"Erschaffen wir die Welt, die wir wollen?" fragte Facebook-CEO Mark Zuckerberg in einem vergangene Woche veröffentlichten Posting, das schnell als Manifest gehandelt wurde. Zuckerberg verteidigt in seinem Text die Globalisierung, setzt einen Kontrapunkt zum Populismus der gegenwärtigen politischen Debatte und erläutert seine Vision von der Rolle, die Facebook seiner Meinung nach bei der Gestaltung einer besseren Welt spielen sollte.
Während es zunächst so aussieht, als würde Zuckerberg die mannigfache Kritik an Facebooks wachsender Macht annehmen, sollte man sich von seinen harmlosen und freundlichen Worten nicht täuschen lassen. In seinem Post deutet er einen Richtungswechsel an: Bislang war Facebooks Mission völlig darauf konzentriert, den Menschen die Möglichkeit zu geben, Inhalte zu teilen und miteinander in Kontakt zu treten. Am Freitag schrieb Zuckerberg nun: "Das Wichtigste, was wir bei Facebook tun können, besteht in der Entwicklung der sozialen Infrastruktur, mit der wir die Menschen in die Lage zu versetzen, eine weltweite Community aufzubauen, die für uns alle funktioniert."
Da gibt es nur leider ein kleines Problem: Zuckerberg weigert sich anzuerkennen, dass Facebook bereits eine auf Profit ausgelegte Form von sozialer Infrastruktur ist und bereits einen gewaltigen, so noch nie dagewesenen Einfluss auf unser Leben hat. Indem das Unternehmen Profit macht, leistet Facebook zwar gesellschaftlichen Beitrag, schädigt die Gesellschaft gleichzeitig aber auch.
Das Unternehmen verfügt über eine unübertroffene Reichweite. Ein Viertel der Weltbevölkerung – 1,86 Milliarden Menschen – verfügt über ein Facebook-Konto. Facebook beeinflusst die Art, wie Menschen Informationen konsumieren und verarbeiten und es beeinflusst das soziale Verhalten untereinander. An diesen Punkt ist das Unternehmen gekommen, indem es auf aggressive Wachstumsstrategien gesetzt hat.
Für Regionen auf der Welt, in denen die Menschen sich einen Internetzugang nicht ohne Weiteres leisten können, hat Facebook eine vermeintlich philanthropische Initiative für freien Internetzugang ins Leben gerufen. Blickt man aber etwas tiefer, geht es dabei eindeutig darum, die Nutzerbasis von Facebook und dessen Profite weiter auszubauen, denn der Zugang ist streng auf Facebook und ein paar von dessen Partnerseiten begrenzt. In Indien wurde das Facebook-Internet zwar von den Regulierungsbehörden verboten, nachdem es zu einem Aufschrei einheimischer Anbieter gekommen war; in mehreren anderen Ländern ist es aber kaum auf Widerstand gestoßen.
Facebooks monopolartige Macht geht weit über den bloßen Zugang zum Internet hinaus. Gemeinsam mit Google hat es die für investigativen Journalismus so lebenswichtigen Werbeeinnahmen kannibalisiert, obwohl dieser gerade heute wichtiger denn je ist. Zuckerberg erkennt kaum an, welche Rolle Facebook beim Niedergang der traditionellen Medien spielt und hat diesbezüglich außer Plattitüden nichts zu bieten.
Indem die Plattform die Informationen filtert, die seine Nutzer auf ihr zu sehen bekommen, verändert Facebook auch die Art, wie die Menschen denken. Seine Algorithmen – deren Design natürlich auf Profitmaximierung ausgelegt ist – fungieren wie Redakteure und stoßen uns auf Inhalte, die wir mit großer Wahrscheinlichkeit interessant finden werden.
Dadurch schafft Facebook die Filterblasen, in denen wir zunehmend nur noch Inhalte konsumieren, die unserem Handeln und Denken ohnehin entpsrechen. Das Unternehmen hat bislang herzlich wenig gegen die Verbreitung von Falschmeldungen unternommen. Zuckerberg schreibt: "Unsere Community wird herausfinden, welche Quellen eine vollständige Bandbreite von Perspektiven bereitstellen, sodass deren Inhalte natürlich öfter auftauchen werden”.
Es ist aber nichts "Natürliches" oder Organisches an einer redaktionellen Bearbeitung. Facebook hat die Pflicht, seine redaktionellen Algorithmen offenzulegen, damit seine Nutzerinnen wissen, nach welchen Kriterien das, was sie in ihren Newsfeeds angezeigt bekommen, ausgewählt wurde.
Wir andere Megaunternehmen hat auch Facebook alles in seiner Macht stehende unternommen, um seine Steuerabgaben so gering wie möglich zu halten. Das Unternehmen hat nur einen Bruchteil von dem abgeführt, was es den Gesellschaften schuldet, in denen es seine Profite generiert. Es untergräbt damit genau die soziale Infrastruktur, von der Zuckerberg behauptet, er wolle sie aufbauen. Dennoch besitzen Silicon-Valley-Unternehmer die Frechheit zu fordern, die Regierung solle allen ein bedingungsloses Grundeinkommen auszahlen, während einer ihrer größten Lieblinge so gut wie keine Steuern zahlt. Das sind Vorboten einer neofeudalen Welt, in der ein paar wenige Auserwählte über den gesamten technologischen Wohlstand verfügen und dem Rest von uns gerade nur so viel zukommen lassen, dass er gerade so noch irgendwie über die Runden kommt.
Mit Ausnahme von Google gibt es kein Unternehmen, dessen Einfluss an den von Facebooks heranreicht. Ermöglicht durch die Technik zeichnet sich eine größere Veränderung in der wirtschaftlichen Machtstruktur ab: weg von den Konsumenten, Produzenten und abhängig Beschäftigten, hin zu Plattformen wie Uber und Airbnb, die die Wirtschaft durch eine Infrastruktur ergänzen, ihr aber keine Produktionsleistung hinzufügen.
Unsere veralteten Systeme nationaler und internationaler Regulierung hinken weit hinter deren Vorgehensweise zurück. Während es keine Gesetze gibt, die Apps wie Deliveroo davon abhalten, morgen die Gehälter der Kuriere um die Hälfte zu kürzen, von denen das Unternehmen behauptet, sie seien selbstständig. Die Angestellten anständig zu behandeln, sollte nicht von der Willkür der Unternehmen abhängen, sondern gesetzlich vorgeschrieben sein.
All dies geschieht zu einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft verwischen und die USA einen Milliardär zum Präsidenten haben, der kompromittierende Interessenskonflikte mit ins Weiße Haus gebracht hat. Wie Zuckerberg selbst einräumt: "In den letzten Wahlkämpfen auf der ganzen Welt konnte wir beobachten, dass für gewöhnlich diejenigen Kandidaten gewinnen, die die größte und engagierteste Anhängerschaft auf Facebook haben." Wäre Zuckerberg denn dann quasi unschlagbar, sollte er eines Tages, wie manche bereits heute spekulieren, für das Amt des Präsidenten kandidieren?
Zuckerbergs Philanthropie suggeriert, sein Wunsch, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, sei echt. In Wahrheit ist Facebook aber ein unheilvolles Symptom dafür, dass in dem derzeitigen Wirtschaftsmodell etwas ernsthaft schiefläuft. Das Gleichgewicht der wirtschaftlichen Macht – das entscheidend dafür ist, dass Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können – kippt zugunsten einer kleinen Gruppe von Unternehmen in einer Ecke Kaliforniens. Und die Regierungen dieser Welt sind entweder nicht Willens oder nicht in der Lage, diese Konzerne ordentlich zu regulieren.
Wenn Zuckerberg wirklich Gutes tun wollte, würde er eine Debatte darüber anstoßen, wie Regierungen die neuen Monopolisten wie Facebook regulieren könnten. Facebook würde seine Algorithmen veröffentlichen, um transparent zu machen, wer welche Informationen im Feed angezeigt bekommt und warum. Aber Zuckerberg ist Geschäftsmann, kein Politiker: Warum sollte er etwas tun, das seine Profite gefährdet?
Facebooks Erfolg kündet von einer Zukunft, in der wir vielleicht alle auf ein paar mächtige Unternehmen vertrauen müssen, die ums Überleben kämpfenden Medienorganisationen wohlwollend Zuschüsse und der Bevölkerung ein mageres Grundeinkommen zugestehen, mit dem sie ihre Hungerlöhne aufstocken kann. Doch heute haben Bürger und Konsumentinnen noch die Macht, etwas anderes zu verlangen, und die Gesetze unserer Länder sind noch immer in der Lange, dies auch durchzusetzen. Wir sollten handeln, solange wir noch können.
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