Er ist mehr als der Darsteller eines Schurken

Proteste In London demonstrieren Tausende gegen den Besuch Donald Trumps. Der Widerstand muss sich vor allem gegen den Hass richten, den der US-Präsident verkörpert
Donald Trumps Theatralik darf nicht von der größeren Bedrohung ablenken, die von ihm ausgeht und der es sich zu widersetzen gilt. Er ist Anführer einer globalen, rassistischen Bewegung
Donald Trumps Theatralik darf nicht von der größeren Bedrohung ablenken, die von ihm ausgeht und der es sich zu widersetzen gilt. Er ist Anführer einer globalen, rassistischen Bewegung

Foto: Chris J Ratcliffe/Getty Images

Eine der Gefahren seit Donald Trumps Regierungsantritt ist, dass sich alles um ihn dreht – um die Aufmerksamkeit heischende Theatralik, um die neuesten Social-Media-Granaten, die er ins Netz wirft. Doch die Massenproteste rund um Donald Trumps gegenwärtigen Besuch in Großbritannien müssen sich genauso stark gegen den Trumpismus wie gegen den US-Präsidenten selbst richten.

Teile der etablierten Opposition legen den Fokus auf Trumps Vulgarität, sein Benehmen, sein nicht präsidentielles Verhalten, statt auf das, wofür er politisch steht und was er repräsentiert. Wie die kanadische Journalistin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein in ihrem Buch Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen erklärt, wirkt die Trumpsche Perfomance als Ablenkung von der genauen Betrachtung all der gefährlichen politischen Kräfte und ökonomischen Interessen, die er verkörpert.

Dass Trump ein Amt beschmutzt, das zuvor von respektablen, charalterstarken Männern ausgefüllt wurde, ist ohnehin eine Lüge. In den vergangenen 50 Jahren hat eine Reihe von US-Präsidenten Schrecken in aller Welt verbreitet: durch blutige Putsche im Ausland, die sie unterstützten oder anzettelten; das Abschlachten in Vietnam, Laos und Kambodscha; die von den USA unterstützten Todesschwadrone in Mittelamerika, deren Opfer von Ordensschwestern bis zu Linken reichen; die Killing Fields im Irak; die Zerstörung von Lybien; die Drohnenangriffe.

„Aber was ist mit...“ ist ein häufiges Gegenargument gegen die Anti-Trump-Demonstranten: Wieso dann nicht gegen den tyrannischen türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan oder die Diktatur in Saudi-Arabien protestieren? Als jemand, der gegen beide demonstriert hat, stimme ich da zu. Allerdings glänzen diejenigen, die so argumentieren, zumeist mit Abwesenheit, wenn es darum geht, gegen irgendeinen ausländischen Despoten zu demonstrieren. In jedem Fall haben die Aktionen und Ansichten des vermutlich mächtigsten Mannes der Welt die größte Auswirkung auf uns alle. Dass er ausgerechnet in dieser Zeit an der Macht ist, unterscheidet Trump auch von den anderen Kriegshetzern und moralisch zweifelhaften Charakteren, die seine Vorgänger waren.

Trump führt eine globale, rassistische Bewegung an

Seit dem Finanz-Crash versuchen verschiedene Gruppen wie Angehörige der politischen Elite in der westlichen Welt unentwegt, Migranten, Flüchtlinge und Muslime für Arbeitslosigkeit und Unsicherheit, stagnierende Lebensstandards und den Rückzug des Staates aus der Daseinsvorsroge verantwortlich zu machen. Wie praktisch für sie, dass ihre rassistischen Ablenkungsmanöver von einer Politik begleitet werden, die die Reichen und das Big Business bevorteilt. Diese rechten Strömungen können zunehmend Erfolge vorweisen und fühlen sich dadurch legitimiert und ermutigt, dass einer von ihnen im Weißen Haus sitzt. Genau das ist der Grund, weshalb wir auf die Straße gehen und demonstrieren müssen – nicht einfach gegen Präsident Trump, sondern gegen die globale Bewegung, die er de facto anführt.

Die politische Not ist groß. Die Rechtspopulisten sind in Österreich an der Regierung. Umfragen zeigen, dass sie dabei sind, Deutschlands größte Oppositionspartei zu werden. Im vergangenen Jahr errang die rechtsextreme Partei „Front National“ ihr bestes je dagewesenes Ergebnis bei einer französischen Präsidentschaftswahl, und das gaullistische Mitte-Rechts-Lager nähert sich ihr politisch an. In Italien ist die extreme Rechte, die Roma zählen und Migranten abschieben will, an der Macht. Die ungarische Regierung degeneriert zu einer rechtsextremen Diktatur, die antisemitische Klischees und Hass gegen Migranten verbreitet. Polens autoritäre rechte Regierung bedroht die Demokratie. In Schweden erzielt eine Partei, die aus der „White Supremacist“-Bewegung hervorgegangen ist, bei Umfragen Rekordergebnisse.

In Großbritannien hat die offizielle Pro-Brexit-Kampagne Furcht und Hass gegen Migranten angestachelt. Mit der English Defence League (EDL) wächst eine rechtsextreme Bewegung, die einen verurteilten Betrüger und Verbrecher als ihren spirituellen Anführer betrachtet; die Mainstream-Medien denunzieren Parlamentsabgeordnete und Richter als „Verräter“, „Saboteure“ und „Feinde des Volkes“. Gleichzeitig bereiten sich harte Brexit-Verfechter darauf vor, die populistische Wut mit der Behauptung anzuheizen, der Brexit sei verraten worden.

Wir können nicht einfach auf das Beste hoffen

Die Lichter gehen nicht aus – noch nicht –, aber sie flackern. Der Trumpismus ist überall auf dem Vormarsch: Donald Trump selbst ist nur seine auffälligste Erscheinungsform. Es besteht die Gefahr, dass diese Entwicklung noch radikaler und extremer wird, insbesondere für den Fall eines erneuten Konjunkturabschwungs, der überfällig ist. Wenn die rassistische Rechte im Aufstieg ist – das hat uns die Geschichte gelehrt –, lehnen wir uns nicht einfach zurück und hoffen das Beste. Nein, wir mobilisieren alle Kräfte und schlagen zurück. Das ist auch der Grund, warum Massenproteste gegen Trumps Besuch ein Ausgangspunkt für einen entscheidenden Pushback gegen zunehmend triumphale rechte und rechtsextremistische Bewegungen sind.

Es gibt natürlich noch viele andere Gründe, zu demonstrieren. Angesichts eines Brexit-Deals, der es so wohl nicht durchs Parlament schaffen wird, werden die Tories ein Handelsabkommen mit Trump anstreben – mit allem, was es mit sich bringt: die Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge, gerade im Gesundheitssystem, zugunsten multinationaler Konzerne ebenso wie das Zurückdrehen von Umweltschutzvorschriften und Arbeitnehmerrechten.

Die USA haben sich aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran zurückgezogen, und John Bolton – einer von Trumps wichtigsten Beratern – plädiert für eine Bombardierung des Landes. Es gilt, die klare Botschaft an die britische Regierung zu senden, dass die Öffentlichkeit nicht dulden wird, dass Großbritannien sich erneut an einer verhängnisvollen, von den USA angeführten Militär-Intervention beteiligt.

Durch den Ausstieg aus dem Pariser Klima-Abkommen wird der größte CO2-Verschmutzer der Menschheitsgeschichte potentiell zu einer existenziellen Bedrohung der Menschheit. Trumps Offensive gegen die Reproduktionsrechte der Frau und LGBT-Rechte ermutigt Frömmler auf der ganzen Welt und bedarf einer Antwort.

Ja, Trump ist ein verachtenswerter Frauenfeind, ein anti-muslimischer Frömmler, jemand, der Migranten zum Sündenbock macht, ein Mann, dessen Regierung schreiende Kinder von ihren Eltern trennt und in Käfige sperrt. Aber die Proteste gegen ihn dürfen ihn nicht nur als einen Schurken-Darsteller betrachten, sondern als den Hauptvertreter einer extrem gefährlichen globalen Bewegung. Es gilt, den Zusammenhang dazu herzustellen, was in Großbritannien passiert: eine konservative Partei, die mit anti-muslimischen Vorurteilen verseucht ist; die routinemäßige Dämonisierung von Migranten; die Deportation homosexueller Flüchtlinge in Länder, in denen Homosexualität verboten ist. Trump will, dass seine Theatralik uns ablenkt. Stattdessen sollten wir den Fokus auf den Hass legen, den er verkörpert – und der droht, die westliche Welt zu überwältigen, wenn wir nicht gegen ihn mobilisieren.

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Geschrieben von

Owen Jones | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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