Mächtige Menschen haben etwas entwaffnend Einnehmendes. Ich meine die wirklich mächtigen, die über den Einmarsch im Irak oder die Rettung der Banken entschieden. Sie entwaffnen sich sogar gegenseitig. Ich war bislang zweimal zu Gast bei Start the Week auf Radio 4, einer sehr renommierten Radio-Talkshow in Großbritannien und jedes Mal verblüffte mich die kollegiale Atmosphäre, die dort herrschte.
Dieselben Leute, die in der Sendung mit harten Bandagen aufeinander losgehen, sind bei einem Kaffee und einem Croissant voller Mitgefühl füreinander. „Weißt Du, wie es dem alten Gordon geht?“; fragen sie einander. „Ich hab schon seit Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen.“ Oder sie sagen Dinge wie: „Nun, zumindest hält Obama sich an unsere Abmachungen, das ist schon mehr als man von Clinton je behaupten konnte.“
Moderator Andrew Marr scheint sich in dieser Welt wohl zu fühlen und Spaß daran zu haben, Geschichten über Gespräche mit Premierministern und Präsidenten auszutauschen. Die Politiker fühlen, dass Marr einer von ihnen ist und sie ihm erzählen können, was wirklich gespielt wird.
In meinem Beruf ist es ähnlich. Es gibt eine bestimmte Verbundenheit unter Stückeschreibern. Ich vermute das liegt daran, dass wir einem so seltsamen Beruf nachgehen: Wir werden dafür bezahlt, Leuten Worte in den Mund zu legen, die so tun, als wären sie jemand anderes. Da wir die gleichen Sorgen haben – einen guten Regisseur finden, mit Theaterleitungen verhandeln, sich mit Kritikern herumschlagen – , haben wir mehr gemeinsam, als unsere Stücke vermuten lassen.
Ein Land zu regieren muss auch ein seltsamer Job sein, und eine sehr einsame Sache obendrein. Da muss es geradezu eine Wohltat sein, mal einen anderen Staatenlenker zu treffen, ganz egal, für welche Politik der steht.
"Von meiner Frau kriege ich Schlimmeres zu hören"
Es ist nicht leicht, jemanden am Frühstückstisch zur Rede zu stellen. Einmal saß ich vor der Sendung Start the Week mit Jonathan Powell zusammen, dem damaligen Stabschef Tony Blairs und Befürworter der Irak-Invasion. Ich war eingeladen worden, um über meine Kriegs-Stücke Shoot, Get Treasure und Repeat zu sprechen. „Ich habe Ihre Stücke gelesen“, sagte Powell mit einer Spur von Herablassung. „Dann wissen Sie ja vermutlich, dass ich gegen den Krieg bin“; erwiderte ich. „Oh, machen Sie sich keine Sorgen“, sagte er mit einem Lächeln. „Da kriege ich zuhause von meiner Frau wesentlich Schlimmeres zu hören.“
Dann ging er seelenruhig ins Studio und erklärte, warum er im Recht sei. Ich schätze, ich hätte ihn mit grüner Grütze bewerfen sollen. Stattdessen saß ich die ganze Sendung lang neben ihm und schüttelte ihm am Ende auch noch die Hand. Ich bin mir sicher, dass jeder solche kleinen Akte des Selbstbetruges kennt, aber ich fühlte mich noch wochenlang schlecht.
Der Reiz von Start The Week besteht darin, dass das Publikum sich als Teil des Clubs betrachten kann, die Zuhörer das Gefühl haben, mit am Tisch zu sitzen, wenn die Mächtigen sich unterhalten. Ich selbst bin mir nie so ganz sicher, welches mein Platz in dieser Konstellation ist. Vergangene Woche war ich gemeinsam mit den amerikanischen Politikstrategen Stan Greenberg auf Sendung, der von seiner Beratertätigkeit für Nelson Mandela und Bill Clinton erzählte. Ein anderer Gast, Lord Malloch Brown, der Minister für Afrika, Asien und die UN ist, sprach über den G20-Gipfel, bei dem die politischen Führer der Welt sich noch einmal daran machen werden, den Kapitalismus zu retten.
Grüne Grütze auf die richtigen Leute werfen
Ich für meinen Teil kam gerade von den Proben zum meinem neuen Stück Over There, bei dem zwei 24-jährige Zwillinge einander mit Ketchup bewerfen und fragte mich: „Was mache ich eigentlich hier?“ Als der Moderator mich vorstellte, meinte ich dabei ein leises Lachen herauszuhören. Ich war der letzte Gast. War ich das „Light Relief“, etwas Leichtes zum Schluss, die kuriose Meldung mit Unterhaltungswert, der Gast, den man mit den Worten „und zu guter Letzt...“ ankündigt?
Irgendwie wünschte ich mir, ich würde nicht Theaterstücke schreiben, sondern wäre auch Teil des Clubs der Mächtigen. Andererseits ist die Tätigkeit eines Bühnenautors in vielerlei Hinsicht wichtiger als die eines Politikers. Als Dramaturg schreibt man nicht nur. Dieser Teil der Arbeit nimmt oft nur wenige Wochen in Anspruch. Sehr viel Zeit verbringt man hingegen damit, über das Verhalten der Menschen nachzudenken, über ihr Zusammenleben und darüber, wie sie es vielleicht besser gestalten könnten – und darüber, zu welchen Grausamkeiten sie fähig sind.
Dramatiker loten ständig Sprache, Zeit und Raum aus, um die Möglichkeiten menschlichen Erfahrens zu erweitern. Politiker sind mit dem pragmatischen Geschäft des Regierens der Welt befasst, während Künstler sich auf die Suche nach neuen Einblicken in unsere Existenz begeben. Die Ergebnisse sind oft schwach oder schwachsinnig – einige aber sind visionär. Deshalb wünschte ich, ich könnte das Gefühl abschütteln, bei Start of The Week das Leichtgewicht unter den Gästen zu sein. Und ich wünschte, ich wäre tapfer genug, grüne Grütze auf die richtigen Leute zu werfen.
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