Carla Bruni, Frankreichs First Lady, millionenschweres Ex-Supermodel und Chansonsängerin, fand es zuletzt ziemlich langweilig, schwanger zu sein: „Ich halte es einfach nicht mehr länger aus. Ich verbringe die meiste Zeit entweder sitzend oder liegend. Ich kann nicht mehr trinken oder rauchen. Ich will es schnell hinter mir haben“, erklärte sie Anfang Oktober. Die Öffentlichkeit, meint sie, sei davon ebenfalls gelangweilt: „Die Franzosen interessiert das nicht“, sagte die 43-Jährige paradoxerweise in einem der zahllosen Interviews, in denen sie kurz vor der Niederkunft über ihren Bauch sprach.
Tatsächlich ist Frankreich der Babygeschichten und der vielen Fehlalarme über die angebliche Geburt, die täglich im Internet kursierten, überdrüssig. Weil es sie in den letzten Zügen ihrer Schwangerschaft stärker in die Medien drängte als je zuvor und sie gleichzeitig behauptete, bezüglich des Babys Diskretion wahren zu wollen, ist Bruni zur Zielscheibe von Spott und Satire geworden. Immer wieder gab es sorgsam inszenierte öffentliche Auftritte: In einem Designerkleid bei einer Begegnung mit der Öffentlichkeit im Garten des Elysée-Palastes, bei der Vergabe von Stipendien ihrer Wohltätigkeitsorganisation oder im ausgeleierten Pulli, wenn sie mit ihrem Gatten, dem Präsidenten Nicolas Sarkozy, mal schnell eine Pizza holte.
Kind für Polit-Seifenoper?
Dann wieder erzählte sie Journalisten, sie lese mit hochgelegten Füßen französische Dramatiker des 17. Jahrhunderts oder dass sie sich „glücklich, aber fett“ fühle. Sogar als sie im hochschwangeren Zustand öffentlich gestand, dass Sarkozys unglaubliche Kenntnis der lateinischen Namen der Pflanzen im Garten des Elysée sie veranlasst habe, ihn zu heiraten, wirkte das wie ein Teil eines Planes, den fahrigen und launischen Sarkozy vor der wohl härtesten Wahlschlacht seines Lebens als „Familien- und Garten-Menschen“ zu präsentieren. Sich selbst stellte Bruni als die Frau dar, die den unglücklich geschiedenen Sarkozy wieder glücklich gemacht hat.
Die Bruni-Sarkozys geloben, sie hätten aus der Zurschaustellung ihres Privatlebens gelernt. Vor drei Jahren zeigten sich die französischen Wähler befremdet von dem ungestümen Werben ihres Präsidenten und der schnellen Hochzeit des Paares, nur drei Monate, nachdem es sich kennengelernt hatte. Sarkozys Popularität sank. Aber werden die beiden wirklich der Versuchung widerstehen können, das erste Kind eines französischen Präsidenten, das während dessen Amtszeit geboren wird, für ihre Polit-Seifenoper zu nutzen?
Der 56-jährige Sarkozy hat aus zwei früheren Ehen bereits zwei erwachsene Söhne und einen im Teenager-Alter. Er ist bereits Großvater und er weiß, wie wichtig es in der Politik ist, jung und viril auszusehen: Ein Baby im Vorfeld des schwierigen Kampfes um seine Wiederwahl im kommenden Jahr könnte seinem Image durchaus dienlich sein. Meinungsforscher spekulieren, dass es ihm fünf Prozentpunkte einbringen könnte. Das ist von immenser Bedeutung, schließlich zählen seine Zustimmungsraten gegenwärtig zu den schlechtesten, die je ein amtierender Präsident hatte. Sarkozys Rolle in der Libyen-Intervention konnte daran nichts ändern. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen einer Reihe von Korruptionsvorwürfen, die seinen engsten Mitarbeiterkreis beschädigt haben. Und selbst in der eigenen Partei gibt es Spekulationen darüber, ob er noch der beste Mann für die Präsidentschaftskandidatur ist.
Im Moment ist er wieder Vater. Und sein Vatersein soll jetzt Privatsache werden. „Ich werde alles tun, um mein Kind zu beschützen“, sagte Bruni vor einer Weile. „Ich werde nie Bilder dieses Kindes zeigen und es nie der Öffentlichkeit preisgeben. Ob man ins Rampenlicht treten will, das sollte man als Erwachsener selbst entscheiden.“
Dennoch gibt es Spekulationen darüber, ob das Paar Journalisten nicht doch die Möglichkeit geben wird, von Weitem einige Bilder zu schießen, wie nach der Heirat – vielleicht im Park von Versailles. Es ist ein riskantes Spiel, die rechten Stammwähler zu locken, ohne sie zu befremden.
Eine Liebe in Disneyland
Die Geburt des neuen Kronprinzen ist schon jetzt Teil eines spannenden neuen Kapitels in der Saga um die Elternschaft Sarkozys und der Haltung des Paares zu ihren Kindern. Sarkozy, der die Öffentlichkeit früher stolz an seinem Privatleben teilhaben ließ, hat sich schon oft mit seinen Kindern gekonnt in Szene gesetzt.
Sein erster öffentlicher Auftritt mit Bruni fand in Disneyland statt, wo sie sich eine Micky-Mouse-Parade ansahen. Dann verbrachten sie mit dem zehnjährigen Aurélien, der aus einer früheren Beziehung Brunis stammt, romantische Wochenend-Trips in Ägypten und Jordanien. Und dies alles entgegen der französischen Tradition, die Privatsphäre prominenter Kinder streng zu schützen.
Das Bild, das die Öffentlichkeit am meisten schockierte, zeigt Aurélien auf den Schultern seines Stiefvaters. Der Junge hält sich die Hände vor die Augen, als sei er von der Pressemeute traumatisiert. Auréliens Vater, der französische Philosoph Raphaël Enthoven, protestierte, und Bruni erklärte, sie habe die Aufnahmen nicht gewollt. Sie habe Aurélien selbst gesagt, er solle sich die Augen zuhalten.
Dann sind da noch die Geschichten, die um Sarkozys Rolle als Vater kreisen. Der Präsident hat eine vollständige politische Karriere darauf aufgebaut, die Spuren zu beklagen, die die Scheidung seiner Eltern und der frühe Weggang seines Vaters – eines exzentrischen, notorisch untreuen ungarischen Aristokraten und Werbegurus – bei ihm hinterlassen haben. „Das Einzige, was mir immer gefehlt hat, war ein Vater“, gestand Sarkozy einmal in einer Fernsehsendung.
Aber Familiengeschichte wiederholt sich offenbar. In ihrem jüngsten Buch Ce que Nicolas Sarkozy n’aurait jamais dû nous dire (Was Nicolas Sarkozy uns nie hätte sagen sollen) erinnern sich die Journalisten Nicolas Domenach und Maurice Szafran daran, wie er einmal im Flugzeug neben seiner zweiten Ehefrau Cécilia sitzend erklärte: „Weil mein Vater sich nie um uns gekümmert hat, versuche ich, unseren Kindern alles zu geben, was wir nicht bekommen haben, ich versuche für sie da zu sein und etwas mit ihnen zu unternehmen.“
Cécilia zeigte sich höchst irritiert und erwiderte nur: „kein Kommentar“. Später äußerte sie einem anderen Journalisten gegenüber, Sarkozy sei ein Mann, der niemanden liebe, „nicht einmal seine Kinder“. Bei der Feier anlässlich seiner Amtseinführung präsentierte Sarkozy seine Modell-Patchworkfamilie: zweite Ehefrau, Stiefkinder, Halbgeschwister. Doch das war nur Show für die Kameras. Die Familie fiel bereits auseinander und kaschierte das nur für die Zeit des Wahlkampfes. Schon bald sollte Sarkozy sich scheiden lassen.
Sarkozys älteste Söhne Pierre, 26, und Jean, 25, die aus seiner ersten Ehe mit der Korsin Marie-Dominique Culioli stammen, hatten da bereits ihre eigenen öffentlich ausgetragenen Kontroversen mit ihrem Vater. Als Innenminister galt Sarkozy als Hardliner, machte abfällige Bemerkungen über Rap-Musik und brachte einige Acts wegen ihrer Texte vor Gericht. Pierre ist Rap-Produzent unter dem Künstlernamen Mosey und wünschte nach Aussagen von Rapper-Freunden, „er wäre als Schwarzer zur Welt gekommen“.
Kennedy-Manier im Elysée
Zum Album Mec de Tess des Rappers Poison, der den Alltag der Banlieue-Jugend thematisiert, hat Pierre Sarkozy den Song „La Rue“ beigesteuert.
Jean Sarkozy ist seinem Vater in die Politik gefolgt und wurde 2008, so wie der Papa einst, Vertreter für die UMP im Generalrat von Neuilly-sur-Seine-Sud – einem der reichsten Vororte Frankreichs. Erst nach heftiger öffentlicher Kritik und Vorwürfen der Vetternwirtschaft verzichtete er im Oktober 2009 auf seine geplante Ernennung zum Chef der Entwicklungsgesellschaft EPAD, eines der größten europäischen Geschäftszentren. Die Vermutung liegt nahe, dass er damit bewusst oder unbewusst versuchen wollte, seinen Vater zu beeindrucken, der seine Mutter verlassen hatte, als Jean noch klein war.
Mit Cécilia hat Sarkozy einen Sohn – den heute 14-jährigen Louis, der die öffentliche Trennung seiner Eltern, deren Wiederversöhnung und Scheidung hautnah miterleben musste. An ihm zeigte sich am deutlichsten, wie gerne „Sarko“ mit seinen Kindern vor der Kamera posiert. Er hat sich immer als JFK-Figur gesehen: Der fotogene Nachwuchs spielt zu seinen Füßen, während er die Krisen dieser Welt löst. „Wenn Sie Jackie Kennedy mochten, werden Sie Cécilia Sarkozy anbeten“, sagte er nach der Wahl zum Präsidenten. Oder: „Ich liebe es, bei der Arbeit meine Kinder um mich zu haben.“
Viele waren irritiert, als Sarkozy 2009 eine Rede vor der UN-Vollversammlung in New York dazu nutzte, Louis zu besuchen, der mit seiner Mutter und deren neuem Ehemann Richard Attias in Manhattan lebt. Auf Fotos sieht man Louis im Auditorium der UN sitzen und der Rede seines Vaters lauschen, der ihn anschließend zum Treffen mit einer überraschten Angela Merkel mitnahm. Diese bemühte sich zwar darum, dass der Junge sich wohlfühlte, wirkte auf den Bildern dann aber so, als sei ihr nicht recht wohl in ihrer Haut.
Nach seiner Scheidung lud „Sarko“ die Fotografin Bettina Rheims in den Elysée ein, um sich für die Zeitschrift Paris Match als liebevollen, alleinstehenden Vater zu präsentieren – der bald wieder heiraten sollte.
Die Bilder zeigen den Präsidenten in Laufkleidung, wie er zur Tür eines Konferenzzimmers hereinschaut, um die Lego-Konstruktionen von Louis zu überprüfen. Ein anderes Motiv zeigt Vater und Sohn, wie sie gemeinsam auf dem Bett in Louis’ Schlafzimmer sitzen, während im Hintergrund ein Mitarbeiter des Elyséepalastes anscheinend schwer damit beschäftigt ist, die Lego-Konstruktionen zu reparieren. Sarkozy liebte es, seinen Sohn mit berühmten Leuten bekannt zu machen – von Fußballer Thierry Henry bis Barack Obama.
Eine WikiLeaks-Depesche offenbarte eine Familienszene in Kennedy-Manier: Als der Botschafter der USA beim damaligen französischen Innenminister Sarkozy zu Gast war, rief dieser den neunjährigen Louis herein, er solle dem Diplomaten die Hand geben. Der erschien mit einem kleinen Hund zu seinen Füßen und einem großen Hasen im Arm. „Dies führte zu dem unvergesslichen Anblick, wie Sarkozy vornübergebeugt durch das Vorzimmer seines Büros dem Hund nachjagte, der wiederum hinter dem Hasen her war, während der gesamte Raum von Louis’ schadenfrohem Gelächter erfüllt war“, berichtete die Botschaft nach Washington. Louis soll seit Kurzem auf das Internat einer Militärakademie in den USA gehen.
Die Erwartung des neuen Kindes beförderte nun Sarkozys Vater wieder in den Mittelpunkt. Der 82-jährige Pal Sarkozy hatte dem deutschen Boulevardblatt Bild von Brunis Schwangerschaft erzählt. Pal, der einmal gesagt hat, sein Sohn rede zu viel über sich selbst und neige zu Wutanfällen, verriet den angesetzten Geburtstermin des Kindes, der sich aber nicht bestätigte. Nicolas Sarkozy schweigt über das Baby.
Als er sich jüngst mit Journalisten auf einem Flug in die USA befand, lachte er über die Gerüchte. „Neulich hat mich jemand gefragt, ob es wirklich ein Junge sei, der Leopold heißen solle. Aber warum Leopold? Zu Ehren des belgischen Königs? Carla und ich wollen nicht wissen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird und uns auch noch keinen Namen überlegen. Es wird unser letztes Kind sein: Wir wollen eine Überraschung.“
Angelique Chrisafaris arbeitet für den Guardian als Korrespondentin in Paris
Politik und PR: Die Kinder der Staatschefs
Frankreich
Bis Nicolas Sarkozy Hof hielt, galt die Privatsphäre der höchsten Kinder als heilig vor allem die der unehelichen. Francois Mitterand hat einen Teil seiner Amtszeit bei seiner Zweitfamilie und Mazarine Pingeot, seiner heimlichen Tochter, verbracht. Erst 1984 hat er sie offiziell anerkannt.
England
Premierminister Tony Blair fing im Mai 2000 in Number 10 Downing Street noch einmal an, Windeln zu wechseln. Seine Frau brachte das vierte Kind Leo während der Amtszeit ihres Mannes auf die Welt, so wie jetzt Carla Bruni. Der Independent nannte es die politischste Geburt seit Christus, denn Cherie Blair kämpfte zu der Zeit als Anwältin für mehr Erziehungsgeld.
Deutschland
2004 wurde spekuliert, der damalige Kanzler Gerhard Schröder wolle mit seinem Familienzuwachs er hat mit Doris Schröder-Köpf ein russisches Mädchen adoptiert nur Stimmen gewinnen. Als sie 2006 noch einen Jungen aus St. Petersburg zu sich nahmen, galten sie als gelungene Patchwork-Familie.
USA
Mit den Obamas wurden Kinder offensiver Teil des Wahlkampfes. Vote for Daddy, rief Sasha Obama. Tochter Malia sagte in einer TV-Sendung 2008, sie finde ihren Vater peinlich, weil er ihrer Freundin förmlich die Hand schüttelte, anstatt einfach nur Hi zu sagen. ML
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