Im Herzen des Establishments

Frauensache Die Verfilmung von Margaret Thatchers Biografie belebt in Großbritannien einen Streit neu: Welche Bedeutung hat die "Eiserne Lady" für den Feminismus? Zwei Positionen

In Großbritannien sorgt die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher wieder für Aufregung. Seit die Biografie mit Meryl Streep im Kino zu sehen ist, beherrscht ein alter Streit den aktuellen Diskurs: War Thatcher aus feministischer Sicht wichtig?

Ja, findet Natasha Walter, 44, britische Feministin und Buchautorin (Living Dolls. Warum junge Frauen heute lieber schön sein wollen als schlau):

Vor dreizehn Jahren habe ich in The New Feminism geschrieben: "Keine britische Frau dieses Jahrhunderts hat es zu so viel Macht und Einfluss gebracht wie Thatcher. Jemand mit dem falschen Geschlecht aus der falschen Schicht hat die Barrieren überwunden und es ins Herz des Establishments geschafft. Diejenigen, die sagen, Margaret Thatcher sei keine Feministin gewesen, weil sie sich nicht für andere Frauen eingesetzt und nie offen zugegeben habe, was sie dem Feminismus verdanke, haben damit zwar nicht ganz Unrecht, aber sie übersehen auch etwas Grundlegendes: Sie hat den Erfolg von Frauen zu etwas Normalem gemacht und gezeigt, dass Frauen genauso stark und fähig sein können – auch wenn weibliche Macht eine andere Sprache spricht und ihre glanzvollen wie unschönen Seiten anders zeigt als die männliche. Nach Margaret Thatcher kann niemand mehr in Zweifel ziehen, dass Frauen ebenso zielstrebigen Elan und Führungsstärke zeigen können wie Männer. Sie ist die große unbesungene Heldin des britischen Feminismus."

Nichts, was ich jemals zuvor oder danach geschrieben habe, hat mir so viel Empörung eingebracht. Es war damals für Feministinnen unmöglich, Thatcher nicht grundweg zu verurteilen. Dass sie keine Feministin war, steht außer Frage: Soziale Gleichheit interessierte sie nicht und weibliche Solidarität war ihr fremd. Ich wusste das damals genau so gut wie heute, aber als ich mit der Schule fertig war, gehörte ich bereits zu den Veteraninnen der Proteste, bei denen "Maggie Maggie Maggie Out Out Out" skandiert worden war. Wir sollten ihre zerstörerische Politik nie vergessen. Ebenso wenig sollten wir aber leugnen, dass sie sich als Außenseiterin einen Platz im Establishment erkämpft hat und all jene Lügen straft, die Frauen die grundsätzliche Befähigung zur Machtausübung absprechen.

Für Mädchen, die während ihrer Regierungszeit aufwuchsen, war die Vorstellung von Führungsstärke als weibliche Eigenschaft wesentlich weniger abstrakt als für die Mädchen von heute.

Nein, findet Laura Sandys, 47, konservative britische Parlaments­abgeordnete:

Frau Thatcher ist als Matriarchin eine viel größere Ikone denn als feministische Aktivistin. Sie brachte ihre politische Macht nie in der Form eines Kampfes gegen das männliche Establishment zum Ausdruck, sondern dominierte als politische Persönlichkeit die männlichen Machtstrukturen. Einmal am Ruder, konnte niemand mehr ihren Status infrage stellen. Das gab ihr große Sicherheit.

Ich glaube nicht, dass sie die Muße hatte, sich mit dem intellektuellen Feminismus auseinanderzusetzen, aber sie stand und steht noch immer für eine weibliche Haltung, die heute alltäglich geworden ist. Ihre politische Sprache war an Frauen gerichtet. Eine eigene Wohnung zu haben, das Haushaltsbudget selbst zu bestimmen, die beste Schule für das Kind auszuwählen – all diese Botschaften waren mit der Aufforderung verbunden, Entscheidungen zu treffen. Frauen wurde ein neues Maß an politischer Bedeutung gegeben, das sich über ihre Amtszeit hinaus halten konnte. Eine feministische Matriarchin, aber keine feministische Ikone.

Die wöchentliche Kolumne "Frauensache/Männersache" im Alltagsressort widmet sich Genderthemen und wird abwechselnd von weiblichen und männlichen Autoren geschrieben. Zuletzt schrieb Jörg Friedrich über die unterschiedliche Wahrnehmung von Seitensprüngen bei Frauen und Männern.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Natasha Walter/Laura Sandys | The Guardian

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