Im Würgegriff der Ring-Mädchen

Free Fight II Mixed Martial Arts ist wesentlich härter als Boxen. Die Szene ist für ihren Sexismus bekannt. Was haben Frauen dort zu suchen?

Direkt vor mir kniet ein halbnackter Mann auf einem anderen und schlägt auf dessen Kopf ein. Wieder und wieder. Schweiß fließt, Blut strömt und mit mir schaut eine ganze Meute bei dem Spektakel zu und schreit nach mehr. Mein Magen beginnt sich umzudrehen – in ein paar Tagen werde ich dran sein.

Freefight, auch bekannt unter dem Namen Mixed Martial Arts (MMA), ist ein Kampfsport, bei dem verschiedene Kampftechniken zum Einsatz kommen. Ich will herausfinden, wie sich eine Frau in dieser aggressiven Macho-Sportart schlagen kann. Um genau zu sein: eine Frau, die 1,58 Meter groß ist und 50 Kilo wiegt. Ich gehe zu einer Trainingsstunde der BanDogs in einer abgehalfterten Turnhalle im Londoner Süden, um es herauszufinden.

Die BanDogs zucken nicht mal mit der Wimper, als ich mich ihrem Aufwärmtraining anschließe. Bereitwillig erklären sie mir die schwierigen Bewegungsabläufe. Innerhalb von Sekunden finde ich mich ausgestreckt auf dem Boden wieder, doch Minuten später drücke ich einen anderen jungen Amateur zu Boden. Am Ende der Sitzung ergibt sich ein Halb-Profi, dessen Lungen ich zwischen meinen Schenkeln eingequetscht habe.

Freefight ist mit Sicherheit kein Sport für schwache Nerven. Am nächsten Tag zähle ich sieben blaue Flecken und eine Muskelzerrung. Aber ich bereite mich auf das nächste Training vor. Dieses Mal steht eine persönliche Übungsstunde mit dem Ultimate-Challenge-Oberboss Dave O’Donnell an. In den Pausen, wenn ich also gerade nicht damit beschäftigt bin, ihn gegen die Käfigwand zu schleudern, ins Gesicht zu schlagen und zu würgen (mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis, selbstredend), löchere ich ihn mit Fragen, weshalb es in der Free-Fight-Szene so wahnsinnig wenig weibliche Kämpfer gibt.

Es sei nicht so, dass die Frauen es nicht versuchen würden, versichert er mir: „Wir wollen mehr Frauenkämpfe auf die Beine stellen, aber da es nur wenige Kämpferinnen gibt, haben wir ein Problem, Gegner in der richtigen Gewichtsklasse zu finden.“ Die Gewichtsklassen waren Teil eines ganzen Maßnahmenkatalogs, der eingeführt wurde, um die Sicherheit des Sports zu verbessern und das gefährliche „Alles-ist-erlaubt“-Image des Sports loszuwerden. Unter anderem wurden auch Beißen, Augen-Ausstechen und Fisch-Haken (fragen Sie bitte nicht weiter nach) verboten. „Selbst fünf Kilo mehr oder weniger machen einen enormen Unterschied“, meint O’Donnell.

Doch das Interesse der Frauen an dem Sport wächst. Immer mehr Frauen trainieren und in Großbritannien gibt es inzwischen eine handvoll weiblicher Profis, darunter Rosi Sexton, die Nummer eins der Weltrangliste im Bantamgewicht. Insbesondere in den USA, Japan und Brasilien stehen weibliche Kämpferinnen immer öfter im Rampenlicht. Frauen verdienen in diesem Sport zwar weniger als die männlichen Spitzenkämpfer, aber mit dem Status beginnen auch ihre Preisgelder zu steigen. Im August vergangenen Jahres war ein Frauenkampf zum ersten Mal in der Geschichte des Sports bei einer Freefight-Veranstaltung der wichtigste Kampf des Abends.

Der Sport ist berühmt-berüchtigt für den Sexismus innerhalb und außerhalb des Käfigs. Bei einem ausverkauften Live-Event, das ich im Londoner Osten besuchte, hatte ich angesichts der „Ring Mädchen“ ein ungutes Gefühl, die nur spärlich bekleidet die Kämpfer aus dem Käfig geleiteten. Befürworter behaupten, die Frauen würden ein breiteres Publikum an den Sport heranführen. Doch während sie auf manche zweifellos eine magnetische Anziehungskraft haben, wirkt dieses zwielichtige Lockmittel auf potentielle weibliche Teilnehmer eher abschreckend.

Trotz dieser Vorbehalte möchte ich wissen, ob ich in der einschüchternden Welt des Freefight eine Zukunft hätte. O’Donnell meint, ich bringe die nötige Aggression mit, was durchaus eine Seltenheit sei. „Von 100 Frauen, die in meine Turnhalle kommen, hat nur eine das Zeug dazu. Wenn Sie wollen, dann mache ich aus Ihnen eine Käfigkämpferin.“ Das klingt verlockend ... wo ist noch gleich mein Mundschutz?

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Geschrieben von

Rachel Dixon | The Guardian

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