Es gibt nur einen Holden Caulfield

Urheberrecht Der öffentlichkeitsscheue Autor J.D. Salinger ist einmal mehr vor Gericht gezogen. Ein literarischer Debütant will seinen Roman "Der Fänger im Roggen" neu schreiben

Der 90-jährige Salinger hat vor einem New Yorker Bundesgericht Anzeige erstattet. Er verklagt den Verfasser, den Verlag und den Vertrieb des Romans mit dem Titel 60 Years Later: Coming Through The Rye, der in Kürze erscheinen sollte, und in dem es um den 76-jährigen „Mr. C“ geht. Der Charakter des „Mr C“ basiert eindeutig auf Caulfield, dem 16-jährigen Erzähler des Fängers im Roggen, der zu den berühmtesten Personifikationen der amerikanischen Literatur zählt. In Salingers 1951 veröffentlichtem Buch bricht der junge Mann aus einem Elite-Internat aus und streift ein paar Tage durch die Straßen New York Citys.

In 60 Years Later bricht Mr. C aus einem Pflegeheim aus und treibt sich erneut im Central Park und den Straßen Manhattans herum. In der Anzeige werfen Salingers Anwälte dem neuen, nicht autorisierten Roman vor, „schlicht und einfach ein Plagiat“ zu sein. Weiterhin heißt es, Salinger schütze sein „intellektuelles Eigentum entschlossen“ und „wünsche und akzeptiere die Verwendung seines geistigen Eigentums von Seiten des Angeklagten“ nicht.

Die Veröffentlichung des neuen Buches, die diesen Monat in Großbritannien angesetzt war, ist nun erst einmal auf Eis gelegt. Einige der Dinge, die bislang darüber bekannt wurden, haben zu Spekulationen geführt, es könnte sich um einen raffinierten Jux handeln. Der Autor, der sich J.D. California nennt - wobei es sich den Anklägern zufolge um ein Pseudonym handelt – widmet sein Werk Salinger, den er als „den grandiosesten aller Lügner“ bezeichnet. Verlegt wird das umstrittene Schriftstück von einem neugegründeten Unternehmen namens Windupbird Publishing. Druckausgaben des Textes kursieren allerdings bereits in New York.

Auch Spielberg blitzte ab

Windupbird-Mitbegründer Fredrik Colting beharrt indes darauf, dass es sich bei dem Titel um ein „wirkliches Buch, keinen Scherz“ handele und wies die Klage zurück: „Meiner Ansicht nach gehören Worte allen. Verrückte Idee zu denken: ‚Diese Worte sind mein Eigentum.’“ Vergangenen Monat sagte California in einem Gespräch mit dem Guardian, er habe sich „immer gefragt, was mit Caulfield geschehen ist. Er verdient ein Leben, das sich nicht auf seine 16 Jahre beschränkt.“

Salinger, der auch seit der letzten Veröffentlichung eines seiner Werke im Jahr 1965 immer stets von Interesse für viele Zeitgenossen blieb, hat Anfragen anderer Schriftsteller, von Filmemachern und Journalisten jedoch durchweg abgelehnt. Mehrmals hat er rechtliche Schritte eingeleitet, unter anderem 1982 gegen den Verfasser eines fiktiven Interviews mit seiner Person und gegen Ian Hamilton, den Verfasser einer unautorisierten Salinger-Biographie aus dem Jahr 1989, die auch unveröffentlichte Briefe des Autors enthielt. Der Oberste Gerichtshof der USA untersagte daraufhin die Veröffentlichung.

Auch Anfragen Steven Spielbergs und Harvey Weinsteins, die den Fänger im Roggen verfilmen wollten, lehnte Salinger ab. Der Autor erklärte sich einmal mit den Worten: „An Holden Caulfield ist nicht mehr dran. Lesen Sie das Buch noch einmal. Holden Caulfield ist lediglich ein eingefrorener Augenblick.“


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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Ed Pilkington, The Guardian | The Guardian

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