Historiker im Kassandra-Modus: Wie wurde Timothy Snyder zum Kriegsexperten?

Porträt Trump, Putin, die Ukraine: Historiker sollten eigentlich keine Prognosen treffen, doch wovor Timothy Snyder warnt, tritt regelmäßig ein. Eine Begegnung mit einem der umstrittensten Intellektuellen unserer Zeit
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 16/2023
Timothy Snyder lehrt seit 2001 an der Universität Yale. Schon als Student strebte er an, ein öffentlicher Intellektueller zu werden
Timothy Snyder lehrt seit 2001 an der Universität Yale. Schon als Student strebte er an, ein öffentlicher Intellektueller zu werden

Foto: Stefan Fürtbauer/dpa

Sieben Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fuhr der Yale-Historiker Timothy Snyder 16 Stunden lang mit dem Zug von Polen nach Kiew. Snyder kannte die Stadt gut: Er war immer wieder dort seit den frühen 1990ern, als er noch Doktorand war und die neue postsowjetische ukrainische Hauptstadt dunkel und provinziell wirkte. In den folgenden Jahrzehnten wuchs Kiew und der heute 53-jährige Snyder entwickelte sich zu einem renommierten Osteuropahistoriker. Als er im September am Bahnhof Kyjiw-Passaschyrskyj ausstieg, sah er, wie der Krieg die Stadt verändert hatte. Überall Sandsäcke, Betonbarrieren und Panzersperren, aus Hosen- und Handtaschen jaulte der Luftalarm auf den Handys.

Nicht alles war ihm fremd. Die ersten Kriegsmonate waren für die Ukra