Gaddafis oberster Vollstrecker

Libyen Abdullah Senussi, Schwager des Revolutionsführers, werden Rachefeldzüge des Regimes im umkämpften Benghazi und die Rekrutierung ausländischer Söldner zur Last gelegt

Wenn der um seine Macht kämpfende Muammar al-Gaddafi Ratschläge annimmt, dann kommen die nicht selten von seinem Schwager Abdullah Senussi, der als engster Vertrauter des Revolutionsführers gilt. Er steht in dem Ruf, äußerst rücksichtslos vorzugehen, und nimmt nach Gaddafi den zweiten Platz auf einer inzwischen von der Opposition verfassten Liste der meist gesuchten „Kriegsverbrecher“ ein.

„Senussi wird Gaddafi bis zu seinem Tod unterstützen“, meint der ehemalige libysche Dschihadist Noman Benotman, der ihn gut kennt. Er sei ein einfacher Mann von „brutaler Ehrlichkeit“. In der libyschen Führung herrsche Konsens über den „Gebrauch von Gewalt zur Niederschlagung des Aufstandes“.

General des Geheimdienstes

Abdullah Senussi werden die während der vergangenen Tage begangenen Morde und Strafaktionen in der im Osten des Landes gelegenen Stadt Benghazi und die Rekrutierung ausländischer, für das Regime kämpfender Söldner zur Last gelegt. Außerdem gilt er in Libyen als verantwortlich für das berüchtigte Massaker an über tausend Insassen des Abu Salim-Gefängnisses im Jahr 1996.

Während Senussi für die innere Sicherheit Libyens Sorge trug, haben das viele Gegner des Regimes nicht überlebt. Er soll es als Ehemann einer der Gaddafi-Schwestern zum General im militärischen Geheimdienst gebracht haben. Ob Senussi im Augenblick eine offizielle Position innehat, ist hingegen ungewiss. Eindeutig zählt er zum engsten Kreis der Vertrauten um Gaddafi, den so genannten „Ahl al-Khaimah“. „Er ist im ganzen Land bekannt und gefürchtet“, berichtet ein im Exil lebender Libyer. „Er gilt als äußerst skrupellos und ehrgeizig. Wo immer Oberst Gaddafi hingeht, ist auch Senussi zugegen. Gaddafi vertraut ihm auf Leben und Tod.“

Stamm der Megarha

Das in den zurückliegenden Jahren wenig von Senussi zu hören war, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es riskant war, das Land zu verlassen, seit er 1999 von einem französischen Gericht wegen seiner Beteiligung am Bombenanschlag auf ein UTA-Passagierflugzeug über dem Niger in Abwesenheit verurteilt wurde. Bei diesem Attentat kamen 170 Menschen ums Leben.

In jener Zeit leitete Senussi die libysche Organisation für äußere Sicherheit. Mit der Autorität dieser Funktion im Rücken hat er Abdel-Basset al-Megrahi angeworben, der wegen dem Bombenanschlag über dem schottischen Lockerbie 1999 verurteilt wurde. Wie Megrahi ist Senussi Mitglied des mächtigen und offenbar weiterhin loyalen Stammes der Megarha, der in der Region Sebha am Rande der Sahara ansässig ist. Außerdem ist er ein Cousin Abdel-Sallam Jallouds, einem der ältesten Wegbegleiter Gaddafis.

Von Wikileaks veröffentlichte US-Botschaftsdepeschen gehen soweit, Senussi als einen derart engen Vertrauten des libyschen Führers zu beschreiben, dem sogar anstehende medizinische Entscheidungen zufallen. Laut einer nordafrikanischen Quelle sei er Gaddafis Vollstrecker, vor allem aber dessen „Auge und Ohr“.
Angeblich steckt Senussi auch hinter einer angeblichen Verschwörung des libyschen Geheimdienstes zur Ermordung des saudischen Kronprinzen Abdullah im Jahr 2003.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Ian Black | The Guardian

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