Medienberichte, in denen alltägliche Lebensmittel von verbranntem Toast bis hin zu fettreduzierter Salatsauce mit Krebs in Zusammenhang gebracht werden, gehören zum Kerngeschäft von Boulevardblättern und Frauenmagazinen. Zwei US-Wissenschaftler haben nun allerdings einen Vorbehalt angemeldet. „Als wir die betreffenden Forschungsveröffentlichungen untersuchten, zeigte sich oftmals, dass eine statistische Signifikanz nur grenzwertig oder überhaupt nicht gegeben war“, erläutert Dr. Jonathan Schoenfeld von der Harvard School of Public Health in Boston.
In einem Bericht im American Journal of Clinical Nutrition betonen Schoenfeld und John Ioannidis von der Universität Stanford, dass es wiederholt nicht gelungen sei, die aus Einzelbeobachtungen gewonnenen Annahmen über Zusammenhänge zwischen verschiedenen Lebensmitteln und Krebs in Versuchen systematisch zu bestätigen. Dennoch haben jene Studien, die erstmals auf ein vermeintliches Krebsrisiko aufmerksam machen, oftmals öffentliche Diskussionen „voller emotionaler und reißerischer Rhetorik“ ausgelöst, welche in der „Öffentlichkeit übersteigerte Befürchtungen auslösen und zu widersprüchlichen Ratschlägen führen können“.
Nachgeprüft!
In jüngster Zeit sind zum Beispiel in kohlensäurehaltigen Getränken enthaltene Farbstoffe, fettreduzierte Salatdressings, verbrannter Toast und Tee mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht worden. Zuvor war der Verdacht bereits auf rotes Fleisch, Hot Dogs, Donuts und Schinkenspeck gefallen.
Um derartige Aussagen zu überprüfen, wählten Schoenfeld und Ioannidis zunächst zufällig Rezepte aus dem amerikanischen Kochbuchklassiker Boston Cooking-School Cook Book aus. „Wir trafen die Rezeptauswahl mit Hilfe von Zufallszahlen und trugen dann die verwendeten Zutaten zusammen“, erklärt Schoenfeld. „So erhielten wir eine gute Bandbreite alltäglicher – sowie einiger ungewöhnlicherer – Lebensmittel. Dann gaben wir jede der Zutaten in eine Suchmaschine ein, um herauszufinden, ob und wie sie in der medizinischen Literatur mit Krebsrisiken assoziiert waren. Wir stellten fest, dass 40 der 50 Zutaten unserer Auswahl in Studien auf einen möglichen Zusammenhang mit Krebs hin untersucht worden waren.“
Zu den 40 mit Krebsrisiken in Verbindung gebrachten Lebensmitteln zählten Mehl, Kaffee, Butter, Oliven, Zucker, Brot und Salz. Außerdem Erbsen, Entenfleisch, Tomaten, Zitronen, Zwiebeln, Sellerie, Karotten, Petersilie und Lammfleisch. Auch weniger gebräuchliche Zutaten waren dabei, darunter Hummer, Kutteln, Kalbfleisch, Muskat, Zimt und Senf. Im Anschluss analysierten Schoenfeld und Ioannidis die wissenschaftlichen Berichte, die zu diesen Lebensmitteln angefertigt worden waren. Sie nahmen auch unter die Lupe, um welchen Faktor ein Lebensmittel angeblich ein Krebsrisiko verstärkte. Und sie überprüften die statistische Signifikanz der Studien – also ob sich in Beobachtungen ein tatsächliches Muster zeigt, oder bloß ein zufälliges. Die Arbeit der beiden Wissenschaftler legt nahe, dass viele der Berichte, in denen Lebensmittel mit Krebs in Zusammenhang gebracht wurden, kein aussagekräftiges medizinisches Muster aufzeigen.
Keine gesicherte Erkenntnis
„Wenn wir einzelne Studien herausgriffen, in denen ein Zusammenhang mit Krebs gefunden worden war, war es oft schwierig, dieses Ergebnis in anderen Studien zu wiederholen“, sagt Schoenfeld. Ein Manko: „Man sollte schon sicher sein, dass es sich bei angeblich wissenschaftlichen Befunden wirklich um gesicherte Erkenntnisse handelt, bevor man daraus Schlüsse zieht.“
Robin McKie ist der Science- and Technology-Redakteur des Observer
Kommentare 14
Am gesündesten ist eine 1600g Haxe mit Sauerkraut. Und dazu
als idealer Begleiter 15 Kölsch.
Erstaunlich, dass Kartoffeln auf der Liste fehlen. Deren Gift (Solanin) an grünen Stellen und rund um die Triebe ist viel wirksamer als z.B. Formaldehyt.
Mit der Anzahl der künstlichen Aromen in unseren Lebensmitteln steigt auch die Anzahl der unterschiedlichsten Studien. Mensch kann sich das passende Exemplar zur Argumentation aussuchen oder in Auftrag geben. Ansonsten... würde ich lieber kochen wie bei Oma.
Die meisten genannten Zutaten gab es schon zu Omas Zeiten. Man lerne: zu Omas Zeiten müssen die meisten Menschen halbtot vor Krebs gestorben sein und heute - mit den ganzen Designerlebensmitteln - sind alle pumperlgsund..))
Gerade in den Bereichen Gesundheit und Ernährung zeigen Wissenschaftler oft nur eine Korrelation zwischen einem Verhalten (z.B. verbranntes Toast essen) und einer Krankheit (z.B. Krebs). Daraus wird dann in der Presse gerne ein kausaler Zusammenhang abgeleitet.
Die wissenschaftlichen Arbeiten an sich, sind nicht das Problem. Aber die Überintrpretation dieser Ergebnisse führt zu Problemen.
Warum gibt es mehr alte Säufer und Hüftbespeckte als alte Ärzte?!
über ernährung und genauso über ernährungsstudien lässt sich munter streiten, wenn der sachverhalt so dargestellt wird, als sei kein unterschied zwischen der herstellung der lebensmittel und ihrem wert gegegeben.
typisch für diese aufmacher aus den usa, die regelmäßig die runde machen in westlichen medien, ist die weigerung, konventionellen und bio-anbau zu trennen. vom angebrannten toast, das hier erwähnt wird, bis zu allen möglichen fehlern bei der verarbeitung der lebensmittel in der küche gar nicht zu reden. käse ist aber nicht gleich käse. quäl-ei ist nicht gleich bio-ei von frei laufenden hühnern.
der sinn solcher publikationen wie dieser hier über fette risiken und magere beweise ist es, die konsumenten zu fröhlichem fressen und trinken, sprich: konsumieren, ohne prüfung der produkte zu animieren. unkritische verbraucher braucht der markt.
frage: wer hat diesen artikel ausgesucht? vielleicht ein freund des boulevard?
In diesem Artikel geht es nicht um Bioprodukte sondern um die Frage wie Medien mit wissenschaftlichen Publikationen hantieren. Hier konkret im Bezug auf Lebensmittel und Krebsrisiko.
Wichtiger Artikel der klar macht das hier die Übersetzung vom Sprachraum Wissenschaft in den Sprachraum Alltag nicht so wirklich funktioniert..
Wichtiger Artikel der klar macht das hier die Übersetzung vom Sprachraum Wissenschaft in den Sprachraum Alltag nicht so wirklich funktioniert..
geschenkt. aber was ist wissenschaftlich an solchen studien, die dem markt dienen?
geschenkt. aber was ist wissenschaftlich an solchen studien, die dem markt dienen?
Was sie an meinem Kommentar für geschenkt halten ist mir nicht klar.
Und was meinen sie mit solchen Studien? In diesem Artikel wird sich auf Studien bezogen die grenzwertig signifikante Zusammenhänge zwischen Lebensmitteln und Krebsrisiko zeigen und nur manchmal reproduzierbar sind. Was ist dient denn daran dem Markt?
Fazit eines Pessimisten: nur noch klares Wasser aus Berflüssen trinken und Essen meiden.Mist ist nur, in meiner Nähe gibt es keinen Bergfluss.
Also werd ich munter weiter essen, aber möglichst Zusatzsoffe, Farbstoffe, Verstärker, Abschwächer und eben lauter solchen Mist meiden. Das unsere Lebensmittel aber grundsätzlich alle in irgendeiner Weise versucht sind ist mir schon klar. Trotzdem: Guten Appetit oder приятного аппетита!
Gleichzeitig müsste man die Gegenseite heranziehen. Alle Untersuchungen, die zeigen, dass Lebensmittel das Krebsrisiko minimieren würden. Der Kauf von Funktional-Food nimmt deutlich zu. Heute isst man nicht mehr, um satt zu werden, heute wird man durch Essen gesund, suggerieren die Lebensmitteldesigner. Mit der Angst um die Gesundheit werden große Geschäfte gemacht.
Weil die verschiedenen Grundgesamtheiten keinen empirischen Vergleich zulassen.
Weil die verschiedenen Grundgesamtheiten keinen empirischen Vergleich zulassen. Aus dem selben Grund ist ihre Frage genauso flasch wie ihre Schlussfolgerung. Sie haben die Kernaussage des Artikels also verstanden und dennoch unrichtig umgesetzt.
Sicherlich besteht ein Problem, wenn Massenmedien Studienergebnisse unreflektiert publizieren, und Konsumenten sich kaum an alle "Empfehlungen" halten können. Allerdings ist es auch gefährlich, nur, weil die Forschung widersprüchliche Ergebnisse ergeben kann, deren Erkenntnisse zu verkennen.
Als Beispiel möchte ich den Zusammenhang von Alkoholika und Magenkrebs anführen: Vielen Patienten, die an Magenkrebs erkranken, ist dieser Zusammenhang nicht klar gewesen, obwohl er schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Im Gespräch mit ihnen lässt sich aber oft ein teils unkritischer Alkoholkonsum heraushören. Man kennt nur wissenschaftlich noch nicht die ganz genaue Ursache in Bezug auf "das" verantwortliche Getränk.
Aus der reinen Studienlage lässt sich derzeit noch keine klare Empfehlung ableiten. Eine gute Studie aus Litauen kommt etwa zu dem Schluss, dass über 1/2 Liter Wein am Tag ein fast dreifach erhöhtes Risiko für Magenkrebs bedeutet, was in Bezug auf Bier und Vodka nicht festgestellt werden konnte (Everatt et al: Alcohol consumption and risk of gastric cancer: a cohort study of men in Kaunas, Lithuania, with up to 30 years follow-up in BMC Cancer. 2012 Oct 15;12:475, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23066954).
Eine spanische Studie sieht das Risiko für Magenkrebs eher durch Bierkonsum steigen (Duell et al: Alcohol consumption and gastric cancer risk in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) cohort in Am J Clin Nutr. 2011 Nov;94(5):1266-75, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21993435), wohingegen eine dänische Studie den Konsum von Wein als protektiven Faktor darstellt und kein Risiko im Konsum von Bier oder Hochprozentigem sieht (Barstad et al: Intake of wine, beer and spirits and risk of gastric cancer in Eur J Cancer Prev. 2005 Jun;14(3):239-43., http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15901992).
Vielleicht mag die Wirkung von Alkoholika auf Helicobacter pylori in diesen Studien zu kurz kommen. Sicherlich wird es einen Zusammenhang geben zwischen bestimmten Weinen, die die Produktion von Magensäure besonders anregen und zu einem niedrigen ph-Wert im Magen führen, was die Ansiedlung von Helicobacter begünstigt, und sekundären Pflanzenstoffen in bestimmten Weinen, die sich günstig auf entzündliche Veränderungen im Magen auswirken und so eine Krebsentstehung bremsen.
Sicherlich wird es aber eine falsche Sicherheit bedeuten, aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse unkritisch z.B. Wein zu konsumieren, weil eine von vielen Studien dies als protektiv bezeichnet. Irgendwo in der Mitte der Ergebnisse wird ein klares Risiko beschrieben, das wahrscheinlich nur noch eingehender erforscht werden müsste, um eine genauere Aussage treffen zu können.