Heftige Pendelschläge

USA Donald Trump hat entschieden: Das Repräsentantenhaus soll über ein Gesetz zur Gesundheitsreform abstimmen, sonst werde Obamacare beibehalten
Es geht einfach nicht vorwärts wie erwünscht
Es geht einfach nicht vorwärts wie erwünscht

Foto Jim Watson / AFP - Getty Images

Trumps Haushaltschef Mick Mulvaney soll vor den versammelten republikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses gesagt haben: Stimmt jetzt ab oder die Chance, Obamacare zu ersetzen, ist vertan.

Man rechnet nun mit einem Votum am späten Nachmittag, nachdem eine ursprünglich für Donnerstag geplante Abstimmung verschoben werden musste. Dabei war bisher keineswegs klar, ob die republikanische Führungsriege oder der Präsident selbst genügend skeptische Republikaner überzeugen konnten, um zu gewährleisten, dass das Gesetz angenommen wird.

Nachdem die Republikaner jahrelang versprochen haben, Barack Obamas Affordable Care Act (ACA) „aufzuheben und zu ersetzen“, kann das Beharren auf einer sofortigen Abstimmung auf eine dramatische Niederlage für Paul Ryan, den Sprecher des Repräsentantenhauses und – je nachdem, wie die Aktion letztlich bei den Wählern ankommt – , auch den Präsidenten selbst hinauslaufen.

Allerdings haben in den zurückliegenden Tagen einige Mitglieder des Repräsentantenhauses ihre Position bezüglich des inzwischen stellenweise modifizierten Gesetzesentwurfes geändert. Somit besteht durchaus die Chance, dass das Gesetz angenommen wird – wenn auch mit sehr knapper Mehrheit. Viel gewonnen ist damit freilich nicht, denn nach dem Repräsentantenhaus wird das Gesetzesprojekt in den Senat weiterwandern. Dort zeichnen sich weitere Änderungen ab und ebenfalls keine klaren Mehrheiten ab.

Hardliner und Moderate

Zuvor hatten sich am Donnerstag Mitglieder sowohl des Freedom Caucus, einer Gruppe republikanischer Hardliner, als auch der moderaten Tuesday Group im Weißen Haus eingefunden. Hier versuchte Trump persönlich, sie von dem durch Ryan vorgestellten Plan zu überzeugen.

Die Moderaten wiederum hatten Einwände gegen in letzter Minute hinzugefügte Ergänzungen erhoben, deren Ziel die Abschaffung des Medicaid-Programms zur medizinischen Versorgung von Geringverdienern, Kindern, Senioren und Behinderten ist.

Noch misstrauischer stehen die Moderaten dem Versuch des Freedom Caucus gegenüber, die sogenannten »essential benefits« abzuschaffen. Es handelt sich dabei um Leistungen in zehn verschiedenen Bereichen der Gesundheitsfür- und vorsorge, die die Versicherungsfirmen abdecken müssen.

Die Konservativen hingegen stießen sich vorrangig an allen Regelungen, die nicht die vollständige Abschaffung aller Maßnahmen der großen Gesundheitsreform von 2010 vorsehen.

Sternstunde der Toptalente

Somit befinden sich die Republikaner mit ihrem Wahlkampfversprechen, »Obamacare abschaffen und ersetzen«, über dessen genaue Bedeutung sie nie einen Konsens erreicht haben, in einer völlig festgefahrenen Situation.

Während die Freedom Caucus-Gruppe und die Tuesday Group versuchten, eine Zusammenkunft für Donnerstagabend zu arrangieren, gelangte eine Entwurf zu einer Gesetzesänderung an die Öffentlichkeit, der die Forderungen des Freedom Caucus zusammenfasst. Dazu zählen: Eine Abschaffung der in Obamacare vorgeschriebenen »essential health benefits«, eine Rücknahme das Verbots von jährlichen oder auf die gesamte Lebensdauer der Versicherten bezogenen Leistungsobergrenzen und die Abschaffung von Regelungen zur Begrenzung von nicht erstattungsfähigen Kosten für Präventionsmaßnahmen wie Mammographien.

Das Weiße Haus hat politische Toptalente, mit denen vor vier Monaten der große Wahlsieg gelungen ist, in Marsch gesetzt. Chefstratege Steve Bannon, Präsidentenberaterin Kellyanne Conway und Reince Priebus, Stabschef des Präsidenten, treffen sich mit republikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses und sollen Donald Trump vor einer Blamage bewahren, die für ihn eine mittelschwere politische Katastrophe wäre.

Übersetzung Zilla Hofman

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Geschrieben von

Ben Jacobs, Lauren Gambino | The Guardian

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