Ich baue mir ein Schloss

Online-Monopoly Seit Mittwoch können Spieler der Online-Version von Monopoly weltweit Straßen kaufen und Gebäude aller Art errichten. Google-Maps zeigt das virtuelle Ergebnis. Cool?

Das letzte Mal habe ich vor über einem Jahr Monopoly gespielt – mit meiner Schwester, ihrem Freund und ein paar Bekannten. Anfangs waren wir noch alle gut drauf, aber bald stellte sich heraus, dass der Partner meines Schwesterchens ein noch skrupelloserer Geschäftsmann ist als der Großindustrielle Cyril Sneer von den Raccoons. Die Kombination aus unersättlichem Appetit auf Besitz, einem Hang zu fiesen Steuern und - ganz besonders wichtig - der Kontrolle über die Bank führte dazu, dass ich nach circa dreißig Minuten Spielzeit rausflog – obdachlos und mit komplett leeren Taschen.

Heute Morgen, beim Spielen der neuen Online-Monopoly-Version, musste ich mich dagegen nicht mit solch verbissenen Konkurrenten herumschlagen. Monopoly City Streets, eine Zusammenarbeit des Spieleherstellers Hasbro und Google Maps ist seit Mittwoch für die Dauer von vier Monaten am Start. Hier kann man theoretisch jede Straße der Welt kaufen.

Neuspieler erhalten nicht weniger als drei Millionen Monopoly-Dollar – dagegen war das 1.500-Euro-Bündel des Brettspiels gar nichts – um ihr Königreich zu errichten. Wenn Sie zuerst einsteigen, können sie eine Straße direkt kaufen. Wenn jemand anders Sie ihnen weggeschnappt hat, können Sie den Besitzer ein Angebot machen. Antwortet er nicht innerhalb von sieben Tagen, gilt das Angebot automatisch als akzeptiert, wie kläglich es auch sein mag. (Halten Sie sich an die obligatorische Empfehlung der Spielanleitung, sich auch bloß jeden Tag einzuloggen.)

Nostalgie statt Gier

Da die wichtigsten Stadtgebiete Manchesters, Birminghams und Londons schon besetzt waren, entschied ich, mich von Nostalgie statt Gier leiten zu lassen und richtete mein Augenmerk auf meine Heimatstadt Preston.

Trotz der derzeit kränkelnden Entwicklungspläne des selbsternannten Verwaltungszentrums Lancashires ergriff ich sofort die Initiative, die die realen Bauunternehmer versäumen, und schnappte mir die Fishergate, die Hauptstraße der neusten Stadt Englands. Dieser mit 1.140.000 Dollar bezahlte Grundbesitz stellte einen soliden Wert dar. Zur Feier baute ich unverzüglich einen unanständig großen Wolkenkratzer.

Mein neuer Eigentum brachte mir tägliche Mieteinnahmen in Höhe von 288.000 Dollar – in einer Variante des Online-Spieles erhält der Land- oder Immobilienbesitzer automatische Mietzahlungen und muss nicht warten, bis ein unglücklicher Pechvogel auf seine Straße kommt, um etwas einkassieren zu können. Nun wandte ich mich dem grünen Vorort Penwortham, oder „Penworthamdale“, wie das Spiel ihn zu nennen beliebt, zu.

Mit einem immensen Gefühl des Stolzes kehrte ich, der ich meine Kindheit damit verbracht hatte, auf meinem Rad die Liverpool Road in Penwortham(dale) rauf und runter zu preschen, zurück, um die Straße einfach zu kaufen und sofort den Bau eines Schlosses in Auftrag zu geben. Im echten Leben schmückt die Liverpool Road sich mit elf Friseurläden und fünf Immobilienmaklern auf 100 Metern, aber was ihr noch fehlt, ist eine befestigte Wehranlage. Doch nicht mehr lange.

So schön es auch ist, wilde und unmögliche Gebäude in vertrauten Gegenden zu bauen und sie dann im Google Map-Format angezeigt zu bekommen, könnte es doch recht öde zu werden, immer nur zu bauen und der Miete beim Hereinströmen zuzuschauen. Deshalb säht das Online-Spiel Zwietracht zwischen den Landbaronen, indem ab und an sogenannte „Chance Cards“ angeboten werden. Die ermöglichen den Spielern, die mit Liebe errichteten Bauwerke anderer Freiherren niederzureißen oder Gefängnisse sowie Kläranlagen auf die Straßen ihrer Rivalen zu setzen und so deren Mieteinnahmen zu verringern. Vielleicht gibt es hier ja doch einen Platz für den Freund meiner Schwester.

Bereit zum Abriss

Eigentlich befand ich mich gerade in ziemlich mildtätiger Stimmung, als ich eingeladen wurde, eine Konstruktion eines Mitspielers dem Erdboden gleichzumachen – wie viele Menschen sind immerhin Eigentümer eines Schlosses? Zu Recherchezwecken zerstörte ich dann doch ein prachtvolles Anwesen im Wert von 15 Millionen Monopoly-Dollar, das ein mir einstmals wohlgesinnter Mitspieler erst vor kurzem in Blackpool erbaut hatte.

Das war auch ganz nett. Der befriedigende Anblick einer Abrisskugel milderte schnell jedes Schuldgefühl und zementierte zudem meine Position als oberster Immobilienhai Lancashires. Das Problem ist nur, dass den Geschädigten ganz genau angezeigt wird, wer da versucht hat, ihr Reich in Schutt und Asche zu legen.

Ich habe jetzt einen Feind. Einen reichen Feind. Was bedeutet das für die Zukunft meines Schlosses? Wird ein böser Magnat in Preston und Penwortham(dale) einfallen, der wild entschlossen ist, das freundliche Lehenwesen zu vernichten, das ich mit so harter Arbeit (drei oder vier Mausklicks) geschaffen habe?

Angsteinflößend. Sehr angsteinflößend.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Adam Gabbat, Guardian-Blogger | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

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