Es war einmal vor langer Zeit – 1984 um genau zu sein –, da bat mich einer meiner Onkel um Hilfe. Er war Direktor einer kleinen Dorfschule in der irischen Provinz, die im Rahmen eines landesweiten Wettbewerbs gerade einen IBM-PC gewonnen hatte. Weder er noch ein anderer Lehrer der Schule hatten irgendeine Ahnung von Computern. Würde ich das Gerät also für sie installieren und ihnen eine Einführung geben? Eifrig willigte ich ein: Immerhin gehört es zu den Dingen, die einem mit dem Freak-Dasein versöhnen, andere in die geheimen Winkel des eigenen Reiches einführen zu können.
Es wurde also ein Abend ausgemacht, das Wohnzimmer meiner Tante zum Sperrbezirk ernannt, eine Flasche Jameson-Whiskey aufgetrieben und drei große Pappkartons wurden hereingebracht. Um 20 Uhr trafen die Kollegen meines Onkels ein und wir eröffneten die Sitzung. Ich packte die Kartons aus, schloss Monitor und Tastatur an die Systemeinheit an und schaltete das Gerät ein. Ein befriedigendes Piepen erklang, das System erwachte zum Leben und schließlich erschienen auch Zeichen und Symbole auf dem Bildschirm. „A:“ stand da, gefolgt von einem blinkenden Cursor.
Meine Gefährten waren sichtlich beeindruckt von dem Piepen und dem blinkendem Cursor. Aber, wollten sie wissen, was kann man mit dem Ding anstellen? Ich durchforstete mein Hirn nach der eindrucksvollsten Demonstration des Nutzens der Computertechnologie. „Klar,“ fiel mir plötzlich ein, „Textbearbeitung!“ Also schaute ich im Softwarepaket nach, das mit der Maschine geliefert worden war und tatsächlich war, wie sollte es auch anders sein, eine Kopie des Programmes Wordstar dabei. Bingo!
Ich installierte das Programm und ging das Standard-Demo durch. Ich führte vor, wie man Textumbrüche macht, schnell Dokumente hin- und herschieben, mühelos Cut durchführen kann und so weiter und so fort. Völlig überwältigt von der Schönheit dieser Technologie schaute ich zu meinem Publikum – und blickte in ausdruckslose Gesichter, glasige Augen und verwirrte Minen. Mir dämmerte, dass sie keinen Schimmer hatten, wovon ich redete. Nicht mal ansatzweise konnten sie nachvollziehen, warum ich ihnen etwas von Textbearbeitung erzählte.
Da erlebte ich einen dieser Momente der Erkenntnis, die einen wie ein Blitz treffen. Mir wurde klar, dass Textbearbeitung die technische Lösung eines Problems war, welches mich lange Zeiten meines Lebens geplagt hatte - die Schreibmaschine. Doch von meinen Zuhörern hatte noch nie jemand eine Schreibmaschine benutzt. Die für mich wunderbare Technik war für sie nur ein unverständliches, nutzloses Gimmick.
Für Schreiberlinge meiner (der Babyboomer)-Generation und älterer Jahrgänge waren die Schreibmaschinen der Fluch unseres Lebens. Einerseits konnte man ohne nicht arbeiten. Andererseits war die Arbeit damit ein echter Krampf. Jedes Mal, wenn man einen Fehler gemacht hatte oder sich beim nochmaligen Nachdenken für eine Änderung entschieden hatte, musste man das betreffende Wort oder den Ausdruck durchstreichen und mühselig die neue Fassung niederschreiben. So was wie „Ausschneiden Kopieren“ oder eine Rückstell- und Lösch-Vorrichtung gab es nicht. Das Ergebnis war deshalb oft eine Seite, die so furchtbar anzuschauen war, dass man sie schließlich voller Wut aus der Maschine zerrte, zerknüllte und das ganze verdammte Ding noch mal von vorne tippte. Ausschneiden und einfügen tat man noch mit einer Schere und die Wörter zählte man, indem man die Niederschrift mit einem Bleistift durchging und dabei Zahlen murmelte.
Die meisten Leute, die heute mit Hilfe von Tastaturen schreiben, haben nicht die leiseste Ahnung davon, wie das war. Textbearbeitungs-Software ist schon immer ein Bestandteil ihres Lebens gewesen. In Folge dessen hat sich auch der Prozess des Schreibens beinahe unmerklich verändert. Wie sagte doch bereits der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan: Wir formen unsere Werkzeuge und sie formen anschließend uns.
Das Setzen eines Textes am Bildschirm ähnelt inzwischen der Bildhauerei: Man hat eine Basis-Ausgangsmasse vor sich, die allerdings endlos umgestaltet werden kann. Man kann hier ein bisschen was abhobeln und dort ein bisschen, dieses Stückchen da ans Ende setzen, ein Wort markieren und auf der Stelle in einem Thesaurus nach einem Synonym suchen. Und alles ohne das Dokument verwerfen und auf einem unbeschriebenen Blatt Papier von vorn anfangen zu müssen.
Das Schriftstück bleibt makellos, Umbrüche und Seitenumbrüche bleiben erhalten bzw. werden automatisch mit geändert.
Ist das nun eine gute Sache? Hält man es mit dem bedeutenden englischen (auch ehrfurchtsvoll Dr. Johnson genannten) Gelehrten und Autor Samuel Johnson, demzufolge „nichts, das mit Vergnügen gelesen wird, ohne Schmerz geschrieben wurde“, besteht die Antwort aus einem definitiven Vielleicht. Es gibt keine Belege dafür, dass die Qualität dessen, was geschrieben wird, sich seit Dr. Johnsons Zeiten großartig verbessert hätte, doch wohl mildert die Textbearbeitungstechnologie den Schmerz beim Aufschreiben. Wer hieran Zweifel hat, lade sich einfach mal das kleine Programm herunter, das passender Weise den Namen Typewriter trägt. Es läuft auf jedem Computer und gestattet dem Benutzer lediglich das Tippen, Speichern und Drucken eines Textdokumentes. Es gibt keine Rückstelltaste, keine Rechtschreibprüfung und kein Ausschneiden und Einfügen.
„Beim händischen Schreiben auf einer Schreibmaschine wird man auf eine gute Art langsamer,“ sagt Typewriter-Programmierer Joey Daoud. „Man überarbeitet nicht soviel nachträglich und denkt mehr nach, weil man ja weiß, dass man gegebenenfalls alles noch mal neu schreiben muss. Das bewahrt einen davor, einfach etwas in die Tasten zu hauen und dann damit zu spielen.“
Masochisten, bitte hinten anstellen und eine ordentliche Schlange bilden!
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