Es war eine kleine Feier im engsten Familienkreis. Ganz in Weiß gehüllt begingen Rupert Murdoch und seine Frau Wendi Deng Murdoch im vergangenen Jahr die Taufe ihrer beiden Töchter. Die Familie hatte für die kleine Feier an der Stelle des Jordanufers, an der Jesus Christus getauft worden sein soll, die engsten Freunde der Familie eingeladen: Nicole Kidman, Königin Rania von Jordanien, Hugh Jackman, die Tochter von Donald Trump, ein Fotograf des Magazins Hello! und, nicht zu vergessen, den Experten für geistliche Angelegenheiten: Tony Blair.
Die Vogue-Enthüllung, dass Blair so eng mit Wendi Deng befreundet ist, dass er die Patenschaft für ihre neunjährige Tochter Grace Murdoch übernahm, kam für die meisten überraschend. Warum nur? Zum einen bestätigt dies einmal mehr die allzu guten Verbindungen zwischen dem Murdoch-Imperium und der britischen Politik – eine Verbindung, die in diesem besonderen Fall 1997 geknüpft wurde, als das Murdoch-Blatt The Sun sich auf die Seite Blairs schlug. Zum anderen wirft es Fragen zu der Rolle auf, die Taufpaten in der heutigen Zeit spielen.
Festigung vorteilhafter Beziehungen
Während es beim Amt des Taufpaten einst um geistliche Führung ging und dies in jüngerer Zeit dann zu einem Mittel wurde, enge Freunde in die Familie einzubinden, scheint die Sache hier nochmal anders gelagert. Auch wenn Jackman im selben Vogue-Artikel zu berichten weiß, Deng wolle, dass ihre Kinder "ein religiöses Leben führen … sie gehen regelmäßig in die Kirche und zur Sonntagsschule", legt die Wahl des Paten doch nahe, sie diene der Festigung einer Beziehung, die sich für die Eltern mindestens genau so vorteilhaft erweisen könnte wie für die Kinder.
Natürlich gibt es diese Art der Festigung und Erweiterung des gesellschaftlichen Einflusses im Adel seit Jahrhunderten, auch in der Welt der Prominenten wird sie seit Langem gepflegt. Prinz Charles bringt es angeblich auf stolze 33 Patenkinder, wobei er seiner Aufgabe dabei wohl auf recht eigenartige Weise nachkommt. India Hicks – eine seiner Patentöchter – erzählte vor Kurzem, sie habe von ihm jahrelang Teetassen oder Soßenschüsseln aus Porzellan geschenkt bekommen. Das sei für sie als junges Mädchen manchmal schon etwas Irritierend gewesen, aber nun, als Erwachsene, habe sie immerhin ein paar komplette Services feinsten Porzellans.
Will man einem Meister des "Power-Patentums" bei der Arbeit zusehen, so braucht man nur einen Blick auf den gegenwärtigen britischen Premier David Cameron zu werfen, der sein politisches und berufliches Netzwerk durch die Wahl der Paten seiner Kinder erheblich gestärkt hat. Seinen Strategie-Berater Steve Hilton und dessen Frau machte er zu Paten seines Sohnes Ivan, Bildungsminister Michael Gove und dessen Frau sollen die Paten von Camerons jüngstem Kind Florence sein und Schatzkanzler George Osborne und Cameron selbst sind die Patenonkel der Kinder des jeweils anderen.
Traditionell ist der Pate in der anglikanischen Kirche für das Kind zwischen dessen Taufe und Konfirmation eine Bezugsperson, an die es sich mit religiösen Fragen wenden kann, sagt Giles Fraser, Geistlicher an der St Paul's Cathedral. Heute wisse jedoch niemand mehr, was es eigentlich bedeute, ein Pate zu sein. "Die Bedeutung, die der Rolle zukam, war recht eng mit einer bestimmten Form religiöser Praxis verbunden. Als diese zurückging oder sogar völlig verschwand, wussten die Leute nicht mehr, wozu die Sache gut war. Die meisten empfinden das Amt als eine ehrwürdige Verantwortung, wissen aber nicht recht, worin diese Verantwortung besteht." Die meisten normalen Leute belohnen heute enge Freunde damit, sie in eine Art Quasi-Familienstatus zu erheben, sagt Fraser.
Bei manchen ist es aber auch mehr. So berichtete die Vogue 2009, der Kunsthändler Detmar Blow habe für seinen Sohn Sasha Filgueiras de Castilho Blow neun Paten ausgewählt, zu denen die Künstlerin Tracey Emin, der Kurator und Galerist Gregor Muir sowie Amir Farman-Farma gehören würden, der eine Beratungsfirma für Hedge-Fonds betreibt. "Seit die spirituelle Dimension an Bedeutung verloren hat, wird ein Pate oft deswegen ausgewählt, weil er etwas zu bieten hat, was den Eltern abgeht, ob dies nun Reichtum, Glamour, sportliche Fähigkeiten oder die Verbindung zu einem anderen Land sind. Ich denke, die Leute sehen darin heute zunehmend eine Möglichkeit, den Horizont ihres Kindes zu erweitern", sagt die Etikette-Expertin bei der People-Plattform Debrett's Liz Wyse. Sie würde dringend dazu raten, die Paten unter engen Freunden zu wählen. "Ich glaube, wenn man jemanden auswählt, der nicht zu seinem unmittelbaren sozialen Umfeld gehört, werden die Leute schon etwas zynisch über die dahinterstehende Motivation spekulieren. Man fängt an, sich zu fragen, ob es dabei nun um das Kind geht oder um Vernetzung und eine Beziehung zum gegenseitigen Nutzen."
Patenanfragen von fast Fremden
Während der Recherche zu diesem Artikel habe ich mit einer Reihe von Leuten mit beeindruckenden Jobs gesprochen. Sie erzählten mir, sie seien sehr erstaunt darüber gewesen, als sie von Leuten, die sie kaum kannten, gefragt wurden, ob sie nicht die Patenschaft für deren Kind übernehmen wollten, hätten sich aber verpflichtet gefühlt, das Angebot anzunehmen.
Auch William Cash, der Chefredakteur vonSpear's, einem Magazin für Millionäre, zeigt sich überzeugt, dass die Rolle des Paten sich verändert hat: „Definitiv. Die Mega-Reichen neigen dazu, miteinander auf obskure Art und Weise in Konkurrenz zu treten. Sie können es sich leisten, viele Kinder zu haben. Nicht nur eigene, sondern ein ganzes Netzwerk von Patenkindern. Und es handelt sich ganz bestimmt um Netzwerke. Es ist eine Form, sich um eine potenzielle Jobmöglichkeiten zu kümmern.“
Es gibt Anzeichen dafür, dass dieses Verhalten aus der Welt der Reichen, Adligen und Berühmten auch auf die Mehrheitsgesellschaft übergreift. Wir leben heute in einer Welt, in der Netzwerke offener geknüpft werden als früher und akzeptiert sind wie noch nie. Gleichzeitig machen sich immer mehr Menschen Sorgen um die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Zukunftsaussichten ihrer Kinder. "In diesem Klima erkennen einige Eltern, dass Paten eine Möglichkeit darstellen, diese Netzwerke aufzubauen", sagt der Chef des Berufsbildungszentrums der University of Liverpool, Paul Redmond. "Der Adel betreibt dies schon seit Generationen. Immer mehr Menschen wollen es ihm gleichtun. Sie haben begriffen, dass es auf dem Arbeitsmarkt nicht nur auf Bildungs-, sondern auch auf soziales Kapital ankommt."
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