Ich bete dafür, bei der Wanderung am nächsten Tag in derselben Gruppe zu sein wie der Pastor, damit er mir erklären kann, warum die Evolutionstheorie Blödsinn ist.Vorsicht, Schimpansen-Pipi!Meine erste Begegnung mit den Schimpansen ist unerwartet intim. Ein Ranger führt uns durch den Wald, bis wir unterhalb ihrer Futterstätte angekommen sind. Als wir hoch oben in den Bäumen ihre dunklen Silhouetten ausmachen können, beginnt es zu regnen. Die Tropfen klatschen schwer gegen die Blätter. Aber Moment – der Himmel ist doch blau. Das ist gar kein Regen! Als das Tropfen in ein Strömen übergeht, suche ich mir schleunigst einen Unterschlupf. Ein gehässiger Teil meiner selbst hofft, dass der Pastor nicht so schnell zu Fuß sein wird.Je tiefer wir in den Wald vordringen, desto mehr Schimpansen entdecken wir. Schließlich sehen wir zwei Weibchen, die sich auf Ästen mit ihren Kleinen niedergelassen haben. Fasziniert beobachten wir, wie ein Jungtier einen Rotschwanzaffen entdeckt und ihm durch die Zweige nachstellt. Für gewöhnlich dienen diese Tiere Schimpansen als Nahrung, wenn sie mal Appetit auf eine Fleischbeilage haben.Doch entweder hat der Rotschwanzaffe zu viel Angst, sich zu bewegen oder weiß mehr als wir. Er lässt das Schimpansenbaby nah heran kommen und die beiden spielen wie Dreijährige im Kindergarten. Still sehen wir zu, bis die Mutter ihr Junges zum Schlafen zurückbeordert, was auch wir als Wink nehmen, den Wald zu verlassen.