"Ich hoffe, Obama scheitert"

Rechte US-Medien Die Konservativen in den USA haben die Wahl verloren. Ihre Vorbeter in den Medien geben sich aber noch nicht geschlagen, wie nicht nur das Beispiel Rush Limbaugh zeigt

Der Wahlsieg Barack Obamas wurde in der ganzen Welt gefeiert. In Mexico Stadt stimmten Autohupen zum Konzert an, in Liverpool und Leeds wurde die Inaugruationsfeier auf großen Leinwänden übertragen und in Kenia wurden große Festessen veranstaltet, um den neuen US-Präsidenten mit den kenianischen Wurzeln zu ehren. In dem kleinen Winkel Manhattans aber, in dem der rechtsgerichtete Kabelkanal Fox News ansässig ist, herrschte gedämpfte Stimmung. Während ringsumher in den Straßen des Big Apple Feuerwerk und Champagnerkorken knallten, war man bei Fox News wenig zum Feiern aufgelegt und schickte folgenden Dialog zwischen Rush Limbaugh und Sean Hannity, den beiden Titanen der konservativen Sendeanstalt, auf die Bildschirme:

Hanntity: „Wünschen Sie Obama Erfolg?“ Limbaugh: „Ich bin froh, dass Sie mir diese Frage stellen. Nein, ich wünsche mir, dass er scheitert.“ Wenige Tage zuvor hatte Limbaugh in seiner eigenen Radio Talk-Show, die in seinem Haus in Palm Beach, Florida aufgezeichnet wird, seine Gefühle noch unverblümter zum Ausdruck gebracht. Auf Bitte einer Zeitung, die Hoffnungen, die er in den neuen Mann im Weißen Haus setze, in 400 Worte zu fassen, erwiderte er: „Ich brauche dazu nicht 400 Worte, sondern vier: Ich hoffe er scheitert.“

Linksliberale Blogger wollten Limbaughs Kopf rollen sehen

Das war sogar in dem moralischen Paralleluniversum, in dem Limbaugh und seine Hörer unterwegs sind, harter Tobak. Schon nach wenigen Stunden wurde das Feuer erwidert. Die Moderatoren der Konkurrenz warfen Limbaugh vor, es in Zeiten der wirtschaftlichen Krise an Patriotismus fehlen zu lassen, linksliberale Blogger wollten gar seinen Kopf rollen sehen. Schließlich schaltete sogar Obama selbst sich ein. Drei Tage nach seiner Vereidigung wandte er sich an führende republikanische Kongress-Mitglieder und rief das gesamte konservative Lager auf, mit Limbaugh zu brechen: „Wenn Sie etwas erreichen wollen, sollten Sie aufhören, auf Rush Limbaugh zu hören.“

Diese Intervention von Obamas Seite wirkt zunächst erstaunlich: Hat der Führer der freien Welt, der es immerhin mit zwei Kriegen und einer globalen Wirtschaftskrise zu tun hat, keine anderen Sorgen als Limbaugh und die anderen Fox News-Hitzköpfe?

Wer über den aktuellen Sturm im Wasserglas hinaus blickt, erkennt, dass hier eine weit bedeutsamere Schlacht eröffnet worden ist. Obamas sieht es als seine Mission an, überparteiliche Zusammenarbeit und das Vertrauen in den öffentlichen Dienst wiederherzustellen. Dabei hat er eine wachsende Anzahl moderater Konservativer auf seiner Seite, die der Überzeugung sind, dass die republikanische Partei dem Kulturkrieg abschwören müsse, den sie in den vergangenen zwanzig Jahren geführt hat. Man war gegen Abtreibung, gegen gleichgeschlechtliche Ehen, gegen internationale Zusammenarbeit – kurz, immer nur dagegen.

"Wollen wir wirklich so eine Partei sein?"

Colin Powell sprach zu jenen gemäßigten Parteigenossen, als er vergangenen Monat fragte: „Können wir weiterhin auf Rush Limbaugh hören? Wollen wir wirklich so eine Partei sein?“ Auf der anderen Seite des Grabens befindet sich eine kleine Gruppe von Talkshow-Moderatoren, die den auf konservativer Seite geführten politischen Diskurs fest im Griff haben. Im Fernsehen führt der Gift und Galle spuckende Bill O’Reilly das Wort, dessen Show The O’Reilly Factor auf dem Fox News Channel ausgestrahlt wird.

Der unangefochtene König des Talkradios ist Limbaugh, dessen Sendung jede Woche mindestens 14 Millionen Amerikaner einschalten. Tag für Tag füllt Limbaugh, gestützt auf nur wenige Notizen, drei Stunden Sendezeit mit Hetz- und Schmähreden. „Sein Können ist erstaunlich, bringt ihm Millionen Zuhörer und hat ihn zu einem der reichsten Menschen in Amerika gemacht“, staunt David Fume, der ehemalige Redenschreiber von Ex-Präsident Bush.

Wie kann Obama sein Ziel erreichen, den Krieg zwischen Republikanern und Demokraten beizulegen, wenn Leute wie Limbaugh Millionen Landsleute gegen ihn aufbringen? Umgekehrt würde Obama Leuten wie Limbaugh und O’Reilly die Existenzgrundlage nehmen, sollte es ihm gelingen, den politischen Hass einzudämmen, der in den USA seit 15 Jahren tobt und der teils durch den Aufstieg von TV und Radio angeheizt und aufrechterhalten wurde. Davon zu sprechen, dass beide Seiten einen Krieg gegeneinander führen, ist also keineswegs übertrieben. „Sollte Obama sich als sehr guter Präsident herausstellen, der zu vereinigen weiß, könnte das diese Talkshow-Moderatoren engstirnig klingen lassen. Das können die sich aber nicht leisten, denn so würden sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren“, weiß Michael Harrison vom Magazin Talkers, das sich mit dem amerikanischen Talk-Radio befasst.

Selbst Rupert Murdoch ist beunruhigt über den Anti-Obama-Kurs

Zu einem gewissen Grad ist dies bereits eingetreten. Angesichts der Tatsache, dass Millionen Amerikanern der Verlust des Arbeitsplatzes und des Eigenheimes droht, stoßen Limbaughs Tiraden nicht immer auf Wohlwollen. Es wird berichtet, Fox News-Besitzer Rupert Murdoch, dem noch mehr an der Gunst der Mächtigen liegt, als an den Interessen der Konservativen, sei zunehmend beunruhigt über die Anti-Obama-Schiene, die O’Reilly, Hannity und andere Fox-News-Sprecher fahren. Murdoch-Biograph Michael Wolff offenbart in seinem Buch The Man Who Owns Fox-News, der Medien-Tykoon halte „kaum damit hinter dem Berg, wie er zu Bill O’ Reilly steht“, den er „absolut verachtet“.

Doch es gibt etwas, das Murdoch noch mehr bedeutet, als Macht oder die konservative Sache - und das ist das Geld. So mag er vielleicht versucht gewesen sein, Fox News vom O’Reilly-Faktor zu befreien. Was hat er aber getan? O’ Reillys Vertrag um weitere vier Jahre zu 10 Millionen Dollar im Jahr verlängert, genau wie den Vertrag Hannitys. Und drüben beim Talk-Radio hat Limbaugh gerade erst ein landesweit geltendes Syndication-Paket unterzeichnet, das acht Jahre gültig ist und ihm die enorme Summe von 400 Millionen Dollar einbringt.

Der Blick auf die in die Höhe schnellenden Einschaltquoten genügt, um zu erkennen, warum diese Moderatoren von den Medienbossen so umworben werden. Während des US-Wahlkampfes konnte sich The O’Reilly Factor über einen massiven Anstieg der Zuschauerzahlen freuen. Fünf Millionen Zuschauer pro Nacht bewiesen, dass die Obamania sich sogar – oder vielleicht besonders – für die Gegner des 44. US-Präsidenten geschäftsfördernd auswirken. „Wenn ich Bill O’Reilly oder Rush Limbaugh wäre, würde ich mir nicht allzu viele Gedanken darum machen, dass mir bald der Stecker gezogen werden könnte“, meint auch Robert Seidman von der US- Website TV by Numbers.

Obama plus Rettungspaket gleich Sozialismus

Und wirklich scheint es die rechten Kommentatoren sogar anzustacheln, dass sie sich nicht mehr auf der Gewinnerseite befinden. Wie Soldaten, die vor einem Gefecht ihre Büchsen ölen, basteln sie bereits eifrig an neuen Argumenten, mit denen sie auf Obama stürmen können. Ein paar haben sie auch schon gefunden. Das erste: Bush ist ein Held. Das behaupten jetzt auch viele, die George W. Bush aufgrund der steigenden Ausgaben der Regierung am schärfsten in die Mangel nahmen. Originalton Hannity: „Bush stand zu dem, was er als richtig erkannt hatte.“ Das zweite: Die Mainstream-Medien sind dem Obama-Kult aufgesessen. Limbaugh: „Den Medien ist es vortrefflich gelungen, seine Schwächen zu übertünchen.“ Und das dritte: Obama plus Rettungspaket gleich Sozialismus. Dies ist das Argument der Argumente, das in den kommenden Wochen rauf und runter gebetet werden wird. Noch mal Hannity: „Überall, wo man ihn ausprobiert hat, ist der Sozialismus gescheitert. Warum nimmt Amerika sich also nun seiner an?“

Munition haben die Obama-Gegner bei Fox also reichlich, die Einschaltquoten stimmen auch - es scheint, Obama habe ihre Laufzeit auf Lebenszeit verlängert. Alles in allem sieht es somit gut aus für die Tyrannen der Talk-Medien.

Für die Republikaner sind das allerdings nicht automatisch ebenfalls gute Nachrichten. Die Partei muss sich jetzt auf den Weg der Selbstbesinnung und Reform begeben. Unter den rechten Talk-Show-Moderatoren hält man allerdings das Gegenteil für geboten, die Rückkehr zum alten „culture war“ der achtziger und neunziger Jahre. „Was für Rush Limbaugh gut ist, ist schlecht für die republikanische Partei und umgekehrt“, erklärt Frum. Stimmt dies, so stehen Limbaugh und Co, einem gigantischen Wortwall gleich, echtem Wandel innerhalb des konservativen Lagers im Wege. Sie könnten die Republikaner für viele Jahre in die politische Bedeutungslosigkeit verbannen. So gesehen könnte man vielleicht schon wieder Gefallen an ihnen finden.

Die rechte Flanke

Bill O’Reilly
Übertrug Rush Limbaughs erfolgreiches Radioformat ins Fernsehen. Seine Show The O’Reilly Factor erzielt mit durchschnittlich drei Millionen Zuschauern pro Abend die höchsten Einschaltquoten aller Cable-News Sendungen. Über Obama sagt er: „Mir gefiel der Teil seiner Antrittsrede nicht, in der er sagte, wir müssten bezüglich unserer Werte keine Kompromisse eingehen, um uns selbst zu schützen. Ich denke, manchmal müssen wir das sehr wohl.“

Sean Hannity
Verbucht nach O’Reilly die zweithöchsten Einschaltquoten. Während des Wahlkampfes war er an vorderster Front, als es darum ging, Obama wegen seiner Verbindungen zu Pastor Jeremiah Wright und Bill Ayers, einem ehemaligen Anhänger der militanten Untergrundorganisation The Weatherman, anzugreifen. Hannity wurde dafür kritisiert, dass er in seiner Sendung eine „Dokumentation“ über Obama zeigte, in der ein wegen Antisemitismus in Verruf geratener Rechter zu Wort kam. Hannity über Obama: „Ja, ich möchte, dass es meinem Land gut geht, aber Obama wird keinen Erfolg haben. Der Sozialismus hat überall versagt, wo man es mit ihm versucht hat.“

Michael Savage
Acht Millionen Amerikaner schalten wöchentlich Savages Radio-Talk-Show ein. Seinen eigenen Stil beschreibt er als „explosiv“, eine links-liberale politische Gesinnung als „Geistesstörung“. Der Naturwissenschaftler hat einen Doktor-Titel in Epidemiologie. Über Obama sagt er: „Barack Madrasah Obama ist von einigen sehr mächtigen Kräften innerhalb und außerhalb der USA auserwählt worden, sein Land in eine Hölle zu zerren, wie es sie seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gesehen hat.“

Laura Ingraham
Motto: Nicht nur eine Radiosendung, sondern eine Sucht. Fing als Redenschreiberin für Ronald Reagan an. Ihre syndizierte Radio-Talkshow, die 2001 auf Sendung ging, erreicht mehr als fünf Millionen Zuhörer pro Woche. Über den neuen Präsidenten sagt sie: „Obama und seine Handlanger im Kongress sind gerade dabei, sich Abermilliarden amerikanische Steuerdollar unter den Nagel zu reißen. Und den Republikanern – deren Domäne einmal die Belange der Steuerzahler waren - ist das völlig egal.“

Mark Levin
War in der Reagan-Regierung als Anwalt tätig. Hatte seinen Durchbruch im Talk Radio mit einem Beitrag in Limbaughs Show. Inzwischen wird er in den gesamten Staaten syndiziert und erreicht wie Laura Ingraham wöchentlich mehr als fünf Millionen US-Bürger. Über Obama sagt er: „Ich denke, Obama hat ein Problem mit dem Hype, der um ihn gemacht wird. Damit meine ich nicht nur seine Rede, sondern seine ganze Präsidentschaft. Es ist schwer, wirklich der Messias zu sein.“


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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Ed Pilkington, The Guardian | The Guardian

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