Es gibt Männer und sogar ein paar Frauen, die sind der Ansicht, ein Baby zu bekommen sei keine große Sache und es werde übertriebenes Aufheben darum gemacht. Überhaupt sollten Frauen aufhören sich anzustellen und auf verweichlichten Luxus zu bestehen. Mutterschaftsurlaub zum Beispiel. Gerne wird von Anhängern dieser Haltung das Beispiel afrikanischer Frauen bemüht, die angeblich noch am Tag der Geburt, das Baby munter auf den Rücken geschnallt, die Feldarbeit wieder aufnehmen. Seit Jahrtausenden, so heißt es dann weiter, hätten Frauen ganz ohne Schmerzmittel und Milchpumpen Kinder zur Welt gebracht. Was beschweren die Mütter von heute sich also?
Die französische Justizministerin Rachida Dati leistet derlei Argumentation nun Vorschub, indem sie fünf Tage, nachdem sie per Kaiserschnitt entbunden hat, ihre Arbeit wieder aufnimmt. Um den Mythos der mythischen Superwoman, die einfach mal so ein Baby herauspresst, zu beschwören, braucht man nun nicht länger nach Afrika zu schauen. Dati hat gezeigt, dass es geht.
Wenn sie das kann, warum dann nicht auch alle anderen?
Fotos, die zeigen, wie Dati, dem Tagebett frisch entschlüpft, ihren Posten wieder antritt, sind auch über Frankreich hinaus in vielen Zeitungen zu sehen. Die 43jährige hat nicht nur die Arbeit wieder aufgenommen, sie ist wie durch Zauberhand auch noch schlank und makellos elegant wie eh und je. Verdammt noch mal, Dati hat es sogar hingekriegt, ihr Outfit mit ihren Ohrringen abzustimmen – zu einer Zeit, in der andere Mütter übernächtigt und benommen vor Freude, Erschöpfung und Schmerz durch ihr Schlafzimmer taumeln. Wenn sie das kann, warum dann nicht auch alle anderen?
Das Problem mit dem erstaunlichen Exempel, das Dati hier liefert, ist, dass sie in der ohnehin schon wenig einmütigen Debatte über die Vereinbarkeit von Kind und Karriere neue Maßstäbe setzt. Sogar die aufgeklärtesten unter den Arbeitgebern – die also, die eingesehen haben, dass Kinderkriegen nicht etwas ist, dass man einfach mal so in den Lebenslauf quetscht – werden Datis Beispiel mit verstohlener Bewunderung zur Kenntnis nehmen. Und könnten zu dem Schluss kommen, so sehe echter Einsatz für den Job aus.
Viele Arbeitgeber sehen in einer Schwangerschaft nur ein Problem
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Geschichte die Runde macht und schließlich auch bei dem Chef eines Finanzdienstleisters ankommt, der dann gegenüber seiner neuen Mitarbeiterin beiläufig die Frage fallen lässt, ob sie nicht einen Termin für einen geplanten Kaiserschnitt machen und sich die Zeit der Abwesenheit dann als Urlaub anrechnen lasse wolle - in Anbetracht der harten Zeiten. Der Druck muss aber gar nicht dergestalt unverhohlen ausgeübt werden, sondern kann viel subtiler daherkommen. Annahmen darüber, wie viel Einsatzbereitschaft in einem Unternehmen vonnöten ist, können impliziter Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Da braucht es niemanden, der etwas sagt. Schwangere Frauen, die sich mit dem großen, hervorstehenden Bauch vielleicht sowieso schon unwohl fühlen, haben oft das Gefühl, unmissverständlich demonstrieren zu müssen, dass sie auch weiterhin bereit sind, im Job vollen Einsatz zu bringen.
Dati hat nun vorgemacht, wie dies aussehen könnte. Der ein oder andere mag das nun ein bisschen weit hergeholt finden. Und irrt sich gründlich. Denn was Dati gemacht hat, ist nicht neu. Aus Berufsgruppen, in denen extremer Wettbewerb herrscht, wie zum Beispiel der Finanzwelt, unter Juristen oder in den Medien, sind etliche ähnliche Geschichten bekannt. So etwas passiert auch, weil noch immer viele Arbeitgeber in einer Schwangerschaft nichts als ein Problem sehen.
Emotionale Sicherheit und Bindung werden maßgeblich in den ersten Lebensmonaten aufgebaut
Was das Ganze noch schlimmer macht, ist der Umstand, dass Dati eine Figur des öffentlichen Lebens ist. Sie ist Teil einer Regierung, welche durch eine ganze Palette von Maßnahmen das Verhalten der Bürger zu beeinflussen sucht – womit auch ein wesentlicher Bestandteil ihrer Rolle als Politikerin beschrieben wäre. Teil des ungeschriebenen Berufsprofils von Politikern ist es, ein Vorbild zu sein. Wenn nun also gesagt wird, dass es niemanden außer Dati selbst etwas angehe, was sie tue und lasse, ist das falsch. Durch ihr Verhalten schadet sie nicht nur ihrer Gesundheit. Immerhin hat sie gerade einen beträchtlichen operativen Eingriff hinter sich und sollte sich ausruhen. Darüber hinaus schadet sie ihrem Kind. Die ersten Wochen im Leben eines Neugeborenen sind entscheidend für die Mutter-Kind-Beziehung. Emotionale Sicherheit und Bindung werden maßgeblich in den ersten Monaten aufgebaut.
Dati liegt voll im Trend. Ruhm, Geld und Turbo-Karrieren - Dingen, die wir erarbeiten – wird weit mehr Bedeutung zugemessen, als Investitionen in emotionale Nähe. Die Tragik daran ist, dass Dati in dieser Sache selbst zum Opfer wird. Wir wissen heute, auch Dank ausgiebiger Forschung, dass solche Investitionen uns glücklich machen.
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