Freie Fahrt für Topol-Raketen

START-Vertrag Das neue Atom-Abkommen zwischen den USA und Russland wird keinen Durchbruch beim Abbau der Kernwaffenbestände bringen. Es bedient mehr die Politik der kleinen Schritte

Der 1991 unterzeichnete und 1994 implementierte Start-I-Vertrag bereitete den Weg für die größte Abrüstung von Atomwaffen in der Geschichte und hat das russisch-amerikanische Verhältnis beinahe zwei Jahrzehnte lang bestimmt. Er führte zum Abbau der Atomsprengköpfe von jeweils rund 10.000 auf die angestrebten 6.000. Beide Seiten haben ihre Bestände seitdem noch weiter reduziert – zusammen verfügen sie aber immer noch über 95 Prozent der weltweit existierenden Arsenale.

Verschrottung unausweichlich

Die Unterhändler der Präsidenten Obama und Medwedjew verhandeln in Genf schon seit Monaten und haben die eigentliche Frist bereits verstreichen lassen, da der bisher gültige Vertrag am 5. Dezember auslief. Ein neues Abkommen verschafft dem US-Präsidenten zum Jahresende einen dringend benötigten außenpolitischen Erfolg und verbessert außerdem die russisch-amerikanischen Beziehungen.

Das US-Verteidigungsministerium gibt an, es verfüge über 2.200 Atomsprengköpfe und 1.188 Trägersysteme. Der russische Bestand wird auf deutlich weniger als 4.000 Sprengköpfe geschätzt. Der neue Vertrag würde ihre Anzahl auf einen Quote zwischen 1.500 und 1.675 sowie ein Quantum an Trägersysteme beschneiden, die eine Höchstgrenze von 700 bis 750 nicht überschreiten dürfen. Letzteres ist ein Kompromiss zwischen den von Obama vorgeschlagenen 1.100 und den von Medwedjew favorisierten 500.

Er benachteiligt Armee und politische Führung in Moskau trotzdem, da Russland die Zahl seiner Trägersysteme in den nächsten Jahren ohnehin auf 500 zurückfahren muss, denn ein Großteil der Bestände aus der Sowjet-Zeit ist nicht mehr zu gebrauchen. Zugeständnisse konnte Medwedjew hingegen bei den von seiner Generalität als aufdringlich empfundenen Überwachungs- und Kontrollsystemen erreichen, die zu einem Zeitpunkt in den START-Vertrag aufgenommen worden waren, als sich Russland nicht unbedingt in einer komfortablen Verhandlungsposition wiederfand.

B52 klar klassifiziert

Nach einer Unterzeichnung durch die Staatsoberhäupter muss ein neuer START-Vertrag ohnehin noch vom Senat und der Duma ratifiziert werden, was auf jeden Fall einige Monate in Anspruch nehmen könnte. In der russischen Tageszeitung Moskowski Komsomolez war zu Beginn der Woche zu lesen, der Vertrag sei „ausgeglichener“ als der alte. Die USA hätten bei einigen der „absurderen“ Einzelheiten des alten Abkommens einige Konzessionen gemacht. Berichten zufolge hat das Weiße Haus zugestimmt, seine Inspektoren nicht länger in der russischen Fabrik in Votkinsk stationieren zu wollen, in der die Interkontinentalrakete Topol hergestellt wird. Die letzte amerikanische Kontrollgruppe verließ die Fabrik am 5. Dezember, als der erste START-Vertrag definitiv auslief.

Desweiteren dürfen Russlands Topol-Raketen in Zukunft frei bewegt und müssen nicht wie früher in Bunkern gelagert werden. Die Russen hatten Erfolg mit ihrer Argumentation, man würde damit in Sachen Mobilität und Anzahl der Sprengköpfe mit dem Potential der amerikanischen Atom-U-Boote gleichziehen. Ebenfalls auf Betreiben der Russen werden amerikanische B52-Bomber, die sowohl nukleare als auch konventionelle Sprengköpfe transportieren können, in Zukunft ganz klar als Träger von Atomwaffen klassifiziert. Russland hat im Gegenzug einige Zugeständnisse bezüglich der Frage gemacht, was als Sprengkopf zu zählen ist und was nicht.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Ewen MacAskill/Luke Harding, The Guardian | The Guardian

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