Im Klammergriff

Irak Für die USA war Nuri al-Maliki nicht der Wunschkandidat für das Amt des Regierungschef, doch das hat sich geändert, seit der iranische Einfluss im Irak wächst

Unabhängig davon, wie Ressorts und Pfründe verteilt werden – der bisherige Premier Nuri al-Maliki und seine Allianz Rechtsstaat steigen als Sieger aus neun Monaten des politischen Stillstands zum Lichte empor. Der alte und neue Regierungschef wird – wenn alles gut geht – für vier Jahre über die inneren Verhältnisse des Irak bestimmen mit oder ohne Beistand seiner Koalitionäre. Besonders für die Amerikaner ist das von einiger Relevanz, wenn sie ihren Abzug bis Ende 2011 abschließen wollen. Doch zu welchem Preis setzt sich al-Maliki durch? Inwieweit wird sich der Irak nach dem Ausstieg der Besatzungsmacht im Klammergriff seines iranischen Nachbarn wiederfinden. Will Washington diesen Einfluss wirklich unter Kontrolle halten, muss spätestens jetzt damit begonnen werden, eine Strategie zu entwerfen, auch wenn Teheran heute wie der eigentliche Triumphator in der Bataille um die neue Regierung in Bagdad ausschaut. Kein Zweifel, dass der von Saudi-Arabien hofierte Ijad Allawi mit seinem Block Irakiyya weder Premier sein noch jenem Gremium vorsitzen wird, das – wie ursprünglich geplant – die Befugnisse des Regierungschefs überwachen und beschneiden sollte.

Iran spielt im Irak sein strategisches Spiel und hat einen historischen Alliierten – den Obersten Islamischen Rat (ISCI), der nur 17 Sitze im künftigen Parlament von Bagdad beanspruchen darf – unverfroren kaltgestellt. Der ISCI musste einem überraschenden Bettgenossen weichen: Dem Sadristen-Block des radikalen Predigers Muqtada al-Sadr. Die Graswurzel-Bewegung verfügt über 40 Sitze. Wie groß der iranische Einfluss im Irak geworden ist, lässt sich daran ermessen, dass es die Machthaber in Teheran waren, die Muqtada im Oktober in die Arme seines Erzfeindes al-Maliki schickten, Allawis Ambitionen kassierten und verhinderten, dass die Macht wie unter Saddam Hussein wieder an sunnitische Araber fällt. Dies zu verhindern, gilt Teheran seit 2003 als ultimatives Ziel.

Was wird al-Maliki Teheran dafür schuldig sein? Er dürfte wissen, dass die Umarmung mit Admadinedjad und das Zweckbündnis mit den Sadristen rein taktisch ausfallen, wenn man bedenkt: Es war al-Maliki, der Muqtadas Milizen durch seine Armee aus Basra hinauswarf, Hunderte von ihnen verhaften ließ und sich aus der Schiitischen Nationalallianz löste, um die Wahlen im März – sehr zum Missfallen Teherans – allein zu bestreiten. Die erwähnten Milizionäre, die nach der Operation Basra in den Untergrund gezwungen waren, könnten al-Maliki zwar weiter Kopfschmerzen bereiten, doch eine immer effektiver werdende irakische Nationalarmee werden sie nicht ernsthaft herausfordern können.

Der Iran hat sich auch die Kurden dienstbar gemacht, schließlich wurde in den neunziger Jahren während interner kurdischer Rivalitäten die Patriotische Front Kurdistans des heutigen Präsidenten Talabani vom Iran unterstützt. Zu Teherans Freude verweigerte Talabani zuletzt stoisch alle Aufforderungen der Amerikaner, Ijad Allawi die Regierungsbildung anzutragen, Wobei dies auch damit zu tun hatte, dass sein kurdischer Gegenspieler Barzani sicherstellen wollte: Talabani bleibt in Bagdad und stellt in Arbil die Autorität des Regionalpräsidenten Barzani nicht in Frage.

Obwohl Teheran über diesen Strauß kaum begrenzter Möglichkeiten im Irak verfügt und seine Interessen bis hin zur Einwirkung auf die Sicherheitskräfte zur Geltung bringt, gibt es keine Gewähr dafür, die inneren Angelegenheiten durchweg beherrschen zu können. Zuletzt wurde zuweilen versucht, den Vertrag Status of Forces Agreement (SOFA) zu torpedieren, der die US-Truppenpräsenz bis Ende 2011 definiert, doch leistete al-Maliki erfolgreich Widerstand. Der könnte sich immer noch dazu entschließen, die Amerikaner zu bitten, über die bisherige Deadline 2011 hinaus zu bleiben, um den Iran unter Druck zu halten.

Politisch unabhängig, demokratisch legitimiert und unangefochten könnte Nuri al-Maliki die größte Hoffnung der USA und der arabischen Welt sein, dass der Einfluss des Iran in der gesamten Region nicht über Gebühr wächst. Es dürfte ihnen auch nichts anderes übrig bleiben.

Ranj Alaaldin ist Guardian-Reporter im Irak

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ranj Alaaldin | The Guardian

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