Bei einer Vorführung von Cry Freedom, einem Film über Steve Biko, sagte 1987 ein schwarzer TV-Moderator zu mir: „Der Himmel bewahre uns vor weißen Linksliberalen.“ Dieser Stoßseufzer schoss mir durch den Kopf, als ich Kathryn Bigelows neuen Film Detroit sah.
Die US-Regisseurin (The Hurt Locker, Zero Dark Thirty) nimmt die Detroiter race riots von 1967, um die aktuellen Probleme mit Rassismus in den USA zu simplifizieren. Mit ihrem Drehbuchautor Mark Boal präsentiert sie die Tragödie als Palette von Opfern und Tätern, wobei sie sich auf eine Episode extremer Polizeigewalt konzentriert. Vom Makrokosmos zum Mikrokosmos – das macht den Film typisch dafür, wie progressive Medienleute die ethnischen Beziehungen in den USA betrachten: Sie idealisieren Unglück und vereinnahmen schwarzes Leid, wobei ihr eigentliches Interesse ist, sentimentales Mitgefühl zu demonstrieren. (Ich begrüße Bigelows Ausdruck, aber sie hat bessere Filme gemacht, als sie weniger ernst war.)
Detroit ist die halbgare Erklärung für die Unruhen, die 43 Todesopfer forderten, 100 Millionen Dollar an Immobilienwerten zerstörten und für Amerikas fünftgrößte Stadt eine nicht endende Abwärtsspirale einleiteten. Bigelow folgt der trendy Idee, dass jedes Gesellschaftsereignis in den 1960er Jahren als Parallele zu gesellschaftlichen Ängsten heute dienen kann.
Detroit wird mit Ferguson gleichgesetzt, wo 2014 der afroamerikanische Schüler Michael Brown von einem Polizisten erschossen wurde. Transportiert wird die Illusion eines naiven Kriegers für soziale Gerechtigkeit mit der Überzeugung, dass Polizeieinsätze die Wurzel heutiger Ungleichheiten sind. (Die Werbekampagne für Detroit zeigt eine Gruppe wütender Schwarzer, die weißen Polizisten in Kampfanzügen gegenübersteht. Der Slogan: „Das ist Amerika“.) Solche Propaganda – hier ein Werbe-Meme – verzerrt Geschichte, um einer liberalen Fantasie gerecht zu werden, in der Afroamerikaner dem herablassenden Mitleid der Weißen zu Dank verpflichtet bleiben.
Der Aufstand wird vermarktet
Bigelows oberflächlicher Ansatz zeigt sich schon im Epigraf, der Detroit 1967 als „überfülltes“ Ghetto beschreibt – ein Sozialarbeiterklischee, das die Fortschritte unterschlägt, die Afroamerikaner damals vorweisen konnten, auch wenn die Lage nicht perfekt war. Am Anfang bieten animierte Bilder von Gemälden aus Jacob Lawrences Migration Series einen Anflug kultureller Authentizität. Lawrences Kunst gab der Sehnsucht Ausdruck, die Sklaverei hinter sich zu lassen, die die Landbevölkerung in die Industriestädte getrieben hatte (von der Armut zur potenziellen Arbeiterklasse) und den Norden der USA transformierte.
Aber nachdem Bigelow ihre Kunstkenntnis demonstriert hat, zeigt sie nur noch pseudopolitisches Bewusstsein: Ihre Version der Unruhen eifert der Unmittelbarkeit von Die Schlacht um Algier (1966) nach, einem von Marx und Fanon inspirierten Film über den Kampf gegen den Kolonialismus. Wirkt wie ein cleverer Bezug, nur dass die Detroiter Unruhen keine aktive Revolution waren. Tod und Zerstörung so zu romantisieren und zu sentimentalisieren ist Teil einer tief verwurzelten (fast psychotischen) linksliberalen Vorstellung.
Nach dem quasi-dokumentarischen Einstieg (inklusive News-Material) konzentriert sich die Regisseurin fast eine Stunde lang auf eine umstrittene Episode, bei der verschiedene Bürger, Polizisten und das Militär an einem Ort eingeschlossen waren, der symbolisch zum Schnellkochtopf für die amerikanischen Konflikte wird. Drei weiße Polizisten drangsalieren und foltern zehn schwarze Männer und zwei weiße Frauen (am Ende sind drei Menschen tot) in einem Detroiter Motel, ein Vorfall, über den John Hersey in dem Buch The Algiers Motel Incident berichtet hat.
Dabei kanalisiert Bigelow ihre Beunruhigung in eine überzogene Exploitationfilm-Szene (inklusive weiblicher Nacktaufnahme). Die verwirrende, unlogische Form der nicht enden wollenden Sequenz unterstreicht die Unwahrscheinlichkeit der dramatischen Handlung: Weder wird Motivation ausreichend etabliert noch Persönlichkeit verständlich.
Detroit gibt sich mit rassistischen Stereotypen zufrieden. Einem wahnsinnigen weißen Polizisten (Will Poulter) steht der schwarze, gut handelnde Security-Mitarbeiter (John Boyega) gegenüber. Dabei begibt sich Bigelow niemals ins Bewusstsein des guten Samariters, der während des langen Gewaltausbruchs unerklärlich viel freie Hand hat. Genauso wenig durchdringt sie das Innenleben des Täters, der lediglich als der verschwitzteste Weiße nördlich der Mason-Dixon-Linie daherkommt.
Der Hauptteil des Films fühlt sich schmutzig an, nicht existenziell, als wäre man in einem Sex-und-Gewalt-Thriller gefangen. Die Fantasie der Gleichsetzung von Rassismus mit einem allgemeinen Albtraum bringt nicht weiter. Nichts, was in der höllengleichen Filmsequenz gezeigt wird (oder später im unnötigen Gerichtsprozess, der die Cops freispricht), deutet auf den Siedepunkt gesellschaftlicher Frustration, von dem Spike Lee in Do the Right Thing (1989) erzählt hat. Leidvolle amerikanische Geschichte auf ein Opfer-Verbrecher-Schema zu reduzieren ist belanglos.
Wie der von Boyega gespielte Held, der als ineffektiver Augenzeuge seine Nase in alles steckt, zeugt Detroit von einem falsch verstandenen Humanismus; der Aufstand wird vermarktet. Der Brutalisierung von Schwarzen zuzuschauen scheint ein verzerrtes linksliberales Bedürfnis nach Mitleidhaben zu befriedigen.
Info
Detroit Kathryn Bigelow USA 2017, 143 Minuten
©2017 National Review. Gekürzter Nachdruck. Mit freundlicher Genehmigung.
Übersetzung: Carola Torti
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