Grün trifft Gier

Geo Engineering Künstliche Bäume, Plastik in Wüsten, Spiegel im Weltraum: Ingenieure haben fantastische Ideen gegen die Erderwärmung - aber die falschen Geldgeber

Wissenschaftliche Versuche, die Erderwärmung zu bremsen, indem man Wetterlagen, Ozeane, Strömungen, Böden und Atmosphäre so manipuliert, dass weniger Treibhausgase entstehen, entfachen ideologische, politische und finanzielle Leidenschaften. Für jene, die die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen mehr oder weniger aufgegeben haben, stellt diese Manipulation neben der Atomkraft den einzigen praktikablen Weg dar, um zu verhindern, dass der Klimawandel katastrophale Ausmaße annimmt. Andere sehen den Schritt ins Ungewisse, der unbeabsichtigte, aber auch unvermeidliche Folgen für die Ärmsten dieser Welt haben wird.

Da aber alle Versuche scheitern, die globalen CO2-Emissionen stark genug zu reduzieren, verbünden sich Forscher, Universitäten und Unternehmen, patentieren Ideen und drängen Regierungen und Vereinte Nationen zur Unterstützung von Experimenten, die den ersten Schritt hin zu einer breiten Anwendung verschiedener Technologien darstellen.

Es gibt inzwischen Hunderte von Gruppen und Institutionen, die solche Experimente durchführen wollen. Man kann sie grob in zwei Lager aufteilen: Die einen wollen Treibhausgase aus der Luft einfangen und sie unter der Erde lagern; die anderen wollen die Erde abkühlen, indem sie Sonnenlicht reflektieren. Jeden Monat gibt es neue Ideen, das Problem auf technischem Wege zu lösen (siehe dazu auch den Kasten): mit künstlichen Bäumen; mit Silberionid, das auf Wolken geschossen wird, um Regen zu erzeugen; mit genmanipuliertem Getreide, das besonders blass ist und mehr Sonnenlicht zurück ins All wirft; mit Eisen-Dünger im Ozean, der die Menge an Phytoplankton erhöht; mit Aerosol in der Stratosphäre, das das Sonnenlicht umlenkt; mit in weißem Plastik ausgelegten Wüsten, die ebenfalls das Licht reflektieren sollen. Das steckt auch hinter der Idee, Städte und Straßen weiß anzustreichen. Es gibt Vorschläge, eine Flotte unbemannter Schiffe loszuschicken, um Meerwasser in die Atomsphäre zu sprühen, damit die Wolken dicker werden, was wieder mehr Licht abschirmt. Am absurdesten ist die Idee, Billionen winziger Spiegel in den Weltraum zu schießen, um ein 100.000 Meilen breites „Sonnensegel“ für die Erde zu errichten.

400 Millionen von Bill Gates

Die meisten dieser Vorschläge dürfte niemand je ernsthaft in Erwägung ziehen. Einige aber werden stark von Unternehmen und Geschäftsleuten beworben. Untersuchungen der internationalen Watchdog-Gruppe ETC zeigen, dass mindestens 27 Patente vergeben wurden, unter anderem an Bill Gates, Dupont, die US-Regierung und verschiedene Unternehmen. „Wenn Geo-Engineering-Technologien den Schritt zu ihrer tatsächlichen Anwendung machen, könnte die Existenz von Patenten dazu führen, dass Entscheidungen, die das Klima betreffen, in private Hände gegeben werden“, sagt Diana Bronson von ETC.

Während viele Umweltschutzgruppen und Entwicklungsländer diese Ideen ablehnen, erhalten die Befürworter zunehmend Unterstützung aus Ländern wie Großbritannien und den USA, und von Geschäftsleuten wie Richard Branson. In einer denkwürdigen Allianz teilen marktliberale Umweltschützer wie der Brite Mark Lynas, der US-Amerikaner Stewart Brand und der Däne Bjørn Lomborg die Einschätzung von Politikern der amerikanischen Konservativen und verschiedener Think Tanks, Geo-Engineering sei ein Schritt nach vorn. Die Neu-Einrichtung der Erde – sei es um des Überlebens der Menschheit oder um des Profits Willen – ist für sie nur ein weiterer Schritt auf dem Weg, den wir seit Jahrhunderten beschreiten. Dabei hat eben dieser Weg – mit der Abholzung des größten Teils der Wälder, der Nutzung der Savannen, der Teilung und Eindämmung von Flüssen und der Plünderung der Meere – uns überhaupt erst in den Schlamassel gebracht.

Da die großen Forschungseinrichtungen aber zögern, Geld ins Geo-Engineering zu stecken, bleibt das Feld den Unternehmern überlassen. Bill Gates hat 400 Millionen Dollar in zwei Projekte investiert. Sie werden von Leuten betrieben, die die Entstehung von Hurrikanen verhindern wollen, indem sie warmes Wasser von der Meeresoberfläche mit kaltem Wasser aus großer Tiefe mischen. Richard Bransons „Carbon War Room“ fördert Technologien zum Einfangen und zur Speicherung von CO2.

Das umstrittenste Projekt ist ein künstlicher „Mini-Vulkan“, der das Sonnenlicht dämpfen und so die Temperatur drosseln soll: Inspiriert von echten Vulkanen, die ihre Asche bis in die Atmosphäre schleudern und erheblichen Einfluss auf das Klima nehmen können, wollen britische Wissenschaftler ein riesiges Ballonsystem 20 bis 25 Kilometer hoch in die Stratosphäre schicken, um Millionen von Sulfat-Partikeln zu versprühen. Der Prototyp wird allerdings erst einmal einen Kilometer hochsteigen. Ähnliche Versuche werden in Kalifornien unternommen.

Unabsehbare Folgen

Kritiker sind entsetzt. Sie warnen, die Trübung des Sonnenlichts könne zu Ozonschwund, verringertem Pflanzenwachstum und erhöhter Feuchtigkeit in der Atmosphäre führen. Außerdem würden auf die Erde herabrieselnde Partikel womöglich Schaden anrichten. „Wir wissen einfach nicht, wie wir eine Technologie von planetenweiten Ausmaßen wieder zurückrufen, wenn sie erst einmal losgelassen ist. Technologien, die die chemische Zusammensetzung der Stratosphäre oder der Meere verändern, haben mit großer Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigte Konsequenzen und in verschiedenen Regionen der Erde unterschiedliche Auswirkungen“, sagt Pat Mooney vom ETC. Doch obwohl die Forscher uneins über das globale Geo-Engineering sind, so stimmen sie darin überein, dass die Möglichkeiten weiter erforscht werden müssen – und sei es, um zu zeigen, dass die Vorschläge alle nichts taugen.


Im Hintergrund steht das Militär bereit. Der US-Historiker James Fleming glaubt, dass die Kontrolle des Klimas dem Militär Vorteile verschaffen könne, da es versuche, jede Technologie zu einer Waffe zu machen und Wissenschaftlern viele Ressourcen zur Verfügung stelle. Und neben indigenen Völkern und Bauernverbänden werden vor allem die Regierungen armer Länder gegen das Geo-Engineering Widerstand leisten. Vor zwei Jahren haben alle Nationen mit Ausnahme der USA ein de facto-Moratorium für Geo-Engineering-Projekte und Experimente vereinbart. Die Bedenken richten sich nicht nur gegen die unabsehbaren Folgen: Es herrscht großes Misstrauen, dass eine derart vom Westen bzw. Norden betriebene technische Lösung des Klimaproblems fair und gerecht ausfallen wird. Kürzlich haben 160 Organisationen aus der ganzen Welt einen offenen Brief an den Vorsitzenden des Weltklimarates IPPC, Rajendra Pachauri, geschickt, nachdem der Rat ein Treffen von Geo-Ingenieuren in ­Perus Hauptstadt Lima veranstaltet hatte.

„Geo-Engineering stellt für den ganzen Planeten eine zu große Gefahr dar, als dass es den Händen einer Gruppe sogenannter Experten überlassen werden könnte“, warnten sie. „Das IPCC hat uns versichert, in dieser Sache mit Bedacht vorzugehen. Wir werden die Entwicklung genau verfolgen.“

Ein bisschen Dreck, ein wenig Asche: die staubigen Tricks der Geo-Ingenieure


Die Methoden des Geo-Engineering sind keineswegs alle völlig neu: Einige Verfahren befinden sich seit vielen Jahren in der Entwicklung, einige werden schon seit Jahren erprobt. Fast immer stammen die Vorbilder aus der Natur auch wenn es nicht immer offenkundig ist.


Der künstliche Baum etwa, ein unattraktives, matratzengroßes Plastikmodul auf Stelzen, ist weder grün, noch hat er Wurzeln oder betreibt Photosynthese. Aber er nimmt wie ein Baum CO2 auf: Der Spezialkunststoff ist wie bei einer Tanne zu Nadeln geformt, damit die Oberfläche möglichst groß wird. Wenn die Luft darüberstreicht, bindet das Harz das CO2 aber nicht so fest, dass es nicht wieder herausgelöst werden könnte. Ein ähnliches Verfahren bindet das saure CO2 in alkalischer Lauge, die mit Kalk zu Kalziumkarbonat verfestigt wird. Auch hier lässt sich das CO2 wieder befreien, es kann für 100 Dollar je Tonne Gas verflüssigt und unter der Erde versenkt werden, fast wie beim etwas billigeren Carbon Capture and Storage (CCS) in Kraftwerken, das künftig in Kohlekraftwerken sauberen Strom gewährleisten soll sofern sich Lager für die CO2-Verpressung finden lassen.


Die Eisendüngung der Ozeane soll prinzipiell ähnlich funktionieren, allerdings sind hier echte Lebewesen am Werk: Eisensulfat regt Phytoplankton zum Wachstum an. Beobachten lässt sich das auch, wenn Wüstensand über starke Winde ins Meer geweht wird. Für die Düngung kippen Forscher Tonnen Eisensulfat ins Wasser, das dann quasi aufblüht und durch Photosynthese große Mengen CO2 aus der Luft bindet bis das Plankton stirbt und das Treibhausgas mit sich in die Tiefe zieht. Das zumindest war die Idee. Wie sich nach vielen Versuchen im Südpolarmeer kürzlich zeigte, lockt die Algenblüte aber ziemlich viele hungrige Kleinkrebse an, die das Gros der Algen fressen, bevor es gen Meeresboden sinken kann.


Mit Landpflanzen passiert das nicht so leicht, dafür wachsen sie langsamer und haben sich unter Geo-Ingenieuren als Sonnenreflektor etabliert, der das wärmende Licht zurück ins All wirft. Wie gut eine Pflanze das kann, hängt nicht nur von ihrer Farbe ab (je heller, desto besser), sondern auch von der Anordnung und Beschaffenheit ihrer Blätter. Wachsige Oberflächen mit feinen Härchen reflektieren das Licht besonders gut. Forscher glauben, dass bereits die Auswahl besonders geeigneter Getreidesorten einen erheblichen Effekt auf den Klimawandel haben könnte der sich dann, falls es nicht reicht, durch Genmanipulation noch verstärken ließe. zint


John Vidal ist langjähriger Umweltkorrespondent des britischen Guardian


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Übersetzung der gekürzten Fassung: Holger Hutt
Geschrieben von

John Vidal | The Guardian

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