Es ist die wichtigste Nachricht, die die Menschheit jemals erhalten hat: Das Leben auf der Erde bricht zusammen. Der umfangreichen Bestandsaufnahme des Zustands unserer natürlichen Umwelt zufolge, die vor kurzem in Gestalt des Biodiversitätsberichts der Vereinten Nationen veröffentlicht wurde, befindet sich das Leben auf unserem Planeten in einer tödlichen Abwärtsspirale. Dennoch ist es wenig überraschend, dass es der Bericht nur auf wenige Titelseiten geschafft hat. Von all den Verzerrungen, denen unsere Medien unterworfen sind und die sie selbst verursachen, ist die schwerwiegendste wohl diejenige in Hinblick auf die Relevanz: Je wichtiger das Thema, desto weniger wird es diskutiert.
Dafür gibt es einen Grund. Würden wir uns unserer misslichen Lage vollauf bewusst werden, würden wir einen Systemwechsel fordern. Ein solcher wäre aber für diejenigen, denen die Medien gehören, äußerst bedrohlich. Also zerstreuen sie uns mit Nippes wie königlichen Babys oder erbitterten Nachbarschaftsstreitigkeiten um eine Terrasse. Ich kriege oft zu hören, wir hätten die Medien, die wir verdienen. Das stimmt nicht. Wir haben die Medien, die ihre milliardenschweren Eigentümer wollen.
Die erste Pflicht eines Journalisten besteht folglich darin, Themen zu besetzen, die von den Medien vernachlässigt werden. Deshalb möchte ich Sie auf die 70 Prozent unseres Planeten aufmerksam machen, die auch in der spärlichen Berichterstattung über den UN-Biodiversitätsbericht zu kurz gekommen sind: die Meere. Hier kollabiert das Leben sogar noch schneller als an Land.Der Hauptgrund ist nicht Plastik, wie der UN-Bericht deutlich macht. Es ist weder die Verschmutzung, der Zusammenbruch des Klimas und auch nicht die Versauerung der Ozeane. Es ist der Fischfang. Da kommerziellen Fischfang den wichtigsten Faktor darstellt, ist es dementsprechend auch derjenige, über den wir am wenigsten reden.

Foto: Chris Furlong/Getty Images
Die jüngste ,Blue Planet Live‘-Serie der BBC, die peinlich darauf bedacht war, nicht mit mächtigen Interessen in Konflikt zu geraten, verkörpert diese Zurückhaltung idealtypisch. In ihr fällt kein Wort über fossile Treibstoffe oder die Plastikindustrie – und es findet sich nur ein flüchtiger Hinweis auf die Fischfangindustrie, die durch eine Kombination aus roher Macht und volkstümlicher Fantasie beschützt wird.
Welches Bild kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort „Fischer“ hören? Jemand, der aussieht wie Käptn Blaubär und auf einem kleinen roten Boot sitzend zufrieden über das Meer tuckert? Wenn dem so ist, braucht Ihre Vorstellung von der Branche dringend ein Update. Eine Greenpeace-Untersuchung aus dem vergangenen Jahr hat ergeben, dass sich 29 % der Fischfangquote Großbritanniens im Besitz von fünf Familien befinden, die alle auf der Reichenliste der Sunday Times zu finden sind. Ein einziger multinationaler niederländischer Konzern, der ein riesiges Fangschiff betreibt, hält weitere 24 % der englischen Quote. Die kleinsten Boote – die weniger als zehn Meter lang sind– stellen 79 % der Flotte, dürfen aber lediglich 2 % der Fische fangen.
Dasselbe gilt weltweit. Riesige Schiffe aus den reichen Ländern des Nordens fegen die Fischbestände rund um die armen Länder leer und berauben so Hundertmillionen ihrer wichtigsten Proteinquelle – während sie gleichzeitig Haie, Thunfische, Schildkröten, Albatrosse, Delphine und einen Großteil des restlichen Lebens in den Meeren auslöschen. Die Küstenfischerei hat sogar noch größere Auswirkungen, da Fische und Garnelen häufig mit dem gesamten Ökosystem gefüttert werden. Trawler baggern wahllos alles aus und zerdrücken es zu Fischmehl.
Das Meer ist rechtsfreier Raum
Die Hohe See – mit anderen Worte das Meer jenseits der 200-Meilen-Ländergrenzen – ist quasi ein rechtsfreier Raum. Hier werden 120 Kilometer lange Leien ausgelegt, an denen unzählige Köderhaken befestigt sind. Mit ihnen wird schonungslos der Bestand an Raubfischen und allen anderen Tieren ausgebeutet, die sich in die Haken verbeißen. Doch auch die Küstenfischerei wird durch eine Kombination aus laxen Regeln und dem katastrophalen Versäumnis, selbst diese konsequent durchzusetzen, katastrophal gemanagt.
Ein paar Jahre lang haben sich die Kabeljau- und Makrelenbestände in den Gewässern um das Vereinigte Königreich erholt und man sagte uns, wir könnten sie wieder mit gutem Gewissen essen. Beide Bestände sind jedoch wieder stark zurückgegangen. Junge Kabeljaue werden im industriellen Maßstab illegal entsorgt (über Bord geworfen), so dass der legale Fang in den britischen Meeren wahrscheinlich um etwa ein Drittel überschritten wird. Die Makrele in diesen Gewässern hat dank der kaum regulierten Gier der Fischerei vor einigen Wochen ihr Öko-Label verloren.
Die englische Regierung behauptet, dass 36 % der Gewässer als „Meeresschutzgebiete" (MPAs) geschützt sind. Aber dieser Schutz bedeutet nichts weiter als Linien auf der Karte. Die kommerzielle Fischerei ist von weniger als 0,1 % dieser gefälschten Reservate ausgeschlossen. Einem kürzlich in der Zeitschrift Science veröffentlichten Paper zufolge ist die Intensität des Schleppnetzfangs in europäischen Schutzgebieten sogar höher als an ungeschützten Orten. Diese Schutzgebiete sind eine totale Farce. Ihr einziger Zweck besteht darin, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass etwas getan wird.

Foto: Chris Furlong/Getty Images
Manch einer hatte vielleicht gehofft, dass in Anbetracht des Versagens der EU der Brexit eine Gelegenheit bieten würde, es besser zu machen. Dem ist so, doch die Gelegenheit wird nicht ergriffen. Im Gegenteil. Während die EU ab dem kommenden Jahr eine gesetzliche Verpflichtung einführen wird, um zu verhindern, dass irgendeine Fischart über ihre Ersatzquote hinaus gefangen wird, enthält das Fischereigesetz des Vereinigten Königreiches keine solche Sicherheit. Es gibt keine Pläne, die „geschützten Gebiete“ in – nun ja – „geschützte Gebiete“ zu verwandeln. So ist es wahrscheinlich, dass die Plünderung unserer Meere sogar noch weiter zunimmt.
Was all dies so frustrierend macht, ist, dass eine Regulierung der Fischindustrie nicht viel kosten würde und einfach zu bewerkstelligen wäre. Wenn der kommerzielle Fischfang aus weiten Teilen des Meeres ausgeschlossen würde, würde die Gesamtfangquote aufgrund des von Biologen sogenannten Spillover-Effekts paradoxerweise sogar ansteigen. Fische und Muscheln brüten und vermehren sich in den Reservaten so gut, dass sich die Bestände dann auf die umliegenden Gewässer ausbreiten. Wo die Meere in anderen Teilen der Welt geschützt wurden, sind die Fangmengen dramatisch gestiegen. Wie ein Artikel in der Zeitschrift PLOS Biology zeigt, würden die Fangquoten steigen, auch wenn die Fischerei auf der gesamten Hochsee verboten wäre – wie sie es sein sollte –, da die wachsenden Bestände in nationale Gewässer wandern würden.
Es gibt keinen Fisch, den man beruhigt essen kann
Auch die Durchsetzung der Vorschriften wäre nicht schwierig. Wie der World Wide Fund for Nature gezeigt hat, würde es nur fünf Millionen Pfund kosten, alle Boote mit einer Länge von mehr als 10 Metern, die in britischen Gewässern fischen, mit Fernüberwachungsgeräten auszustatten. Kameras und Sensoren würden aufzeichnen, was die Boote wo fangen, wodurch illegales Fischen unmöglich gemacht werden würde. Der Einbau dieser Ausrüstung ist jedoch freiwillig. Mit anderen Worten: Es ist zwar vorgeschrieben, sich an das Gesetz zu halten, um Rückwürfe, ein Überschreiten der Quote und den Fang in Sperrzonen zu verhindern, aber es ist freiwillig, die Ausrüstung einzubauen, die anzeigt, ob sich die Fischer an das Gesetz halten oder nicht. Es überrascht nicht, dass weniger als 1 % der Schiffe zugestimmt haben, diese Kontrollinstrumente mitzuführen. Ist es angesichts der enormen Gewinne, die sich durch Sparmaßnahmen erzielen lassen, ein Wunder, dass diese Industrie die Fischbestände – und die von ihnen unterstützten lebenden Systeme – immer weiter in den Zusammenbruch treibt?
Es gibt fast keinen Fisch oder Schalentiere, die wir sicher essen können. Jüngste Skandale deuten darauf hin, dass selbst das Label des Marine Stewardship Council, das uns bezüglich des von uns gekauften Fisches beruhigen soll, keine Garantie für eine gute Praxis ist. So hat der Rat beispielsweise den Thunfischfang zertifiziert, bei dem auch gefährdete Haie gefangen wurden, und in britischen Gewässern die Ausbaggerung von Jakobsmuscheln genehmigt, die den Meeresboden in Stücke reißt.
Solange die Fischerei nicht ordnungsgemäß geregelt und eingedämmt ist, sollten wir unsere Zustimmung verweigern. Vermeiden Sie auf jeden Fall Plastiktüten, aber wenn Sie wirklich etwas bewirken wollen: hören Sie auf, Fisch zu essen!
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.