Als im November 1950 nordkoreanische Truppen die US-Armee zurückschlugen, hielt US-Präsident Harry Truman eine berüchtigte Pressekonferenz, während der er androhte, einen Atomkrieg auszurufen. Nach einer nichtssagenden Erklärung zu Beginn der Pressekonferenz und einigen Minuten Geplänkel über diplomatische Themen fragte ein Journalist, ob die USA davor stünden, ihre Atomwaffen einzusetzen. Truman sagte nicht nur, dass ein Angriff aktiv in Betracht gezogen werde. Er sagte auch, dass „ein militärischer Führer vor Ort“ darüber entscheiden solle, ob militärische oder zivile Ziele gewählt würden. Und er schloss nicht aus, dass Ziele in China angegriffen werden könnten.
Das Unheil nahm seinen Lauf. Die Unterst&
e Unterstützung für den Einsatz in Korea schwand dahin, sowohl unter den US-Verbündeten als in den Vereinten Nationen und der Wählerschaft. Das Ereignis wurde zu einem Lehrbuch-Beispiel dafür, wie nukleare Diplomatie nicht aussehen sollte – die aber bis August 2017 verfolgt wurde, als Präsident Donald Trump seine „Feuer und Zorn“-Drohungen gegen Pjöngjang ausstieß.Jetzt - nach Kim Jong-uns sechstem Nuklearwaffentest - sieht es zunehmend so aus, als sei Trump entschlossen, ein neues Debakel heraufzubeschwören. Er hat Südkoreas Beschwichtigungspolitik attackiert und gedroht, den Freihandelsvertrag zwischen Südkorea und den USA nicht fortzusetzen. Er hat China Sanktionen angedroht und davor gewarnt, dass er Atomwaffen einsetzen könnte. Die internationale Zusammenarbeit in der Nordkorea-Krise schwindet dahin, während ich schreibe.Für einen Teil der Rechten in den USA war ein Atomkrieg immer eine denkbare Option. Die Tradition geht auf den Hiroshima-Augenzeugenbericht des Diplomaten Paul Nitze aus dem Jahr 1945 zurück. Nitze war davon beeindruckt, dass Menschen relativ nah an der Explosion überlebten, dass die Züge innerhalb von 48 Stunden wieder fuhren und die Zahl der Toten und Verletzten ähnlich groß war wie bei den Bombardierungen von Berlin und Dresden durch die Alliierten.Zwar wurde Nitze am Ende seines Lebens zum Vertreter einseitiger Abrüstung, aber den Großteil seiner Karriere verbrachte er damit, die Vorstellung von der Denkbarkeit und Gewinnbarkeit eines Atomkriegs in die Atomwaffenstrategie der USA einzubringen. Nur wenn man sich vorstellen kann, einen Atomkrieg zu kämpfen, zu überleben und zu gewinnen, glaubte Nitze, könne man ihn durch Abschreckung verhindern.Genau das ist es, was Trump und eine Gruppe kürzlich ihrer Position enthobener Strategen auch glauben. Atombomben haben Trump schon immer stark fasziniert. 1984 brüstete er sich gegenüber einem Reporter, dass er ganz ohne die Hilfe anderer Russland dazu zwingen könne, einen atomaren Waffenstillstand zu schließen: „Es würde eineinhalb Stunden dauern, alles zu lernen, was man über Raketen lernen kann [...] ich glaube, das meiste weiß ich sowieso schon.“ Im Jahr 1990 erklärte er gegenüber dem Playboy: „Ich habe immer über das Thema Atomkrieg nachgedacht; es ist ein sehr wichtiges Thema in meiner Gedankenwelt.“ Weiterhin bezeichnete er die Annahmen hinter der langen US-Tradition, Atombomben nicht zu einzusetzen, als „Bullshit“.Aber ein Punkt war den stärksten Nuklearwaffen-Vertretern in den USA von der Truman-Ära bis zu George Bush gemeinsam – sie alle setzten keine Atomwaffen ein. Nitze etwa versuchte wiederholt und couragiert, strategische Abkommen zur Reduzierung von Nuklearwaffen zu erarbeiten, auch während die USA gleichzeitig militärischen und ökonomischen Druck auf Russland ausübte.Selbst den aggressivsten Hardlinern war klar, dass sie in Vertretung für ein internationales System Verantwortung trugen. Als dieses System nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 nur noch ein Machtzentrum hatte, löschte die trügerische Vorstellung absoluter globaler Macht den Durst der US-Rechten nach nuklearer Vernichtung. Absolute Macht, das waren Infanterie-Soldaten, die die Türen von Dorfbewohnern eintreten; Paraden mit Abschussraketen war etwas für Schwächlinge.Aber jetzt sind die USA der Schwächling. Trumps Entscheidung, seinem Ärger auf Seoul mit einem kindischem Wutausbruch Luft zu machen, ist das beste Beispiel dafür.Südkoreas Präsident Moon Jae-in kam im Mai an die Macht, nachdem Millionen Demonstranten die Amtsenthebung seiner konservativen Vorgängerin Park Geun-hye erzwungen hatten. Moon Jae-in hat versprochen, nationale Sicherheitsgesetze aufzuheben, die zur Unterdrückung der Linken eingesetzt wurden. Er trat für eine Versöhnungspolitik gegenüber Nordkorea ein, forderte wiederholt, dass Seoul eine von Washington unabhängigere Außenpolitik verfolgen solle und stellte sich – zumindest anfangs – gegen die Stationierung von US-Abwehrraketen in seinem Land.Wer Nordkorea nutzen will, um einen Stellvertreter-Krieg mit China zu führen – was der frühere Trump-Stratege Steve Bannon offen zugegeben hat -, sollte möglichst sicherstellen, dass der Verbündete in diesem Konflikt von einem Hardliner angeführt wird. Aber das konnten die USA nicht. Erstens, weil Südkoreas wackelige Demokratie besser funktioniert als die der USA und es erlaubte, Park für mutmaßliche Verbrechen des Amtes zu entheben, die viel weniger schwerwiegend sind als das, was Trump vorgeworfen wird. Zweitens, weil den Menschen in Südkorea klar ist, dass China die künftige Hegemonialmacht im Pazifikraum sein wird. Die einpolige Welt wird durch ein chaotisches System ersetzt, in dem China und Russland schwache lokale Polaritäten schaffen. Sich vorzustellen, wessen polare Anziehungskraft die eigene Region bestimmen wird, ist nicht schwer, wenn man auf der koreanischen Halbinsel lebt. Diese globalen Fakten lenken die Hände, die Trump zurückhalten.