Es steht viel auf dem Spiel

Bahrain Erst zielten die Proteste nur auf eine neue Verfassung und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Inzwischen ist König Hamad al-Khalifa nicht mehr sakrosankt

Noch zu Wochenbeginn fand es Präsident Obama paradox, dass ein iranisches Regime, das den Volksaufstand in Ägypten begrüßt hatte, auf friedliche Demonstranten im eigenen Land schießen und diese verprügeln ließ. Wenige Tage später wendet sich das Blatt. Sicherheitskräfte im Königreich Bahrain, das Außenministerin Hillary Clinton noch im Dezember als "vorbildlichen Partner" der Vereinigten Staaten bezeichnet hat, schießen auf Demonstranten, von denen einige noch schlafen. Es werden Ärzte angegriffen, die Verletzten zu Hilfe kommen wollen – die Polizisten schlagen jeden, den sie in die Finger kriegen. Auch bei Frauen und Kindern gibt es keine Ausnahme.

Die Telefonleitungen in den Golfstaat glühen derzeit. Hillary Clinton bringt ihre Besorgnis zum Ausdruck. Das Pentagon drängt zu Zurückhaltung. Großbritanniens Außenminister Hague, der erst vor wenigen Tagen Bahrain besucht hat, betont seinerseits, man müsse den Forderungen der Demonstranten friedlich begegnen. Michèle Alliot-Marie, Frankreichs Außenministerin, bedauert den exzessiven Gebrauch von Gewalt durch die Sicherheitskräfte – als ob ein geringeres Maß an Gewalt zulässig wäre.

Einmal mehr erscheinen die strategischen Interessen der USA, Großbritanniens und Frankreichs und die Werte, die sie als universelle Rechte hochhalten, in starkem Kontrast zueinander. Über das strategische Interesse an der kleinen Insel kann kein Zweifel bestehen: In der Hauptstadt Manama liegt die fünfte Flotte der US-Marine vor Anker, um die saudischen Ölanlagen und die Wasserwege am Golf zu beschützen. Sowohl die USA als auch die Saudis sehen die herrschende al-Khalifa-Familie als wichtigen Verbündeten bei der Eindämmung des Iran, der die Insel schon lange für sich reklamiert. Sollten die USA ihren Verbündeten je fallen lassen – das saudische Königshaus würde dies niemals tun. Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Kein iranisches Gespenst

Genau das – den radikalen Wandel – könnte die Opposition in Bahrain aber jetzt im Sinn haben. Bevor die Polizei brutal schlafende Demonstranten angriff, bestanden deren Forderungen in der Ausarbeitung einer Verfassung durch eine gewählte Versammlung und in der Freilassung politischer Gefangener. Kaum einer verlangte, König Hamad al-Khalifa selbst solle seine Sachen packen. Jetzt schon. Der konfessionelle Charakter des Konflikts bleibt in einem arabischen Land nie weit unter der Oberfläche, wenn wie in Bahrain die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Parlament unterrepräsentiert bleibt und kaum Zugang zum Ölreichtum des Landes hat. Die Sicherheitskräfte mussten bereits ausländische Sunniten rekrutieren und naturalisieren, um genügend Leute verfügbar zu haben. Bevor das Gespenst des Iran beschworen wird – und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Teheran bei den Protesten in Bahrain die Finger mit im Spiel haben könnte –, lohnt es sich, daran zu erinnern, dass keiner der Aufstände in Tunesien, Ägypten, Libyen oder im Jemen einen ausgeprägt islamischen Charakter trägt. Die Generation, die grundlegende politische Rechte reklamiert, hat kein Interesse an Ideologie, sondern an einem Ende von Tyrannei und Korruption. Es sollte klar sein, wo das Interesse des Westens liegt.


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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Editorial | The Guardian

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