Ich bleibe dabei

USA Die Behandlung von Bradley Manning ist lächerlich, kontraproduktiv und dumm. Der Ex-Sprecher des US-Außenministeriums erklärt, warum er immer noch zu dieser Aussage steht

Um es deutlich zu sagen: Gegen den Obergefreiten Bradley Manning läuft zurecht ein Verfahren und wenn er verurteilt wird, sollte er eine lange, lange Zeit im Gefängnis verbringen. Da ich viele Monate lang sehr intensiv mit der Wikileaks-Affäre zu tun hatte, weiß ich, dass die 251.000 Diplomaten-Depeschen zurecht als geheim eingestufte Informationen enthielten, die direkt unsere nationalen Interessen betreffen. Ihre Veröffentlichung brachte das Leben von Menschen auf der ganzen Welt in Gefahr.

Julian Assange und andere haben behauptet, die Veröffentlichung der Korrespondenzen habe fehlerhaftes Verhalten offenbart. Das ist Unsinn.

Wenn auch jeder auf eine einzelne Depesche verweisen kann, so zeugen die Depeschen als Ganzes doch davon, wie richtig und korrekt sich die 189 US-Diplomaten insgesamt verhalten haben. Als Nation sind wir stolz auf die Geschichte, die die Depeschen erzählen, selbst wenn wir ihre Veröffentlichung bedauern.

Ich verstehe aber, warum mir als Vertreter des US-Außenministeriums die Frage gestellt wurde, worin das Problem der Behandlung Bradley Mannings bestehe. Die Familie Mannings und einige Menschenrechtler haben die äußerst restriktiven Haftbedingungen in Frage gestellt, denen er in Quantico, Virgina, unterliegt. In meiner Antwort auf die Frage bezog ich mich auf den Punkt, dass Manning gezwungen wurde, nackt zu schlafen und infolgedessen nackt zum Morgenappell antreten musste.

Es geht um Würde, nicht Sitte

Auf Grundlage meiner 30-jährigen Regierungserfahrung sage ich: Wenn Sie erklären müssen, warum jemand nackt in der Mitte einer Gefängniszelle stehen muss, dann bedarf diese Praxis einer dringenden Revision. Das Verteidigungsministerium hat schnell darauf hingewiesen, dass keine Frauen anwesend waren, aber das geht völlig an der Sache vorbei. Sie hat nämlich viel mit Würde zu tun, nicht mit Sittsamkeit.

Das strategische Narrativ der USA verbindet unser politisches Handeln mit unseren Interessen, Werten und Absichten. Während das, was wir tagein tagaus machen, im Wesentlichen mit den universellen Prinzipien übereinstimmt, die wir verfechten, können einzelne Taten in Widerspruch zu diesen geraten. Hin und wieder erklingt selbst in einer erstklassigen Symphonie mal ein schräger Ton. Dies ist hier der Fall.

Das Pentagon behauptet, man gehe im Fall Manning nach Vorschrift vor. Diese Vorschriften sagen uns aber lediglich, was wir tun können und nicht immer auch, was wir tun sollten. Maßnahmen können legal sein und trotzdem nicht besonders clever. Sich in Mannings Fall streng an die Regeln zu halten, reicht nicht aus. Manning so streng und sogar kleinlich zu behandeln, untergräbt die starke juristische und ethische Position, die die amerikanische Armee eigentlich gegen ihn einnimmt.

Wenn die USA mit gutem Beispiel vorangehen, versuchen wir nicht, einen Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen, sondern verfolgen damit eher unsere langfristigen strategischen Ziele. Die USA können nicht von anderen die Einhaltung internationaler Standards fordern, wenn wir diese in den Augen der anderen selbst nicht erfüllen. Die Unterschiede bekommen strategische Bedeutung, wenn sie durch die Linse der heutigen Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung in den Medien vergrößert werden.

Als ich daher gefragt wurde, worin das Problem bestehe, sagte ich, die Behandlung des Obergefreiten Manning sei, wenn auch gut gemeint, so doch „lächerlich“, und „kontraproduktiv“ und, ja, „dumm“.

Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Die USA sollten den weltweiten Maßstab für die Behandlung ihrer Bürger setzen und ihn dann noch übertreffen. Die Welt erwartet das von uns. Und wir sollten es auch von uns selbst erwarten.

Über Philip J. Crowley schreibt Wikipedia korrekt: "2011 kritisierte Crowley auf einer Podiumsdiskussion das Pentagon und bezeichnete die Umstände der Haft des mutmaßlichen WikiLeaks-Informanten Bradley Manning als lächerlich, kontraproduktiv und dumm. Angesichts der Auswirkungen meiner Äußerungen, für die ich die volle Verantwortung übernehme, erklärte Bradley am 13.März 2011 seinen Rücktritt als Sprecher des US-Außenministeriums.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Philip J. Crowley | The Guardian

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