Globaler Wohltäter

China Peking hat Corona im Griff und schickt medizinische Hilfe ins Ausland
Ausgabe 13/2020

Vor Tagen hat die Volksrepublik der kambodschanischen Gesundheitsbehörde Corona-Test-Kits geschenkt. Luftfrachten mit Ventilatoren, Masken und medizinischem Equipment gehen nach Italien und Frankreich, Ärzte werden ebenfalls dorthin in Marsch gesetzt. Es gibt das Versprechen, auf die gleiche Weise den Philippinen, Spanien und weiteren EU-Ländern zu helfen. Mediziner werden gleichfalls in den von der Corona-Pandemie besonders schwer betroffenen Iran entsandt, wo Experten wegen des Embargos und eines vernachlässigten Gesundheitswesens Millionen von Toten befürchten. Auch für den Irak sind Hilfsaktionen vorgesehen.

Chinas Präsident Xi Jinping bietet überdies den Trost der Worte an. So versichert er dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, nach dem Sturm „komme auch wieder Sonnenschein“, und fügt hinzu, beide Staaten sollten nach dem Corona-Ausbruch zu mehr Kooperation und Austausch finden.

Seidenstraße der Gesundheit

Während viele Länder mit der weiteren Ausbreitung von Corona-Infektionen zu kämpfen haben, kann sich Peking als Ratgeber und Wohltäter für den öffentlichen Gesundheitssektor extrem belasteter Gesellschaften in Europa empfehlen. Man baut auf bereits erprobte Soft Power, die es in Zeiten braucht, da sich eine verschärfte Rivalität zwischen den USA und China ausbreitet, aber auch ungehaltene Fragen zum globalen Einfluss Pekings nicht ausbleiben.

Bekanntlich trat das Coronavirus Anfang Dezember zunächst in der zentralchinesischen Metropole Wuhan auf und sorgte dafür, dass China umgehend in den Modus eines nationalen Ausnahmezustandes überging. Mehr als 80.000 Menschen wurden bisher infiziert, mehr als 3.000 starben. Wie Kritiker behaupten, ließ die Regierung anfangs Informationen zurückhalten und reagierte zu langsam, was dazu geführt habe, dass sich die Infektion ausbreiten konnte. Träfe das zu, wäre das Vertrauen in die chinesische Führung ernsthaft bedroht. Wie ernsthaft und welche Konsequenzen das zeitigt, dürfte erst nach Ende der Pandemie zu erkennen sein, wenn überhaupt.

Seit durch strikte Quarantänemaßnahmen und die durchgesetzte soziale Distanz im Alltag die Zahl der Neuinfektionen drastisch zurückgeht, haben sich die von China ausgesandten Botschaften verändert. Einerseits wird kolportiert, das Virus sei fast besiegt, zum anderen bejubeln die Staatsmedien den nunmehr möglichen Beistand für andere Länder, die vom Corona-Ausbruch betroffen sind.

„Wir hören jetzt aus dem Mund offizieller Vertreter des chinesischen Staates, ihr Land habe für die Welt Zeit gewonnen, sich dieser Pandemie zu stellen“, meint Natasha Kassam, Wissenschaftlerin vom Lowry Institute in Sydney. „Wir wissen, dass kein propagandistischer Aufwand gescheut wird, eine Geschichte umzuschreiben, was jetzt besonders mit dem Blick auf Wirkungen im Ausland geschieht. Die Geschichte von Chinas Sieg über Covid-19 ist schon geschrieben. Jetzt wird versucht, mit allen Mitteln zu erreichen, dass diese Botschaft außerhalb Chinas auch ankommt.“

Laut Experten seien die humanitären Anstrengungen zwar real, würden aber zugleich politischen Ambitionen Vorschub leisten. In einem Telefongespräch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte gab Präsident Xi jüngst zu verstehen, es sei höchste Zeit, eine „Seidenstraße der Gesundheit“ zu errichten, die Teil von Chinas „Neuer Seidenstraße“ sein müsse. Dieses Megaprojekt allerdings sehen viele Länder mit gemischten Gefühlen, werden doch mit jener Trasse des Handels und der Investitionen Breschen in die Welt der eigenen Interessen geschlagen.

„Es ist nichts dagegen zu sagen, dass China europäischen und anderen Ländern beisteht, besonders jetzt, da es die Oberhand über das Virus gewonnen haben könnte. Doch ebenso wenig lässt sich bestreiten, dass Peking Hilfe als Werbung in eigener Sache betreibt und versteht“, glaubt Noah Barkin, Gaststipendiat der unabhängigen US-Stiftung German Marshall Fund. Indem man Ländern wie Italien und Spanien Unterstützung anbiete, werde offensichtlich, dass es unter den EU-Staaten Probleme, Barrieren oder Vorbehalte gebe, sich gegenseitig zu helfen. Auch der Kontrast zum Verhalten der USA sei schwerlich zu übersehen. „Während Donald Trump die EU mit einem Einreisestopp belegt, ist China der großzügige, selbstlose Freund“, sagt Barkin.

Die Bemühungen scheinen sich auszuzahlen. Italiens Außenminister Luigi Di Maio postet ein Video auf Facebook, das ihn dabei zeigt, wie er Livebilder von der Landung eines Flugzeugs verfolgt, mit dem Mediziner aus China eintreffen. Di Maios Kommentar: China sei das erste Land, das sich derart exponiere. Und der serbische Präsident Aleksandar Vučić teilt auf einer Pressekonferenz in Belgrad mit, er glaube an seinen „Bruder und Freund Xi Jinping. Der einzige Staat, der uns helfen kann, das ist China“.

Geplatzte Wasserleitung

Dessen Bemühungen zielen nicht nur auf die internationale Gemeinschaft, auch das heimische Publikum wird nicht vernachlässigt, wenn in den Medien die Ankunft chinesischer Mediziner in Norditalien als „Antwort auf die Hilfeschreie eines europäischen Landes“ beschrieben wird. „Die Botschaft an die Bürger lautet, dass China jetzt mehr denn je in der Lage ist, anderen zu helfen. Das dient dazu, die Feel-good-Narrative der KP zu befeuern und vom anfänglichen Versagen im Umgang mit der Krise abzulenken“, erklärt Noah Barkin.

In manchen Fällen schießt die Botschaft auch übers Ziel hinaus. Jüngst wurde eine Grafik in der Zeitung People’s Daily veröffentlicht, der sich entnehmen ließ, dass die neuen Infektionen weltweit die Zahl der Infektionen in China deutlich übertreffen. Dazu gab es die einigermaßen schadenfroh wirkende Headline, die von einer „Umkehrung des Geschicks“ sprach. Ein User kommentierte: „Bei dir zu Hause ist die Wasserleitung geplatzt, und du hast die Wohnungen anderer Leute überschwemmt. Bricht damit das goldene Zeitalter an, das du dir gewünscht hast?“

Lily Kuo leitet das Korrespondentenbüro des Guardian in Peking

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Übersetzung: Carola Torti
Geschrieben von

Lily Kuo | The Guardian

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