Seit in Großbritannien die Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten vor über einem Jahr an die Regierung gekommen ist, hat das Land eine Vielzahl von Studentenprotesten, Besetzungen von Universitäten, Streiks und eine Gewerkschaftsdemonstration mit einer halben Million Teilnehmern erlebt. Jetzt gibt es Unruhen auf den Straßen Londons und anderer Großstädte. Ihnen waren Zusammenstöße zwischen der Polizei und Aktivisten im Bristoler Stadtteil Stokes Croft zu Beginn des Jahres vorausgegangen. Auch wenn jedes dieser Ereignisse einen anderen, je eigenen Auslöser hatte, so fanden sie doch alle vor dem Hintergrund brutaler Kürzungen und verschärfter Sparmaßnahmen statt. Die Regierung ist sich sehr wohl bewusst, dass sie mit ihrer Politik Massenunruhen von einem Ausmaß riskiert, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben. Dass die Leute in Tottenham, Edmonton, Brixton und anderswo in den vergangenen Nächten auf die Straße gegangen sind, könnte für die Regierung eine ernsthafte Pechsträhne einleiten.
Die Politik des vergangenen Jahres mag zwar die Kluft zwischen den Privilegierten und den Besitzlosen verdeutlicht haben, doch der Kontext für die sozialen Unruhen reicht viel weiter. Die fatale Erschießung Mark Duggans am vergangenen Donnerstag, der – entgegen der ersten Berichte – selbst nicht geschossen hat, fügt der Geschichte von Übergriffen der Londoner Polizei auf ihre Bürger einen weiteren tragischen Fall hinzu. Besonders betroffen sind dabei Schwarze oder Angehörige ethnischer Minderheiten. Bestimmte Gegenden und Personengruppen sind einer besonderen Überwachung, Personenkontrollen und täglicher Schikane ausgesetzt.
100 mal mehr
Ein Journalist hat jüngst sein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, wie viele Leute in Tottenham der Polizeibeschwerdestelle Independent Police Complaints Commission (IPCC) kritisch gegenüber stehen. Dabei sollte dies keineswegs überraschen. Wenn man bedenkt, dass seit 1998 mindestens 333 Menschen in Polizeigewahrsam gestorben sind und kein einziger Polizeibeamter je für einen dieser Fälle verurteilt wurde, kann man nachvollziehen, dass viele der Ansicht sind, die IPCC und die Gerichte beschützen eher die Polizei als die Leute.
Wenn man ein verständliches Misstrauen und eine durch Erfahrung gespeiste Abneigung gegenüber der Polizei mit großer Armut und weit verbreiteter Arbeitslosigkeit zusammennimmt, wird einem klar, warum die Menschen auf die Straße gehen. Haringey, der Bezirk, zu dem Tottenham gehört, hat den vierthöchsten Anteil an Kinderarmut in London und mit 8,8 Prozent eine Arbeitslosenrate, die doppelt so hoch ist wie der nationale Durchschnitt. In diesem Stadtteil kommen auf ein Jobangebot 54 Arbeitssuchende.
Diejenigen, die die jetzigen Ereignisse verurteilen, täten gut daran, einen Schritt zurückzutreten und das Gesamtbild zu betrachten: Dieses zeigt ein Land, in dem die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung heute 100 Mal mehr haben als die ärmsten zehn Prozent – und wo ein auf private Verschuldung gegründeter Konsumismus jahrelang als die Lösung für die Probleme einer schwächelnden Wirtschaft propagiert wurde. Und in dem es der OECD zufolge um die soziale Mobilität so schlecht bestellt ist wie in keinem anderen entwickelten Land.
Eines der ungleichsten Länder
Richard Wilkinson und Kate Pickett weisen in ihrem Buch Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind darauf hin, dass Phänomene, die für gewöhnlich als „soziale Probleme“ charakterisiert werden (Kriminalität, schlechter Gesundheitszustand, Zahl der Gefängnisinsassen, psychische Krankheiten) in ungleichen Gesellschaften wesentlich stärker verbreitet sind als in solchen, in denen die Verteilung des ökonomischen Reichtums gerechter vonstatten geht und die Kluft zwischen Arm und Reich entsprechend geringer ist. Jahrzehnte, die von Individualismus, Wettbewerb und von staatlicher Seite geförderter Selbstsucht geprägt waren, in Kombination mit einer systematischen Zerschlagung der Gewerkschaften und einer immer weitreichenderen Kriminalisierung abweichender Meinungen haben Großbritannien zu einem der ungleichsten Länder in der entwickelten Welt gemacht. Spektakuläre Bilder von ausgeräumten Geschäften mögen genau das sein, wonach es die ruhelosen, stets nach neuen Geschichten und Buhmännern gierenden Medien verlangt. Aber wir werden nichts von diesen Ereignissen verstehen, wenn wir die Geschichte und den Kontext ausblenden, in die sie eingebettet sind.
Kommentare 41
Der Staat hat sich aus den Gebieten, von denen die Riots ausgingen, vor Jahren zurückgezogen. Da herrschen kriminelle Banden. Ohne die neoliberale Politik hätte es diese Entwicklung nie gegeben. Jetzt können sich die Reichen selber in ihren Ghettos verkriechen.
Eine Philosophie des "get rich, or die tryin'" kann langfristig nur in einer sozialen Katastrophe münden. Und die ist jetzt eben da. Der Mob wird sich irgendwann ausgetobt haben und für Politik, Reiche und das, was sich so im allgemeinen als "Elite" versteht, ist es gut zu wissen, wohin die Reise geht, wenn man weitermacht wie bisher.
Im ersten Posting war von "erstens Güter stehlen, zweitens "Spaß" haben und drittens Macht ausüben" die Rede. Erinnert mich irgendwie an die Verhaltensmuster der "Finanzindustrie". Ich denke, wir sollten uns nicht wundern, dass das so eskaliert, sondern wundern, dass es erst so spät passiert.
Ich denke, auch Sie würden anders denken, wenn Sie in einer anderen Position wären. Aber eben das macht es ja so spannend. Und: die Finanzindustrie muss nicht "herhalten", das musste sie noch nie. Aber Ihr ein leitender Satz passte.
Herr Meister ist genügend ausgebildet für das, was er hier treibt. :-))
Die Randale ist eine ganz natürliche Reaktion auf die Auswirkungen des neoliberalen Wirtschafts-und Gesellschaftssystems. Jeder, der diese Auswirkungen nicht mag – dazu gehöre ich auch – sollte sich Gedanken machen, nach welchen Maßgaben/Werten das planetarische Gesellschaftssystem gestaltet werden sollte, um all den Schwachsinn, mit dem wir es auf diesem Planeten zur Zeit zu tun haben, zu vermeiden.
"Leistung muss sich lohnen, nicht das bloße Verlangen nach Reichtum. Das führt nur zur Gier und das zur Plünderung!"
Jetzt müssen Sie nur noch erklären, worin denn die Leistung von Frau Klatten, Frau Mohn und Co. bersteht, um auf ein paar Milliarden Euro Vermögen zu kommen. Oder worin bestehen die Leistungen eines Carsten Maschmeyer? Anderen wertlose Lebensversicherungen aufschwatzen!
Gerade die Menschen, die echte Leistungen erbringen, sind die ärmsten Schweine in diesem Land.
Es geht natürlich nicht nur um die Vermeidung von Schwachsinn. Priorität sollte schon die Vision einer Wohlfühlgesellschaft für alle sein. Dieser Planet bietet alles, was Mensch, Flora und Fauna gut tut.
@Daniel Meister
Ich weiß jetzt nicht, warum du hier einen Kommentar an txxx666 postest. Aber wo du schon mal hier bist: Systemnachbeterei bringt nichts. Es geht darum was „Mensch“ auf diesem Planeten als angenehm empfinden würde und wie man es verwirklichen könnte - die berechtigten Wünsche zu erfüllen, braucht es radikale (natürlich friedliche) Veränderungen.
"Mag sein, dass eher die Vätergeneration der obig Erwähnten die Firmen groß gemacht haben, aber allein der Fortbestand der Firmen sichert unseren Wohlstand."
Sie haben nur bayrisches Abitur, deswegen will ichs Ihnen erklären. Es waren nicht "die Väter", die diese Unternehmen groß gemacht haben, sondern hauptsächlich Juden, die dann in den Dreißigern von den Nazis vertrieben oder umgebracht wurden oder geflüchtet sind. Und als die Firmen da so blöd rumlagen, haben die Quandts und Co. einfach mal zugegriffen.
Mit Leistung hat das ganze nichts zu tun gehabt.
Die Wirtschaftselite hat nichts besonderes geleistet, sie hat hauptsächlich andere für sich leisten lassen.
Für viele auf diesem Planeten ist zur Zeit ein Tageswunsch: Etwas zu essen. Sorry, ich kann die Systemverteidiger nicht mehr ertragen.
....nach den Wünschen der Erdenbürger. Ok.
Über die Punkte, die Daniel Meister hier oben (schrieb am 09.08.2011 um 21:16) anspricht, kann man gut reden. Auch wenn Daniel offenbar die Tragweite dessen, was er anspricht, nicht versteht.
Klar sind die, sagen wir mal Unruhen, in England nun in ihrer Form unsympathisch, weil sie selbst radikaleren Gerechtigkeitsdenkern Angst machen. Der Protest ist nicht erkennbar! Offenbar unterschiedslos wird zugeschlagen, die Leute zerdeppern ihr eigenes Wohnumfeld und scheinen letztlich auch nur auf den eigenen materiellen Vorteil aus zu sein, wenn sie in einer Blase aufgekündigter Staatsgewalt ein Paar neue Nike-Schuhe oder ein Flatscreen mitnehmen lassen. Eine Feier des Triumphes!
Naja, klar wird keiner der "Protestierer" nun auf der Strasse gefragt, einen Begründungsschwall mit soziologischem Tiefgang von sich geben. Er wird auch seine Gewalt und vielleicht auch Plünderung nicht im Voraus einer Sinn- und Zweckanalyse unterzogen haben.
Hier geht es aber zunächst darum, solche Erscheinungen in ihrer Drastik wahrzunehmen. Woher kommt dieses Extremität und Skrupellosigkeit?
Und da hilft es eben nicht, nur einen Bedrohungsapparat aufzubauen, der schlicht Angst erzeugen soll, um wiederum die Angst, welche solche Exzesse erzeugen, zu bekämpfen.
Was die Leute da in England, wie auch ehedem in Frankreich, letztlich in Gangstermanier treiben, findet natürlich wesentlich auch seine Ursachen darin, dass "jeder ALLES haben muss".
"Haben zu müssen" - das ist zunächst mal das, was offenbar in unserer Welt die Gesellschaft erzeugt.
Die Gangstermanier sagt dann etwa: Naja, ich habe eben keinen nine-to-five Job (kriegen können?) und kein Salär, dass mir das und jenes ermöglicht, aber ich kriege es auch auf meine Weise.
Das, was zu Recht den obersten Einkommensklassen als perfide Selbstgerechtigkeit und maßlose Vorteilnahme angelastet wird, findet sich abbildlich im "Gesetz der Strasse", beim kleineren und größeren "Gangster" wieder.
Was will man also erwarten?
Und damit landet man letzten Endes wieder beim, ja ich weiß: altbekannten, Wesen des Kapitalismus. Wenn im zitierten Werk von Wilkinson/ Pickett vom Heil "gerechter Gesellschaften" die Rede ist, wird da wohl auch von kapitalistischen Gesellschaften die Rede sein, welche nicht so markante Lücken zwischen Arm und Reich aufweisen.
Im Vergleich zu Ländern wie GB oder D, werden womöglich Länder wie Norwegen als positives Beispiel dastehen. Hier von gerechte(re)n Gesellschaften zu sprechen, würde natürlich nur eine lokale und, ich behaupte auch, temporäre Gültigkeit haben.
Letztendlich ist es dem Kapitalismus unmöglich, Gerechtigkeit herzustellen. In einigen Ländern zeigt sich das eben mehr als in anderen (wobei erstere zahlenmäßig überwiegen). Und wenn die Ungerechtigkeit auch nicht unmittelbar oder vor Ort sichtbar ist, heißt das nicht, dass sie deshalb nicht da ist. Irgendwo wird der Dreck jedoch immer liegen gelassen.
Wahr ist aber, wenn man sagt, dass gerechtere Gesellschaften weniger anfällig für Krankheiten sind. Krankheiten im medizinischen, wie auch übertragenen gesellschafts-gesundheitlichen Sinne.
Wenn man sich aber nur in der Lage sieht, Symptome brutal zu unterdrücken, indem man letztlich wieder neue Ausbrüche provoziert, ist dem Problem einer gesünderen Gesellschaft am wenigsten begegnet.
Und genauso wenig ist einem solchen Problem begegnet, wenn man rein auf der materiellen Ebene diskutiert: "950 Euro Netto !!!!!!!!! Davon kann man doch leben! Das Problem ist eben unsere Anspruchs- und Wohlstandsgesellschaft."
Diese Reihung von Sätzen Daniels geht gar nicht!
Die ersten beiden Sätze hebeln aus, was der letzte als Problem benennt.
Kleine Berichtigung zu
miauxx schrieb am 10.08.2011 um 00:44:
Wenn man sich aber nur in der Lage sieht, Symptome brutal zu unterdrücken, indem man letztlich wieder neue Ausbrüche provoziert, ist dem Problem einer ungesunden Gesellschaft am wenigsten begegnet.
"Da ärgern mich Millionen für Vettel, Jay-Z, Lady Gaga mehr;)"
Warum das denn? Wo ist Ihre Konsequenz?
So manchesmal frage ich mich:
Kommentar ist sponten entstanden oder über Stunden gefeilt?
Wenn hier in der FC die Blogger mal von ihrem Ego loslassen,lass ich meine blogs los,die Kommentatoren sind "nur" die (be)reinigende Kraft, alles im Zaum halten.
Provoziert,worden,von Provokateuren,im
reallife-realtime-Modus.
Sinn geht anders,Leben ist anders.Hier,so mein Anschein, baden die Egos.
Macht für mich keinen Sinn,aber was heißt das schon!?
Mein Eindruck mag täuschen,Unbehagen bleibt.
@Freimin
"Gar nicht gewußt, daß im Freitag jetzt auch schon dieselben dumpfen Leser kommentieren wie in 'Welt', 'Süddeutsche', neuerdings auch 'Zeit'."
Ja, leider, ist ja "internetspezifisch", dass jedermann seinen dahingeschissenen Tresenquatsch dazugeben darf... ...aber es lohnt auch keine Replik, wie "j-ap" schon zurecht bemerkte.
Glückerlicherweise gibt es aber doch zahlreiche Community-Mitglieder hier, mit denen eine produktive und bereichernde Auseinandersetzung möglich ist...insofern: So what!
Wem immer noch nicht aufgefallen ist, in welcher sozioökonomischer Verfassunng unsere so manchmal zu recht manchmal zu unrecht gepriesenen bürgerlich-kapitalistischen Demokratien nach jahrzehntelanger neoliberaler Indoktrination sich befinden, dem ist im Grunde eigentlich nicht mehr zu helfen...
@d353rt
"Ungebildete Marktradikale sind diejenigen die uns diese Suppe gekocht haben. "
D'accord!!!
@j-ap
"Es soll ja auch gar keine Regierungsgewalt angegriffen werden — vom Abschaffen war ohnehin noch nie und nirgendwo die Rede —, sondern sie soll lediglich dazu aufgefordert werden, endlich einmal in dem Sinn tätig zu werden, den sie selbst stets auslobt."
Herrlich!!! In dem Satz ist alles auf den Punkt gebracht!
Ich schätze Ihre Kommentare hier manchmal sehr, obwohl ich ihre Einschätzung über die Funktion des bürgerlich-demokratischen Staates im kapitalistischen System, soweit ich diese bisher beurteilen kann, nicht vollkommen teile.
Das "Irre.Alle." am Ende erinnert mich aber dann doch wieder an den Anarchisten in Emile Zolas Roman Germinal, der in der Kneipe sitzend von den Sabotage-Akten der sozialistisch agitierten Grubenarbeiter hört und über sie schimpft und sie verflucht, sie würden doch gar nichts kapieren, wenn sie meinten, es gehe "nur" um ein bisschen mehr "Brot" oder "Lohn"...
Das Schlimme ist: Er, der Anarchist, hat ja irgendwie recht, aber auf anderer Art und Weise auch wieder nicht!
Mit besten Grüßen
@miauxx
Inwiefern unterscheidet sich denn die Skrupellosigkeit und Gewalt der Randalierer so großartig von den Schreibtischtätern in den oberen Konzernetagen, mal abgesehen von der Ästhetik und der weitaus größeren Tragweite der letzteren Sorte von Gewalttätern?
Man erntet was man sät, scheint mir der Realität schon sehr nahe zu kommen...
Zur Ergänzung: Mir geht es hier um die massive strukturelle Gewalt und das zugrundeliegenden Machtgefüge einschließlich den millionenfachen menschlichen Schicksalen dahinter, keineswegs aber um Unternehmerfeindbilder öder ähnlichen vom Ressentiment geladenen Bildern!
Ein sehr guter, tief lotender Beitrag! Selbstverständlich ist Gewalt gegen Menschen und Sachen zu verurteilen. Jedoch muss man sich doch zunächst einmal fragen: Wie konnte es mit einer Gesellschaft so weit kommen, dass offenbar gar keine Werte mehr zählen?! Diese Menschen, welche nun alles kurz und klein schlagen, brandschatzen und stehlen haben offenbar gar keine dieser Wert vermittelt bekommen bzw. kennengelernt. Wahrscheinlich gehörten schon deren Eltern zur Unterschicht, zu den Arbeitslosen, Abgehängten. Die Jugendlichen aus diesen Familien von heute haben noch weniger Chancen als ihre Eltern. Es ist einer verlorene Generation. Sie hängen auf der Straße herum und machen nicht zuletzt Dummheiten. Zuhause hocken sie vorm Fernseher und gucken "Tittytainment"-TV. In den Werbepausen sehen sie Produkte und ein Leben, das sie nie führen werden. Die Ursachen für die Gewalt von heute sind nicht zuletzt - da gebe ich Albrecht Müller (NachDenkSeiten) recht - in der Politik Margret Thatchers zu suchen: www.nachdenkseiten.de/?p=10413
Premier Cameron - der erst ein ganz bestimmt folgenschweres Sparpaket abgeschickt hat - fährt nun gewissermaßen die Ernte ein, welche aus Thatchers Samen hervorgegangen ist.
Mit mehr Polizei (selbst da hat Cameron bis zum Knacken gespart) werden die Probleme nicht zu lösen sein. Wir brauchen eine Gesellschaft, die die Menschen zusammenführt. Keine, die die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinanderklaffen lässt.
Auch wir hier in Deutschland sollten aufpassen, dass es zukünftig nicht zu solchen bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt.
Menschen müssen die Chance der Teilhabe an der Gesellschaft bekommen und ein Leben in Würde führen können.
Wer von uns würde denn auf Dauer eine Gesellschaft, eine Demokratie verteidigen wollen, von der wir ausgeschlossen und letztlich verhöhnt werden. Es muss - auch angesichts der Krise in wir abermals stecken - endlich Schluss sein mit einem neoliberalen System, das wenige Prozent Menschen der Gesellschaft zum platzen reich macht und den anderen - der Mehrheit! - immer mehr nimmt bzw. noch die letzten Almosen verweigert. Machen wir in der Art weiter, werden wir Verhältnisse bekommen, die wir uns nicht wirklich wünschen können! Auch die Profiteure des jetzigen falschen Systems können sich das nicht im Ernst wünschen. Doch denken sie so weit?
"Mit den Enteignungen haben Sie Recht. Allerdings 2011 damit zu argumentieren ist ganz schön hinterhältig."
Was hat diese Argumentation denn mit der Jahrezahl zu tun. Es ging darum zu zeigen, dass Vermögen in den seltensten Fällen etwas mit Leistung zu tun hat sondern mit Gewalt.
"In welchem Land lebt es sich als Arbeitnehmer besser? Kuba?"
Leute wie Sie glauben immer, dass die sogenannten "sozialistischen" Länder völlig andere Gesellschaftssysteme sind. Sie sind aber fast identisch. Deswegen können die chinesischen Kommunisten ihr Land in eine kapitalistische Hölle verwandeln. Beim Sozialismus handelt es sich de facto um nichts anderes als um Staatskapitalismus.
Die ganzen kapitalistischen Kategorien wie Arbeit und Lohn sind ja im "Sozialismus" nicht aufgehoben.
In einem anderen Gesellschaftssystem gäbe es so etwas wie "Arbeit" nicht, also den Zwang für Geld seine Lebenszeit zu verkaufen, um dann Dinge zu machen, die nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben.
Also ich weiß gar nicht, was die Briten haben. Man muss sich doch nur einmal dies schöne Foto auf der Homepage des norwegischen Rundfunks anschauen.
www.nrk.no/drfront/resources/img/2011-08/10/2-c5983875-27b705a3.jpeg
Junge, aufgeschlossene Menschen, die mit ihren Handy-Kameras ein schönes Happening fotografieren und für die Kameras posieren.
Diese Leute wollen ja nicht mal mehr eine neue Gesellschaftsordnung, die wollen Blackberrys und Klamotten von H Ja, mein Gott, dann sollen die Briten ihnen doch den Plunder geben, wenn die so scharf drauf sind. So billig war Turbokapitalismus noch nie zu haben.
Herr A-P,
"Wäre der sengende und brandschatzende Mob wenigstens nach Whitehall gezogen und hätte das Schatzamt ausgeräuchert, hätte man wenigstens einen Umsturzversuch diagnostizieren können."
Vorangestellt, (Sie lieben ja solche Exkurse):
Das Wort "brandschatzen" wird immer gern verwendet, leider aber immer falsch. Brandschatzen bedeutete eigentlich - mit dem Feuer drohen und dann Geld dafür einstreichen, dass man keinen Brand legt.
Warum die Leute nicht das machen, was - aus der Sicht kluger Analytiker, Systemkritiker, gesellschaftlicher Durchblicker und revolutionärenr Denker - logisch und folgerichtig wäre, hängt damit zusammen, dass sie es nicht verstehen. Sie machen nicht das, was Sie Ihnen "zudenken" . Sie sind beeinflusst von Massenmedien, die ihnen das Denken abnehmen wollen.
Sie aber als denkender Mensch, sehen die "Masse" ohnehin nur als eine Art Instrument zur Erreichung politischer Ziele und wenn sie dann in die falsche Richtung "ausschlägt" und damit zum Mob wird - dann wird Ihnen übel. Tja, die Menschen sind so wie sie sind.
Bildung wäre eine wichtige Sache, aber an der wird ja auch gespart.
@Giuseppe
"Inwiefern unterscheidet sich denn die Skrupellosigkeit und Gewalt der Randalierer so großartig von den Schreibtischtätern in den oberen Konzernetagen, mal abgesehen von der Ästhetik und der weitaus größeren Tragweite der letzteren Sorte von Gewalttätern?"
Stimme Ihnen vollkommen zu. So ziemlich das gleiche wollte ich oben auch ausdrücken.
@Daniel Meister
Sie isolieren Aussagen - verstehen aber nicht den Zusammenhang, in welchem diese stehen.
@ Daniel Meister
Sie haben die falsche Website erwischt! Hier werden Wahrheiten gesucht und nicht Wahrheiten verordnet bzw. behauptet!
Der Artikel von Nina Power ist seriös, komplex, detailliert und intellektuell anspruchsvoll!
„...der Großteil ...die ganz systemgerecht ihre traurige und verpfuschte Existenz aus lebenslanger(?) Lohnarbeit, Familie und Gehorchen fristen WOLLEN.“
Na, das wäre ja finster – so ist es aber nicht. Die meisten haben von diesem System die Faxen dicke. Sie sehen aber keine realistische Alternative, und vor allem keine vertrauenswürdigen Parteien, mutigen Politiker oder außerparlamentarische Akteure, die ein grundlegend anderes System verwirklichen könnten.
Man kann nicht verlangen oder erwarten, dass Menschen auf die Straße gehen, ohne zu wissen wofür – Bittstellerei an die Regierung, auch wenn sie etwas heftiger vorgetragen wird, kann ja nicht das erfolgversprechende Angebot sein. Als Demonstration der Unzufriedenheit wäre das ok – aber letztlich muss es darum gehen, zu sagen was man will – letztlich, wie sich die Bürger ihr „Traumsystem“ vorstellen - und einen freien gesellschaftlicher Diskurs darüber beginnen. Jammern und Randale nützt da gar nichts.
Ich finde es absolut irre, dass im Anblick eines elendig zusammenbrechenden Systems, nicht allerorten die Systemfrage gestellt wird!
Und das mal etwas konstruktiver.
Fro schrieb am 10.08.2011 um 16:57
an Phineas Freek
langsam freunde ich mich mit der Idee an, die online-Ausgabe des Freitags kostenpflichtig zu machen und diese auch bezahlen zu wollen. Das würde des öfteren die Diskussion vereinfachen!
In einem anderen Beitrag schrieb ich:
„Diese Krise erfordert eine grundlegende Demokratisierung, eine gemeinwohldienliche Reglementierung des Finanzmarktes und eine faire Unternehmensgewinnverteilung.“
M.E. bietet es allem Raum, was das linke Demokratenherz begehrt – und es ist mehrheitsfähig.
Dass sich der allgemeine Schlauheitspegel erhöhen muss ist klar. Genau das würde aber im gesellschaftlichen Diskurs passieren.
Dem Daniel müssen hier keine "Alternativen" angeboten werden. Wer sagt denn, dass alle die, gegen die er Kontra gibt, nur dann Argumente hätten, wenn sie fertige Alternativen zum Kapitalismus oder der Marktwirtschaft in der Tasche hätten?!
Daniel ist nicht einmal in der Lage zu erkennen, dass es sich bei den Gewaltausbrüchen in England und Frankreich um Symptome einer krankenden Gesellschaft handelt. Er schwafelt stattdessen immer noch vom "besten System". Die Gewalttäter seien lediglich ein kriminelles Phänomen, das man nur mit Staatsgewalt isolieren müsse und fertig ist der Lack. Hierzulande habe ich bis jetzt noch nicht einmal von den konservativsten Politikern, die sich zu England zu Wort meldeten, eine derart verfehlende Deutung der Zeichen vernommen, wie von Meister.
Schlimmer ist aber, dass Meister absolut resistent ist gegen jede Argumentation anderer. Es ist nicht nur die fehlende Bereitschaft oder auch Fähigkeit, 1 und 1 zusammenzuzählen, sondern auch die, hingucken und zuhören zu wollen.
Weitere argumentative Angebote machen? Da kann ich auch gleich gegen die altbekannte Wand sprechen.
@Daniel Meister und andere
Kann man natürlich machen: erst urteilen,dann ergründen, umgekehrt macht aber erst Sinn.
Bei Verstössen gegen Spießertum nach "Papa" rufen ist kindisch bzw unreif und phantasielos.
Werte hoch halten geht auch, aber dann gleichzeitig Werte in einer (noch dazu schriftlichen) Diskussion vernachlässigen ist widersprüchlich.
Im Grunde denken alle hier in ähnlicher Richtung, und dazu ist ein Konsens in -gewalttätige Eskalation ist nicht "in Ordnung".
Da haben wir es dann: Die Ordnung ist nicht mehr gegeben!
Und nu? Ängstigt das? Warum? Wo genau erkennt man Gefahren?
Statt mal völlig wertneutral hinzusehen und zu sagen:
Endlich passiert mal was,halten ein paar nicht mehr still,geht es nur um das Wie! machen sie auf was denn aufmerksam,und so geht es ja nun nicht.
Bei erhobenem Zeigefinger rate ich mal zu Folgendem:
1. ah,iiih,was isn das,gehst du weg,nee,echt nicht, da läuft mir doch glatt ne Laus über die Leber, schsch,husch
2. entrüstet euch!
Und 3. gibts noch ne Schiene:
sie plündern H,probieren aber die Klamotten in aller Seelenruhe an und klauen erst,wenn sie passen.
Sie plündern alle Läden,nur keine Buchläden, bemerkenswert!?,
sie haben Blackberries/i-phones, ist das ganze ein aus dem Ruder laufender flashmob?
Im Rheinland hieß es mal: Arsch huh,Zäng ussenande (für auswärtige: Popo hoch = aufstehen,Zähne auseinander).
Diskussion ja,Beleidigung nein, urteilen maybe,verurteilen nein!
In Zeiten,in denen Konsum als Nonplusultra vorgelebt wird,geht das Contra gegen Konsumtempel,denn nur,wer kaufen kann,ist wertvoll-da läuft was schief, nicht nur die Laus über die Leber.
Und so sehen wir,dass sich Menschen bewegen,aufbegehren, das finde ich auch wertvoll.Wie sie es tun, kann man beklagen, wie diesen thread z.T..
Wie sich eine Protestwelle hochschaukelt,eskaliert, kann man jetzt gut studieren,wo die Akteure sind, die Mitläufer und die, die sich einen Spass draus machen auch. Und die,welche zu Opfern der heranrollenden Welle werden, da beginnt es "kriminell" zu werden. Alle(?) Aktionen sind gespeichert,reproduzierbar, wg. städtischer Überwachungskameras,eitler smartphoner etc. Big Brother wird schon hinschauen.
Entrüsten ist angesagt.
De-eskalieren.
Und das braucht Zeit.Mindestens so viel Zeit, wie es brauchte,sich zu rüsten für Eskalation.Denn die Probleme sind gewachsen.Bis sie über den Kopf wuchsen, und der Zorn auf ein System ? (das seine Kinder frisst...)ist groß,wie man sieht.Nicht nur in GB,auch rund ums Mittelmeer,usw.
Gute Nacht,das mußte/wollte jetzt raus...
@miaux
"...Schlimmer ist aber, dass Meister absolut resistent ist gegen jede Argumentation anderer. Es ist nicht nur die fehlende Bereitschaft oder auch Fähigkeit, 1 und 1 zusammenzuzählen, sondern auch die, hingucken und zuhören zu wollen. ..."
Genau, das musste gesagt werden!! Danke
"....da muss man erst mal in Bildung investieren, auch fuer schlechtbetuchte.. "
Sehr richtig – ein „schlaues“ Bildungssystem für alle muss immer wieder gefordert werden und zum Lehrplan sollte auch die Unterrichtung in Demokratie, Solidarität und Fairness gehören.... schon im Kindergarten sollte es losgehen.
Ich befürchte aber, dass nicht mehr soviel Zeit bleibt auf dies „Früchte“ zu warten....
@ Daniel Meister "Hört sich banal an, aber dann geh ich jetzt auf die Straße, klau ein Auto und rebelliere mal ein bisschen."
Das hört sich nicht nur banal an, das ist ein elend schlampiges Denken. Sowas passiert ja eben nicht einfach andauernd so. Es hat Anlässe, Gründe.
Und das wenigstens müssten Sie schon wissen.
@PreussenMichel
:-)
Vielleicht sollte man im online-Freitag einen "Ignore-Button" einführen. Ich wäre dafür!!
Irgendwie gibt es hier Menschen, die der Lehrer in der Schule permanent nicht drangenommen hat! Man sieht: das rächt sich!
Vielleicht da,wo momentan keiner mehr hinsieht und "Murdoch" draufsteht, nur ein Beispiel
Bin ja sonst nicht so, aber sach mal Keule wo haben sie Dich den losgelassen?
na ignorbutton hilft ja auch nicht weiter.
Aber rein prinzipiell muss ich Dir zustimmen (von wegen Lehrer, und nicht drannehmen...