Wie William Hazlitt es einmal formuliert hat: Uns bereitet „der geringfügigste Schmerz im kleinen Finger mehr Sorgen als die Ermordung von Millionen unserer Mitmenschen“. Auch wenn er damit um der Wirkung Willen ein wenig übertrieben haben dürfte, so hätte es ihn doch bestimmt nicht überrascht, dass die britischen Medien den vorzeitig abgebrochenen Strandurlauben in Hammamet mehr Aufmerksamkeit schenkten als dem demokratischen Aufblühen der tunesischen Bevölkerung.
Natürlich muss es beängstigend sein, sich inmitten einer Revolution wiederzufinden, aber in den Berichten der Urlauber schwingt schon mehr als nur ein Hauch von Xenophobie mit, wenn sie erzählen, die Demonstranten würden, „nach allem, was wir wissen, Mä
erzählen, die Demonstranten würden, „nach allem, was wir wissen, Mädchen vergewaltigen“. In Großbritannien wies die Vereinigung der Reiseveranstalter, die wohl kaum verdächtig ist, aus einer Bande abenteuerlustiger Draufgänger zu bestehen, darauf hin, dass keine britischen Touristen angegriffen worden seien und dies auch nicht zu erwarten sei. Wir sollten also nicht herumjammern, dass die Tunesier so vielen europäischen Touristen deren idyllischen All-Inclusive-Urlaub im Polizeistaat verdorben haben und zu Tausenden ihr Leben riskierten, um einen Despoten zu Fall zu bringen, wie Mona Eltahawy es im Guardian formulierte.Diktatur oder Strandurlaub?Ich gebe zu, dass mich angesichts dieser Worte ein leichtes Unbehangen beschleicht, da ich selbst schon in Tunesien Urlaub gemacht habe, ohne viele Gedanken daran verschwendet zu haben, ob es sich hier um eine Diktatur handelt oder nicht. Ich denke, dass von den Hunderttausenden von Briten, die das Land jedes Jahr besuchen, das nur wenige taten. Zum Teil aufgrund unserer relativen Unwissenheit über die frankophone Welt, auch wenn sie nur einen kurzen, billigen Flug weit entfernt liegt. Und während Marokko und Ägypten im Tourismusgeschäft ihre exotische Besonderheit herausstellen, bewerben die großen tunesischen Reiseunternehmen ihr Land in erster Linie als Strandparadies.Im Demokratie-Index 2010 des Economist rangiert das Land unter 165 Ländern auf Platz 145 und liegt damit hinter Ländern wie dem Kongo oder Aserbaidschan. Auch das gleichermaßen beliebte Urlaubsland Ägypten findet sich auf den hinteren Plätzen des Rankings wieder.Sollten Touristen sich also über die politische Landschaft ihres Urlaubslandes informieren? Und wenn ja, sollten sie gegebenenfalls Konsequenzen ziehen und von der Reise Abstand nehmen? Nur selten bricht die Realität in den Strandurlaub ein und angesichts der Schlagzeilen, für die ein einziger Hai vor der Küste von Sharm el-Scheich sorgen kann, sind nur wenige Badeorte, die auf das Geld der Touristen angewiesen sind, scharf darauf, dass ihre Idylle von zuviel Wirklichkeit gestört wird. Wenn die Leute wegen Sonne und Strand kommen, erscheint die politische Landkarte mehr oder weniger bedeutungslos. Große Feriendomizile sind mehr oder weniger von ihrer Umgebung abgeschottet – entweder, weil die Einheimischen sie sich schlicht nicht leisten können, sie physisch eingezäunt sind und bewacht werden wie in weiten Teilen der Karibik, oder ausdrücklich einen Sonderbereich darstellen, wie die Wirtschaftsenklave Varadero auf Kuba oder die Hotels im Nahen Osten, die die Lizenz bezitzen, Alkohol auszuschenken."Mehr Gutes als Schlechtes"Selbst für diejenigen, die Werbung für eine andere Art des Urlaubens machen, wie einer der Pioniere des ethischen oder verantwortungsvollen Tourismus, responsibletravel.com, ist die politische Botschaft, die damit verbunden sein könnte, ein relativ untergeordnetes Thema – für manche spiele dies bei der Wahl ihres Urlaubszieles keine Rolle, für andere hingegen durchaus, heißt es dazu auf der Seite. Wenn man sein Geld jedoch mit Bedacht ausgebe, „wird Ihre Reise schließlich unterm Strich mehr Gutes als Schlechtes anrichten“.Tatsächlich boykottiert die Firma lediglich ein Land: Myanmar. Und auch hier gehen die Meinungen auseinander. So sind z.B. Lonely-Planet-Gründer Tony Wheeler oder Guardian-Korrespondent Jonathan Steele der Ansicht, Myanmar könnte von Besuchern profitieren und würde sich vielleicht öffnen, wie der Massentourismus dies im faschistischen Spanien unterstützt hat.Wenn der Rauch verflogen ist, werden sich die Hotels wieder öffnen. Wie die Schlagzeile auf der Internetseite der nationalen Tourismusbehörde auch heute noch sagt: „Tunesien ist voller Überraschungen ... und erstaunlicher Kontraste“. Nur wenige Urlauber, die sich gegenwärtig dort aufhalten, würden dies wohl bestreiten.