Ich bin keine Feministin, und das ohne Wenn und Aber
Womanism Als schwarze Frau ahnte ich schon immer, dass der weiße Feminismus nicht für mich gemacht war. Deshalb wandte ich mich dem Womanism zu. Eine Antwort auf Chloe Angyal
Chloe Angyal hat recht, wenn sie sagt, die meisten jungen Frauen in Amerika glaubten an gleiche Rechte. Für mache Frauen geht es bei der Ablehnung des Begriffs Feministin aber nicht darum, dass man nicht als „hässlich“ oder als „wütende Extremistin“ angesehen werden möchte. Manche Frauen vermeiden den Begriff Feministin aus Eigenliebe und um der seelischen Ausgeglichenheit willen.
Auch wenn der Feminismus die in Medien und Wissenschaft bevorzugte Form weiblicher Organisation ist, haben viele schwarze Frauen sich dem Womanism zugewandt, um die doppelte Diskriminierung von Rasse und Geschlecht in den Blick zu bekommen, die unser Leben prägt. Womanism ist aber nicht einfach nur Feminismus für Frauen, die gesellschaftlichen Minderheiten ange
eiten angehören, er gründet in unserer Spiritualität, ehrt unsere Vormütter und wird getragen von dem Wunsch, Männer wie Frauen gleichermaßen zu unterstützen und zu ermächtigen. Auch wenn der Womanism im seinem Kern für die Frauen eintritt, geht es ihm gleichzeitig um das Verständnis des gemeinsamen Wertes aller nicht-weißen Menschen.Feminismus gilt nicht für alle Frauen gleichIch bin keine Feministin (und da gibt es bei mir auch kein Wenn und Aber), weil ich im Laufe meines Lebens zu der Überzeugung gekommen bin, dass der Feminismus nicht für Frauen wie mich gemacht wurde. In der Uni war Simone de Beauvoir die erste Ikone des Feminismus, von der ich zu hören bekam und der Trend der Konzentration auf weiße Frauen sollte sich über mein gesamtes Studium hinweg fortsetzen. Die Arbeiten von Bell Hooks wurden selbst am Institut für Women's Studies nur gelegentlich konsultiert und wenn, dann wurde sie meist nur erwähnt, um den Anschein von Intersektionalität zu erwecken. Ich musste schon die in den Bibliotheken und im Internet zugänglichen Fachzeitschriften durchkämmen, um Frauen wie Patricia-Hill Collins, Audre Lodre oder Alice Walker kennenzulernen, die zu meiner Inspirationsquelle werden sollte. So durchstöberte ich also Quellenverzeichnisse und Bibliographien, um meinen Hunger nach Lebensläufen stillen zu können, in denen ich mich wiedererkennen konnte.In manchen Seminaren wurde ich zur schwarzen Alibi-Frau, immer dann, wenn es für notwendig erachtet wurde, auch mal etwas anderes als die weiße Frau als einzigen Bezugspunkt zu berücksichtigen. Obwohl der Feminismus sich eigentlich zum Ziel gesetzt hat, die Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen zu beenden, lernte ich ausgerechnet in Seminaren des Studienganges Women's Studies, Sojourner Truths Rede „Ain`t I a Woman“ zu rezitieren, um gegen die Unterstellungen zu protestieren, die meiner gegenüber meiner Rasse und Kultur gemacht wurden. Hier habe ich gelernt, dass Schwesternschaft und Kameradschaft nur Bestand haben, so lange man nicht darauf besteht, nach den multiplen Dimensionen von Unterdrückung zu fragen.Gerade so wie in der schulischen Ausbildung der black history month dazu dient, den Anschein zu erwecken, die Geschichte der Schwarzen gehöre gleichberechtigt mit dazu, tauchten auch die Namen schwarzer Frauen gelegentlich auf den Lehrplänen der Universität auf. Aber die Arbeiten schwarzer Frauen hin und wieder in das Programm eines Seminars der Women's Studies mit aufzunehmen, bedeutet nicht, dass sie dazu gehören, sondern spiegelt lediglich all die vorangegangenen pädagogischen Maßnahmen wider, mit denen nicht-weiße Studenten marginalisert wurden, um die weiße Hegemonie aufrecht zu erhalten. Allein schon die Tatsache, dass es gesonderte Kurse gibt, die sich mit den Arbeiten schwarzer, indigener und lateinamerikanischer Frauen befassen, macht das Versagen deutlich, sie wirklich in den universitären Lehrbetrieb zu integrieren. Trotz aller Proteste dient die Gettoisierung der Arbeit nicht-weißer Frauen dazu, die weiße Weiblichkeit als monolithische Norm zu verfestigen.Blogs weißer Frauen dominierenDer Feminismus hat mittlerweile den rein universitären Diskurs verlassen. Heute sind es die Diskussionen in der feministischen Blogosphäre, die das Problembewusstein erhöhen, indem hier neue Theorien formuliert werden und angeblich Stimmen Raum bekommen, die zuvor nicht gehört wurden. Auch wenn das Internet als großer Gleichmacher konstruiert wurde, dominieren doch die Blogs weißer Frauen wie Feministe, Feministing, Pandagon und Bitch PhD die Blogosphäre und reproduzieren die gleiche Hierarchie, welche die Universität lange aufrecht erhalten hat.Blogs, die von Frauen betrieben werden, die einer Minderheit angehören, ziehen nicht das gleiche Medieninteresse auf sich. Wenn bloggende Feministinnen für ein Interview gebraucht werden, sind es für gewöhnlich immer die gleichen weißen Stimmen, die für die viel größere Bandbreite sprechen dürfen, die im Netz eigentlich sichtbar ist. Anders als an der Universität, wo aufgrund der Machtdynamik zwischen Studentinnen und Professorinnen eine radikale Konfrontation nicht möglich ist, haben marginalisierte Frauen sich durch eine Reihe von Boykotten und kritischen Essays Gehör verschafft und privilegierte Frauen mit Themen wie Rassismus oder der Diskriminierung von behinderten oder transsexuellen Menschen konfrontiert.Trotz wiederholter Forderungen nach Veränderung, wird die Kritik marginalisierter Frauen von einflussreichen Blogs aber nach wie vor weitgehend ignoriert. Auch wenn verschiedene Gruppen von Frauen oft auf den gleichen Gebieten aktiv sind und gegen die gleichen Dinge kämpfen, wirken Unterschiede der ethnischen und Klassenzugehörigkeit, der Fähigkeiten und des zissexuellen Status auch weiterhin trennend und machen eine wirklich solidarische Arbeit unmöglich. Wie könnte man sich das Label derjenigen anheften, die einen selbst unterdrücken würden, um ihre eigenen Ziele zu verwirklichen, selbst wenn auf manchen Gebieten Gemeinsamkeiten bestehen? Sich nicht als Feministin zu bezeichnen, muss nicht immer bedeuten, dass man sich aus der Verantwortung stehlen will; manche Frauen tun dies in Anbetracht der herrschenden Bigotterie schlicht aus Liebe zu sich selbst.
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