Dan Brown macht in Geheimnissen. In seinen Romanen wird eifrig über die unterdrückten Einzelheiten des Sexuallebens Jesu Christi, den Aufenthaltsort des Heiligen Grals, die hermetischen Experimente der Alchemie und die ethymologischen Rätsel der Bibelforschung spekuliert. Mit seinem neuen Roman widmet Brown sich nun dem wohl wertvollsten Geheimnis überhaupt: Die Formel für das Mischungsverhältnis irgendwelcher Sirupe, Koffein und Sodium Benzonate, aus der Coca Cola entsteht. Zu Beginn von The Lost Symbol" target="_blank">The Lost Symbolvergleicht Browns „Symbologe“ Robert Langdon, der gerade im Begriff ist, dem Geheimnis priesterlicher Überlieferungen auf den Grund zu gehen, die unter den Denkmälern von Washington DC verborgen liegen,
esterlicher Überlieferungen auf den Grund zu gehen, die unter den Denkmälern von Washington DC verborgen liegen, „das Rezept für klassische Coke“ mit den geheimen Riten der Freimaurer. Vergessen Sie Browns Anspielungen auf ein streng bewachtes Wissen, das uns einer Hierarchie folgend von der Erde in den Himmel führen kann, vergleichbar der Mutation von Basismetallen zu Gold.Zwar findet in seinem neuen Roman all das Verwendung, was er an „antiken Mysterien“ noch nicht in seinem Werk verarbeitet hat – wirklich beschäftigt ihn allerdings ein modernes Geheimnis: ein Betriebsgeheimnis, das nur die beiden Mitglieder einer Unternehmensbruderschaft (corporate brotherhood ) im Hauptsitz von Coca Cola kennen: Der magische Zauber, der Wasser nicht in Wein verwandelt, worüber Christus nicht hinauskam, sondern in Kohlensäurebläschen und Geld.Wie Coca Cola ist auch Brown ein weltweites Markenzeichen. Und so verspricht auch er den Konsumenten seines neuen Buches die Wiederkehr des Immergleichen. Also hat er auch für The Lost Symbol" target="_blank">The Lost Symbol wieder seine formelhafte Mischung aus motorisierter Verfolgungsjagd und mystischem Hokuspokus angerührt. Nachdem Langdon in Illuminati den Vatikan vor einer Atomexplosion bewahrt hat, kommt er nachhause, um mal wieder eine langweilige wissenschaftliche Vorlesung zu halten. Sobald er damit fertig ist, rennt er los, um die Regierung der Vereinigten Staaten vor einer Enthüllung zu beschützen, die die Welt destabilisieren könnte.Spitzname MolochDie aus Sakrileg. The Da Vinci Code" target="_blank">Sakrileg bekannten Akteure werden mit neuen Namen ausgestattet. Der ermordete Louvre-Kurator Saunière wird zu Peter Solomon, dem entführten und verstümmelten (Direktor der Smithsonian Institution – einem Zusammenschluss mehrerer amerikanischer und internationaler Museen und Forschungseinrichtungen. Saunières Enkeltocher entspricht Solomons Schwester, die als Langdons Handlanger fungiert. Der sie verfolgende Racheengel wird dieses Mal nicht von Silas, dem sich selbst kasteienden Albino-Mönch gegeben, sondern von einem sich selbst kastrierenden Bodybuilder, der sich nach einem der Engel aus Paradise Lost (dt. Das verlorene Paradies) selbst den Spitznamen Moloch gegeben hat.An Stelle des letzten Abendmahls fungiert nun Dürers Melancholie I als der Ort, der die Lösung des Rätsels bereithält und das von Leonardo entworfene Crypex kehrt als undurchdringlicher Granitwürfel wieder, der sein Geheimnis nur preisgibt, wenn er in einem Nudeltopf gekocht wird. Westminster Abbey gibt die Rolle der heiligen Stätte der Erleuchtung an die National Cathedral in Washington ab, deren Erhabenheit Brown dazu inspiriert, ihr Glockenspiel und ihre Orgel einer Inventur zu unterziehen: 53 Glocken und 10.647 Pfeifen.I.M. Peis Pyramide aus dem Hof des Louvre, unter der Langdon das Grab Maria Magdalenas vermutet, findet hier seine Entsprechung im pyramidalen Washington Monument, in dessen Spitze sich der dürftige Grund dafür befindet, warum die Stadt sich in Panik befindet. Das Buch ist so schlecht geschrieben, wie Browns Anhänger dies mittlerweile schon von ihm erwarten dürften: Der Vergleich mit abgestandener Cola kommt einem in den Sinn. Manche Figuren werden mit ihren Berufsbezeichnungen eingeführt – Spezialist für Systemsicherheit Mark Zoubianis und Spezialist für Systemsicherheit Rick Parrish – , da man sich ohnehin nur ob ihrer Funktion für den Fortgang der Handlung an sie erinnert. Ihre Kommunikation entbehrt jeglicher sprachlichen Ausdruckskraft und würde einem Automaten die Schamesröte ins Gesicht treiben. „Kennst Du dich mit dem für Privatflieger reservierten Teil des Bostoner Logan Flughafens aus?“, fragt irgendjemand Langdon . Dr antwortet: „Ja“, obwohl man eigentlich hofft, er würde: „Positiv“ sagen.Gehobene ViertelBeschreibend wird Brown, wenn es um Immobilien geht. Das liest sich dann wie von einem Immobilienmakler verfasst. Der Bösewicht wohnt in einer „weiträumigen Villa“, die in einer eleganten Variation 300 Seiten weiter als „spektakuläre Villa“ wieder auftaucht. Viertel sind „gehoben“, ein Bürogebäude ist „prestigeträchtig“. Keine Gelegenheit für Schleichwerbung wird ausgelassen. Die Heldin fährt einen „weißen Volvo“, während Langdon etwas flotter in einem „Falcon 200EX-Firmenflugzeug“ mit „dualen Pratt“ unterwegs ist. Unbedeutendere Charaktere schwingen einen Black Berry, ein Iphone oder ein Gewehr von Browning Citori.Alle paar Seiten gelangt der Plot an einen Abgrund mit schwindelerregender Aussicht. „Wir haben ein ernsthaftes Problem“, sagt dann beispielsweise jemand. „Was ist in dem Koffer?!“, fragt ein anderer mit einer Interpunktionsflut, die die Dramatik des Geschehens deutlich machen soll. Wenn Brown in Aufregung gerät, verfällt er in den Telegramm-Stil. Eine Frau, der der verrückte Moloch nachstellt, verspürt eine neue Art von Furcht: Es ist „Instinktiv. Ursprünglich.“ Ihre Sorge war unnötig, er wollte nur ihre Pin-Nummer.An ganz intensiven und spannenden Stellen verlässt er sich auf Kursivschrift, um seine lahme Sprache zum Prickeln zu bringen. Langdon droht zu ertrinken (was leider nicht tödlich endet), sieht Gottes Angesicht und stößt den Ausruf „Licht!“ hervor. Der gefallene Erzengel, der in einer merkwürdig übernatürlichen Reise in die Hölle zurückkehrt, weiß zu berichten: „Schreie unendlichen Schreckens entfahren mir.“ Ich spitzte die Ohren, doch trotz der kursiven Schrift konnte ich nichts hören.Obwohl er sich wiederholt, hat die Sache dieses Mal vielleicht eine zusätzliche Brisanz, da Langdon nach Ausflügen nach Paris und Rom dieses Mal in der „Hauptstadt unserer Nation“ unterwegs ist, wie er sich informativ auszudrücken pflegt. Statt in europäischen Museen esoterische Geheimnisse zu erforschen, konfrontiert Brown dieses Mal sein Heimatland mit neoklassischen Engeln und rabiaten, Feuer speienden Dämonen.Millionen von SeelemZur ersten Gruppe gehört der heiliggesprochene George Washington, der in der Rotunda des Capitol seine Apotheose erfährt. Er steht für die aufgeklärten Ursprünge der Republik, einem Produkt des säkularen Glaubens des 18. Jahrhunderts an das Gute im Menschen. In die zweite Rubrik gehört der Fernsehprediger, der in einer Szene gegen Ende des Romans im Hintergrund zu seinen „hypnotisierten Zuschauern“ spricht und ihnen die bevorstehende Apokalypse ankündigt, deren Flammen nur die Wiedergeborenen überleben werden.Der Neuengland-Liberale Brown beklagt in allegorischer Verpackung Amerikas Fall in frömmelnde Paranoia und religiöse Hysterie. Seiner Meinung nach ist die Religion schuld am Sündenfall und der Korrumpiertheit der Politik. Durch seine eigene Liebäugelei in die Mysterienforschung des Altertums bringt er die Dinge allerdings durcheinander. Ein High-Tech-Subplot befasst sich mit der Noetik, bei der es um die Kalibrierung von Gehirnströmen und den Anschluss an ein kosmisches Bewusstsein geht.Diese New-Age-Unternehmen erhielt nach dem elften September einen gewaltigen Schub, als das weltweite Mitgefühl für Amerika dazu führte, dass die „Ergebnisse von 37 Zufallsgeneratoren rund um den Globus plötzlich erheblich weniger zufällig waren.“ Die Araber, die an jenem Tag die Stars and Stripes verbrannten, waren aber wohl kaum Teil dieser wärmenden Einheit . Brown könnte hier also einem kuscheligen Irrtum aufsitzen.Bestimmt liegt ihm etwas an der „Verschmelzung von Millionen von Seelen“, sein oberstes Ziel dürfte aber darin bestehen, diese Seelen vor den Kassen der Buchhandlungen zu versammeln, wenn sie anstehen, um seinen neuen Roman zu kaufen.Die 81 Millionen Exemplare des Sakrileg. The Da Vinci Code" target="_blank">Sakrilegs beanspruchen bereits Platz in unserer engen Welt . Jetzt kommen 6,5 Millionen Exemplare des neuen Romans hinzu. Wenn es um Druckerzeugnisse geht, unterwirft sich Brown nur einem einzigen Stück Papier, auf welchem zufällig die Pyramide prankt, die als Entschlüsselung des Rätsels im Mittelpunkt von The Lost Symbol" target="_blank">The Lost Symbol steht. Es handelt sich hierbei, mit denen Worten einer Figur des Romas, um „die am weitesten verbreitetete“ Verknüpfung von Worten und Bildern auf der ganzen Welt, mit „über 20 Millionen“ in Umlauf befindlicher Exemplare. Wie Sie besteht schon vermutet haben, handelt es sich um die Ein-Dollar-Note. Die außerordentliche Zahl nötigt selbst Brown Respekt ab, gibt ihm gleichzeitig aber auch ein Ziel vor. Er kann zwar nicht besonders gut schreiben, aber er weiß, wie man Geld druckt: Er ist eine Ein-Mann-Münzanstalt.
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