Fair verbunden

Konsum Wie kauft man ein Smartphone, an dem nicht das Blut kongolesischer Minenarbeiter klebt? Unser Autor hat einen Selbstversuch unternommen
Ausgabe 23/2013
Hier werden keine günstigen Tarife gesucht
Hier werden keine günstigen Tarife gesucht

Foto: Lionel Healing/ AFP/ Getty Images

Wenn man zu gut vernetzt ist, dann hört man auf zu denken. Lärm, die Unmittelbarkeit der Nachrichten und die Neigung, die Gedanken anderer aufzunehmen, unterbrechen das selbstständige Denken, das man braucht, um seinen eigenen Weg zu finden. Das ist einer der Gründe, warum ich mir noch kein Smartphone gekauft habe. Doch es wird immer schwieriger, der Technologie zu widerstehen – und es kann sein, dass ich dieses Jahr schwach werde.

Deshalb habe ich mir die einfache Frage gestellt: Ist es möglich, ein Smartphone zu kaufen, das unter ethisch vertretbaren Bedingungen hergestellt wird? Also ohne Hungerlöhne, Schikanen, Missbrauch, 60-Stunden-Wochen in den Fabriken, in denen die Geräte hergestellt werden; ohne die Schuldknechtschaft, in die einige Arbeiter gezwungen werden; und ohne unglaubliche Ressourcenverschwendung.

Mitte Mai stellten niederländische Designer das erste faire Smartphone vor, ein Android-basiertes Handy – kurzerhand FairPhone genannt –, das nach Fair-Trade-Grundsätzen gebaut wird, sobald 5.000 Vorbestellungen vorliegen. Dies ist am 5. Juni geschehen – mittlerweile ist sogar die 10.000er Marke geknackt.

Mineralien von Milizen

Ich will abseits dessen schauen, was der Markt im Moment so anbietet. Dabei werde ich mich vor allem auf einen Punkt konzentrieren: Klebt an den Komponenten der Smartphones das Blut von Menschen aus der Demokratischen Republik Kongo? Seit 17 Jahren kämpfen dort im Osten rivalisierende Armeen und Milizen um die Mineralien der Region, zu denen auch Metalle gehören, die für die Herstellung elektronischer Geräte wichtig sind und ohne die es keine Smartphones geben würde: Tantalum, Wolfram, Zinn und Gold.

Diese Substanzen sind nicht der einzige Grund für die Konflikte, aber sie helfen, die Aufstände zu finanzieren und unterstützen einen Krieg, der bis heute mehrere Millionen Menschenleben gekostet hat.

Die rivalisierenden Armeen haben die Menschen vor Ort gezwungen, unter extrem gefährlichen Bedingungen zu graben, selbstständigen Bergarbeitern Mineralien und Geld abgepresst. Sie haben Menschen gefoltert und verstümmelt, die sich ihnen nicht fügen wollten. Und sie haben auch den Rest der Bevölkerung mit Gewalt terrorisiert – einschließlich Massenvergewaltigungen und Kindesentführung. Damit möchte ich nichts zu tun haben.

Enttäuschende Ergebnisse

Warum drängt keine der Gruppen, die sich in dieser Sache engagieren, darauf, dass keine Mineralien mehr aus dem Osten des Kongos gekauft werden? Die NGOs Global Witness und FairPhone weisen darauf hin, dass in einem Land mit einer geschätzten Arbeitslosenrate von 82 Prozent der Bergbau vielen Familien hilft. Sie beharren darauf, dass der Handel von der Gewalt getrennt werden kann: Wenn Unternehmen garantieren, dass sie die Mineralien nicht von Milizen kaufen. Nur dann. Man sollte meinen, dass die Unternehmen das Thema ernst nehmen, wenn man an den möglichen Schaden für ihre Reputation denkt. Ich habe bei den Händlern mit meiner Recherche angefangen – und die Ergebnisse waren enttäuschend.

Vodafone behauptet etwa, man habe ein soziales und ökologisches Rating-System entwickelt, mit dem die Kunden in die Lage versetzt würden, „informierte Entscheidungen über das Mobiltelefon zu treffen, für das sie sich entscheiden“. Auf der Webseite des Unternehmens heißt es, das System sei 2011 in Holland eingeführt worden und werde 2012 auf den anderen europäischen Märkten installiert. Alles, was man zu sehen bekommt, wenn man auf den Link klickt, ist: „Page not found“. Auf Niederländisch. Und was die Behauptung angeht, neben jedem Produkt werde angezeigt, wie viele Punkte auf der Ethikskala ein Produkt erhält – ich konnte eine solche Bewertung nirgends finden.

Bei O2 steht: „Wir wollen Informationen über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Produkte, die wir verkaufen, weiterleiten, um unseren Kunden dabei zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.“ Und was sieht man, wenn man auf den Link klickt? Eine Liste der monatlichen Tarife. Zwar sind sogenannte Eco-Ratings neben den Geräten gelistet, aber diese Bewertungen werden nicht erklärt.

Nokia lag vorn

Nokia scheint am weitesten gegangen zu sein. Seit 2001 – lange bevor andere Unternehmen Interesse daran zeigten – versucht der Hersteller, illegal abgebautes Tantalum aus seiner Versorgungskette zu entfernen und weist die Zulieferer an, die Wege anzugeben, die die Metalle zurücklegen. Doch das Problem ist damit nicht gelöst: Mir wird von Nokia erklärt, dass es bisher noch kein glaubhaftes System gebe, das es einem Unternehmen erlaube, die Quelle des Materials exakt zu bestimmen. Es existieren inzwischen sechs Initiativen verschiedener Regierungen, NGOs und Unternehmen, die das Blut aus den Handys herausbekommen wollen. Nokia ist an allen beteiligt.

Apples Reaktion dagegen hat mich nicht überzeugt. Der Hersteller legt offen, dass die verwendeten Metalle aus 211 verschiedenen Schmelzhütten stammen, die auf dem ganzen Erdball verteilt sind. Jede davon kann Mineralien verwenden, die von kongolesischen Milizen stammen. Immerhin dokumentiert man die Versorgungskette.

Vor zwei Jahren hat Motorola ein glaubwürdig erscheinendes Programm ins Leben gerufen, um sauberes Tantalum aus dem Ost-Kongo zu erstehen. Projekte wie diese, die am Anfang der langen Versorgungskette ansetzen, bieten den Menschen vor Ort eine Erwerbsmöglichkeit und garantieren gleichzeitig, dass nicht bewaffnete Psychopathen an Smartphones profitieren.

Meinen Plan, ein Smartphone zu kaufen, habe ich erst mal wieder aufgegeben. Ich warte jetzt ab, ob es FairPhone gelingt, ein sauberes herzustellen.

George Monbiot ist Buchautor und schreibt im Guardian vor allem über Umweltthemen

Zum Weiterlesen in der aktuellen Ausgabe 25/13: Ein Porträt von Bas van Abel, der mit seinem Start-up „Fairphone“ das erste möglichst fair produzierte Smartphone auf den Markt bringt

Gute Argumente sind das beste Geschenk

Legen Sie einen Gutschein vom digitalen Freitag ins Osternest – für 1, 2 oder 5 Monate.

Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

George Monbiot | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden