Der Guardian hat Belege dafür, dass die Islamische Republik maßgeblich daran beteiligt war, eine Allianz zwischen Nuri al-Maliki, der um eine erneute Amtszeit als Premier kämpft, und dem mächtigen radikalen Schiiten-Führer Muqtada al-Sadr auszuhandeln. Der Deal – an dem Syrien, die libanesische Hisbollah und höchste Autoritäten des schiitischen Islam beteiligt waren – positioniert al-Maliki nach fast acht Monaten Patt zwischen den verfeindeten Blöcken als den Favoriten für das höchste Amt im irakischen Staat. Er ermöglicht es dem Iran, die Position eines mächtigen Puffers gegen die Interessen der USA einzunehmen, während die dabei sind, ihr Verhältnis mit dem Irak von militärischen Beherrschung in zivile Partnerschaft zu überführen.
Der richtige Zeitpunkt
Hochrangige irakische Beamte haben den Guardian mit Details der Offensive versorgt, die Teheran hinter den Kulissen führte. Sie soll Anfang September begonnen haben, als die USA ihre letzten Kampfeinheiten aus dem Irak abzogen und ein politisches Vakuum hinterlassen mussten, da nach den Wahlen im März noch immer keine Regierung zustande kam. Quellen zufolge hielt Iran seine Stunde für gekommen.
„Die Iraner hielten lange still und wollten den richtigen Zeitpunkt finden. Sie wollten den Amerikanern nicht die Befriedigung verschaffen, mit einem positiven Schlussakkord das Land zu verlassen“, so ein Informant in Bagdad. Wenige Tage nach dem Rückzug forderten die Iraner Muqtada al-Sadr auf, der in Ghom ein selbst auferlegtes Exil gefunden hat, seine vehemente Ablehnung al-Malikis zu überdenken. Sadrs Partei hatte bei den Wahlen im Irak über zehn Prozent der 325 Parlamentssitze gewonnen, was ihn zum einflussreichen Strippenzieher bei der Bildung einer neuen Regierung machte. Der Vorstoß ging ursprünglich von Ajatollah Kazem al-Haeri, dem geistlichen Oberhaupt der Sadristen aus, der seit 15 Jahren ein Pate des Unruhe stiftenden Geistlichen ist. „Zu al-Haeri konnte al-Sadr nicht nein sagen“, so die Quelle.
So reiste im September al-Malikis Stabschef, Abdul Halim al-Zuhairi, mehrfach nach Ghom. Dort traf er sich mit Mohamed Kawtharani, einer der führenden Figuren des Politbüros der libanesischen Hisbollah, und mit einen der Erzfeinde der USA: General Qassem Suleimani, Kopf der Al-Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden (Die wird von den USA für über ein Viertel ihrer getöteten Soldaten in acht Kriegsjahren verantwortlich gemacht).
Kurz darauf konferierte Präsident Ahmadinedjad auf dem Weg zur UNO in New York mit dem syrischen Staatschef al-Assad am Flughafen von Damaskus. Das zweistündige Treffen war entscheidend, um Assads Einstellung gegenüber Maliki zu ändern. Zwischen beiden herrschte 15 Monate lang Schweigen, die Botschafter wurden aus dem jeweils anderen Land zurückgezogen, nachdem al-Maliki Damaskus vorgeworfen hatte, es gewähre Terroristen Unterschlupf, die in Bagdad bei einer verheerenden Anschlagsserie vier Ministerien in die Luft gesprengt hatten. Nun reiste Assad am Tag, nachdem al-Sadrs Plazet für al-Maliki bekannt gegeben worden war, im Gegenzug nach Teheran. Auch zwei weitere geistliche Führer des schiitischen Islam, Großajatollah Ali Khamenei und der libanesische Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah, sollen den Schritt der Sadristen befürwortet haben. „Al-Maliki gab ihnen zu verstehen, er werde unter keinen Umständen den Amerikanern und Briten nach Ablauf des nächsten Jahres weitere Einrichtungen zur Verfügung stellen oder ihren Aufenthalt auf den bestehenden Basen verlängern“, so ein Informant in Bagdad.
Hinter vorgehaltener Hand
Wie die Sicherheitsbeziehungen zwischen den USA und dem Irak künftig aussehen sollen, muss jedoch erst noch ausgehandelt werden. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die Amerikaner darauf hoffen, mindestens eine Militärbasis im Irak als strategischen Brückenkopf in der Region halten zu können, auch wenn es von offizieller Seite heißt, man werde das Engagement im Irak herunterfahren, auch wenn die Sadristen, die in den Kriegsjahren zu den stärksten Gegner der US-Truppen zählten, eine Schlüsselrolle in der Regierung einnehmen sollten.
Diese Offenbarungen fallen in eine Zeit, da scharfe Kritik an der diplomatischen Rolle der USA seit den Wahlen geübt wird. Zunächst hatten sie sich für al-Maliki stark gemacht. Im Sommer wurde ein anderer eingeschlagen, indem für eine Koalitionsregierung unter al-Malikis säkularem Rivalen Iyad Allawi als Premier plädiert wurde, dessen Al-Irakija-Block mehr Stimmen als Malikis Rechtsstaatsallianz bekommen hatte.
„Die politische Strategie der Amerikaner im Irak hat diese iranische Übernahme begünstigt“, meint Allawis Stellvertreter Osama al-Najaifi. „Sie ziehen sich aus dem Irak zurück, und es hat nun den Anschein, dass ihr Verhalten den Sommer über geradezu darauf abzielte, den Iran zu besänftigen. Das wird zu einer Katastrophe in der Region führen – nicht nur für den Irak selbst, sondern auch für die übergeordneten Interessen der USA. Wir sind von einer US-Besatzung direkt zu einer Besatzung durch den Iran übergegangen.“ – Ein hochrangiger Beamter aus Obamas Regierungsstab meint hingegen: „Der Irak hat eine souveräne Regierung, auf solche Debatten lassen wir uns nicht ein. Was das Ausmaß angeht, in dem die Nachbarstaaten des Irak eine konstruktive Rolle spielen wollen, so ist das etwas, das wir begrüßen. Ich betone 'konstruktiv'. Entscheidend ist nicht die Interaktion mit dem Irak an sich, sondern die Qualität dieser Interaktion. Wenn sie destruktiv ist, dann verurteilen wir das.“
Über einen endgültigen Abzug im Dezember 2011 sagte er: Jedes weitere militärische Engagement werde nur auf Verlangen der irakischen Regierung erfolgen. Es gäbe keine Pläne, über den Dezember 2011 hinaus Truppen im Land zu behalten.“ Auch wenn das die offizielle Linie der USA ist, so wird hinter vorgehaltener Hand doch damit gerechnet, dass Washington über das Jahr 2011 hinaus Streitkräfte im Irak belassen und Militärbasen aufrecht erhalten wird, um seine Interessen am irakischen Öl zu sichern, den Irak im Falle destabilisierender Aufstände zu stützen und den Iran in Schach zu halten.
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