Die Vorteile der Finanzhilfen für Irland für Deutschland und die Eurozone liegen auf der Hand: Es geht nicht um Bargeld, sondern um Garantien und Kredite, die zurückgezahlt werden müssen, wobei die 90 Milliarden Euro Bürgschaft für die irischen Banken sich im Rahmen des Kreditbudgets von EU und IWF bewegen. Ein weiterer Vorteil, den sich Brüssel erhofft, besteht darin, dass ein Deal mit Dublin von den tiefgehenden und möglicherweise ruinösen Problemen in Portugal, Spanien, Griechenland und Italien ablenken wird.
Da Irland bei britischen und deutschen Banken mit 149 beziehungsweise 139 Milliarden Dollar in der Kreide steht, wäre der Zahlungsrückstand einer irischen Bank nur schwer unter Kontrolle zu halten. Auch wenn die britischen Banken den Großteil der irischen Schulden bereits abgeschrieben haben dürften, würde eine irische Bankenpleite Schatzkanzler George Osborne dazu zwingen, weit mehr Geld in die Hand zu nehmen als die sieben Milliarden Pfund, die er Dublin bislang in Aussicht gestellt hat.
Welchen Sinn dagegen die Annahme der EU-Hilfen für Irland ergibt, ist weit weniger klar. Andrew Clare, Professor an der Cass Business School, vertritt die Ansicht, man sollte Irland dazu zwingen, die Pleite seiner Banken anzuerkennen. Nur wenn eindeutig klargestellt werde, zu was für einer holen Schale die Geschäftsbankengruppe Allied Irish Banks geworden ist, würden die Beteiligten – die Iren wie Brüssel – seiner Meinung nach in die Lage versetzt, einen Schritt nach vorne zu machen: „Der einzige Weg, eine unumschränkte Ausbreitung der Krise im Herzen des Euro zu verhindern, besteht in der Anerkennung der Verluste im Bankensektor und deren Abschreibung auf Kosten der Banken und Anleger. Es sollte diejenigen treffen, die in das Eigenkapital der Banken investiert haben und deren Schuldscheine halten, nicht die verhältnismäßig gering bezahlten Arbeitnehmer der Eurozone. Ohne derartige Maßnahmen werden die Probleme weiter bestehen.“
Merkel hatte Recht
Diese Ansicht teilt neben renommierten Ökonomen auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihrer Meinung nach hält die Finanzkrise an, weil die Pfandbriefinhaber nicht akzeptieren wollen, dass ihre Investitionen in Staatsanleihen nur noch 80 Prozent ihres ursprünglichen Werts haben, was in etwa dem Rückgang des irischen BIP entspricht. Während Aktieninhaber und Immobilienbesitzer einen Wertverlust ihrer Anlagen hinnehmen mussten, beanspruchen Inhaber von Staatsanleihen für sich Immunität. Die Regierungen, die davon abhängig sind, dass Privatpersonen ihnen Geld leihen, scheuen das Risiko – die Regierung Cowen macht da keine Ausnahme. Was Pfandbriefinhaber verlangen, das bekommen sie auch. Deutsche, Briten und Iren haben ihre Banken nicht in erster Linie deshalb verstaatlicht, um die Kontrolle zu übernehmen oder die Kreditvergabe der Institute zu beeinflussen, um diesen mehr gesamtgesellschaftliche Verantwortung abzuverlangen, sondern um Pfandbriefinhaber vor Verlusten zu bewahren.
Manche behaupten, Merkel habe die jüngste Panik verursacht, als sie neue Bestimmungen für Pfandbriefinhaber durchsetzte und diese zwang, Verluste ihrer Anlagen zu akzeptieren, wenn ihre Bank definitiv pleite ist und sich in Händen des Staates befindet. Die geplante Einführung dieser Änderung im Jahr 2013 sorgte für einen Aufstand. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt und der Umgang mit der einsetzenden Panik war noch schlechter. Das ändert aber nichts daran, dass jeder vernünftige Mensch wusste, dass sie Recht hatte.
Einige Fondsmanager fordern mehr Sicherheit und sehen nicht, wie die irischen Banken langfristig ihre gesamten Schulden zurückzahlen sollen und stellen die Mitgliedschaft Irlands in der europäischen Währungsunion in Frage. Es ist jedoch offensichtlich, dass die EU dem eher sozialdemokratischen Umgang mit Bankenpleiten den Vorzug gibt und selbst dann noch leugnet, dass ein Institut pleite ist, wenn diesem die Schulden bereits bis zum Hals stehen. Eine Mischung aus staatlicher Hilfe und Krediten wird in Anschlag gebracht, frei nach dem Motto: Nächstes Mal machen wir’s besser.
"Japanische Lösung"
In den neunziger Jahren weigerten sich japanische Gerichte, dem Antrag auf Insolvenz von Gläubigern aus dem Westen stattzugeben, obwohl viele große japanische Unternehmen nachweislich pleite waren. Diese Haltung verhinderte wirtschaftliche Erholung und Wachstum, Banken und Unternehmen schleppten sich von einem Jahr zum nächsten, gleichzeitig konnte man auf diese Weise aber Arbeitsplätze sichern und den Zusammenhalt der Gesellschaft gewährleisten. Auch die EU hofft, sich weiter durchwurschteln zu können, Arbeitsplätze und den sozialen Zusammenhalt zu sichern. Für einen losen Staatenbund mit vielen entgegengesetzten Zielen wie Europa, scheint eine japanische Lösung wesentlich schwieriger umsetzbar. Entweder ermöglicht Brüssel Ländern wie Irland, sich außerhalb der Union zu restrukturieren oder die Mitgliedsländer der EU kommen überein, noch engere Bindungen mit der Garantie von Krediten und Sozialleistungen einzugehen, wobei für periphere Länder selbstverständlich Sonderregeln gelten müssten. Einfach neue Kredite zu vereinbaren, um weiter auf der Stelle zu treten, stellt keine Option mehr dar.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.