Ich drücke dir die Uhr!

Aberglaube Bringen Glücksbringer Glück? Unsinn, sagt die Vernunft. Vielleicht doch, sagen Forscher aus Köln

Als einer der scheinheiligerweise stets danach strebt, das Rechte zu tun, bin ich ein masochistischer Anhänger von Forschungsarbeiten, die mir beweisen, dass Menschen, die sich falsch verhalten, ein besseres Leben haben als ich. Aus diesem Grund hat mir eine Studie der Universität Köln besonderes Vergnügen bereitet, die beweist, dass Aberglauben bei einer ganzen Reihe von Herausforderungen zu besseren Ergebnissen führt.

Ich bin immer etwas zwiegespalten, wenn es um psychologische Studien geht. Auf meiner linken Schulter sitzt ein Engel, der auf das Risiko hinweist, Laborbedingungen mit dem echten Leben gleichzusetzen; der sagt, es müsse in Betracht gezogen werden, dass auf diesem Gebiet vermutlich einseitig publiziert wird (langweilige Gegen-Ergebnisse landen oft für alle Zeiten unveröffentlicht in der Schublade); und dass man selten eine systematische Aufbereitung der Literatur zu solchen Themen bekommt, die widersprüchliche Studien in Relation zueinander setzt. Auf meiner rechten Schulter sitzt ein Teufel, der meint, das alles sei cool und ein riesiger Spaß. Er führt jetzt meine Hand auf der Tastatur.

Die Wissenschaftler haben vier Mini-Experimente gemacht. Für das erste zogen sie 28 Stundenten heran, von denen mehr als 80 Prozent von sich selbst sagten, sie seien abergläubisch. Die Studenten wurden willkürlich in eine Fallgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt, dann ging es auf den Golfrasen. Um bei der ersten Gruppe den Aberglauben anzuregen, wurde ihnen vor dem Abschlag gesagt: „Hier ist dein Ball. Bislang hat er immer Glück gebracht.“ Der anderen Gruppe wurde gesagt: „Diesen Ball haben bislang alle benutzt.“ Jeder Teilnehmer hatte 10 Versuche, um den Ball aus einem Abstand von einem Meter in das Loch zu bekommen. Und siehe da, die Studenten, die mit dem Glücksball spielten, waren wesentlich erfolgreicher als die anderen. Im Schnitt lochten sie den Ball 6,42 Mal ein, die Kontrollgruppe nur 4,75 Mal.

Selbstbewusstsein durch Talisman

In einem zweiten Experiment wurden 51 Studenten dazu aufgefordert, eine Geschicklichkeits-Aufgabe zu lösen. Es ging darum, in einer Plexiglasbox 36 kleine Kugeln durch Kippen der Box in 36 kleinen Löchern zu versenken. Davor wurden die Studenten per Zufall drei Gruppen zugeteilt, eine Fallgruppe und zwei Kontrollgruppen, von denen jede vor Beginn einen anderen Satz zu hören bekam. Um den Aberglauben anzuregen, bekamen die Studenten der Fallgruppe gesagt: „Ich drücke dir die Daumen“. Der ersten Kontrollgruppe wurde gesagt: „Ich drücke dir die Uhr“. Der Gedanke dahinter war, dass dies einen ähnlich motivierenden Effekt habe (ich bin mir da nicht so sicher). Die zweite Kontrollgruppe bekam einfach das Kommando: „Auf Los geht’s los“. Wie vorhergesehen war die Gruppe, der gesagt worden war, dass ihnen die Daumen gedrückt würden, entschieden schneller.

Als die Wissenschaftler versuchten, der Sache auf den Grund zu gehen, wurde es richtig spannend. Sie baten 41 Studenten, die einen Talisman besaßen, diesen mit zur Sitzung zu bringen. Entweder blieb der Glücksbringer bei ihnen oder er wurde unter dem Vorwand, er müsse fotografiert werden, aus dem Raum geschafft. Dann wurde ihnen die Gedächtnisübung erklärt, die sie lösen sollten, und sie wurden gefragt, wie zuversichtlich sie sich fühlten. Diejenigen, die ihren Glücksbringer bei sich hatten, erzielten ein besseres Ergebnis und äußerten mehr Selbstvertrauen, was sich natürlich gegenseitig bedingte.

Zum Schluss gingen die Wissenschaftler diesem Mechanismus noch tiefer auf den Grund. 31 Studenten mit und ohne Glücksbringer bekamen ein Buchstabenrätsel vorgesetzt. Bevor es losging, sollten sie sich ein Ziel setzten: Wie viele der versteckten Wörter würden sie wohl finden? Wie zu erwarten war, erzielte auch hier die Glücksbringer-Gruppe bessere Ergebnisse und selbstbewusster fühlte sie sich auch. Doch damit nicht genug: Sie setzte sich höhere Ziele und hielten länger durch.

Da haben wir es also. Jeder ist in irgendeiner Form wohl etwas abergläubisch (ich zum Beispiel glaube, dass ich erwähnen MUSS, dass ich auf diese Studie durch meine Freunde Vaugham Bell und Ed Yong auf Twitter aufmerksam wurde). Interessant ist, dass Aberglauben deshalb funktioniert, weil er das Selbstbewusstsein stärkt, dazu führt, dass wir uns höhere Ziele setzen und uns dazu ermuntert, schwerer zu arbeiten. Im Labor. Jetzt können Sie sich selbst überlegen, ob sich das auf Ihr reales Leben übertragen lässt.

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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Ben Goldacre | The Guardian

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