Als Präsident Barack Obama im vergangenen Monat seine Pläne zur Ausweitung der Offshore-Bohrungen vorstellte, forderte er dazu auf, dabei auch den Schutz von Menschen und Küstenregion zu gewährleisten. Wie man nun aber, nach der Explosion der Bohrstation Deepwater Horizon vor der Küste Louisianas in der vergangenen Woche sehen kann, sind Öl- und Gasbohrungen immer noch weit entfernt davon, für die Arbeiter auf den Bohrinseln und die Umwelt sicher zu sein.
Die Explosion forderte das Leben von elf Menschen. Das ramponierte Förderrohr der gesunkenen Plattform stößt seither 1.000 Barrel, also rund 159.000 Liter Rohöl täglich in den Golf von Mexiko [Neuere Schätzungen gehen sogar vom fünf- bis sechsfachen dieser Menge aus, Anm der Freitag]. Die Katastrophe ereignet sich nur wenige Tage, nachdem Obama mit Plänen an die Öffentlichkeit getreten war, weite Gebiete der amerikanischen Küste für Offshore-Bohrungen freizugeben – eine Konzession an die Ölindustrie, die in der Hoffnung gemacht wurde, so die weitreichenderen Klimaschutz- und Energiespar-Pläne der Regierung leichter durchsetzen zu können. Doch obwohl die Regierung behauptet, die Bohrungen könnten auf eine verantwortliche Weise durchgeführt werden, sollte uns spätestens durch diese Explosion klargeworden sein, dass unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen alles andere als sicher und umweltfreundlich ist.
Schwerste Katastrophe seit Jahrzehnten
Der riesige Ölteppich bedeckt bereits eine Fläche von 4,660 Quadratkilometern und bewegt sich mit großer Geschwindigkeit auf die Küsten zu. Man geht davon aus, dass er am Sonnabend das Festland erreichen und vor allem in den Marschgebieten schlimme Umweltschäden anrichten wird, von denen vor unter anderem die Wildtierreservate Delta National Wildlife Refuge und Breton National Wildlife Refuge betroffen sein werden. Die Situation ist so aussichtslos, dass die Küstenwache darüber nachdenkt, den Teppich in Brand zu setzen bevor er die empfindlichen Ökosysteme der Feuchtgebiete erreicht. Wenn nichts getan werde, um das Öl zu stoppen, „könnte dies eine der gefährlichsten Ölverschmutzungen in der Geschichte der USA werden“, sagte ein Vertreter der Küstenwache am Dienstag.
Während die Explosion die schwerste Katastrophe auf einer Bohrinsel seit Jahrzehnten darstellt, sind Ölunfälle trotz der beharrlichen Behauptungen von Industrie und Unterstützern, die Bohrungen könnten auf „saubere und umweltfreundliche Art und Weise“ durchgeführt werden, bei weitem keine Seltenheit: Wie BP in seinem Sicherheitsbericht berichtet , kamen 2005 bei einer Explosion in der Raffinerie des Unternehmens in Texas City 15 Arbeiter ums Leben und 170 wurden verletzt. Daraufhin verurteilte die amerikanische Behörde für Arbeitsschutz (Occupational Safety and Health Adminstration) BP im vergangenen Jahr zu einer Rekord-Geldstrafe in Höhe von 87 Millionen US-Dollar wegen Verstößen gegen die Sicherheitsbestimmungen.
Auch Ölteppiche kommen häufiger vor. Das US-Energieministerium schätzt, dass jedes Jahr mehr als 30.000 Barrel (1,3 Millionen Gallons) Rohöl in unsere Gewässer strömen – eine Ziffer, die sich durch einen großen Unfall aber leicht verdoppeln kann. Der gegenwärtige Teppich schaffte dies bereits innerhalb einer Woche. Es ist nicht gesagt, dass die Unfälle der Vergangenheit nicht zu verhindern gewesen wären und man keine Maßnahmen hätte ergreifen können, um die möglichen Auswirkungen einzuschränken. Die untergegangene Bohrstation Deepwater Horizon gehört zu Transocean Ltd und wird von BP betrieben. Marcus Baram berichtet in der Huffington Post, die Unternehmen hätten sich „auf aggressive Weise den im vergangenen Jahr von der Bundesbehörde vorgeschlagenen neuen Sicherheitsbestimmungen widersetzt, mit denen der in einer Studie erfassten hohen Zahl von Unfällen begegnet werden sollte“. Währenddessen hat BP allein im ersten Quartal dieses Jahres Gewinne von 5,65 Milliarden Dollar verbucht, was einer Steigerung von 135 Prozent im Vergleich zum vorhergehenden Quartal entspricht. Wie viel dieser zusätzlichen Einnahmen mag das Unternehmen wohl in Sicherheitsmaßnahmen gesteckt haben?
Der neue Ölteppich erregt im Kongress nun Besorgnis darüber, was eine Ausweitung der Bohrtätigkeit für die Küstenregionen bedeuten könnte. Drei Senatsmitglieder, die diese Erweiterung ablehnen – Bill Nelson aus Florida sowie Frank Lautenberg und Robert Menendez aus New Jersey – haben in dieser Woche einen Untersuchungsausschuss zur Deepwater Horizon-Explosion gefordert. Sie nannten das Ereignis eine „ernüchternde Erinnerung an die wahren Risiken der Ölbohrung“, die „ernsthafte Bedenken über die Behauptungen der Industrie aufkommen lässt, ihre Unternehmungen und Technologien seien sicher genug, um Bohrtürme in ökologisch empfindsamen oder für die Tourismus- oder Fischerei-Industrie bedeutsamen Regionen errichten zu können.“
Diese Bedenken tragen, zumindest in den Küstenstaaten, Vertreter beider Parteien. Floridas republikanischer Gouverneur und voraussichtliche Kandidat für den Senat, Charlie Crist, kritisierte den Vorfall auch als Beleg dafür, dass man die Ausweitung der Bohrtätigkeit auf dem Kontinentalsockel nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. „Wenn dieser Vorfall einem nicht zu Denken gibt, dann stimmt etwas nicht“, sagte Crist.
Die Ministerin für Heimatschutz, Janet Napolitano, und Innenminister Ken Salazar kündigten am Dienstag eine umfassende Untersuchung der Explosion an, gleiches tat der Energie- und Handelsausschuss des Abgeordnetenhauses. Aber wie schon die Forderungen nach verstärkten Sicherheitsmaßnahmen in Kohlegruben nach der tödlichen Explosion zu Beginn des Monats, ist das zu wenig und kommt zu spät. Es ist nicht nur von entscheidender Bedeutung, bei den Einrichtungen, auf die unser gegenwärtiges Energiesystem sich stützt, Sicherheitsvorkehrungen durchzusetzen, das Land braucht auch eine Politik, die den Übergang zu einer wahrhaft sauberen und sicheren Energieversorgung einleitet. Eine groß angelegte Ausweitung der Offshore-Bohrungen gehört mit Sicherheit nicht dazu.
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