Am Ende ist die republikanische Welle ausgeblieben. Genauer gesagt hat sich das Wasser kaum gekräuselt. Die Republikaner haben die US-Midterms gewonnen – das lässt sich nicht leugnen, aber dieser Sieg bedeutet keinen Triumph. Neben den Staaten, die den Konservativen zuneigen, gab es in diesem Wahlzyklus auch eine außergewöhnlich hohe Anzahl von umstrittenen Staaten, in denen demokratische Amtsinhaber nicht wieder zur Wahl antraten.
Die Demokraten konnten in Louisiana oder Arkansas seit 1996, in Georgia seit 1992 und in Alaska seit 1964 keine Präsidentschaftswahlen mehr gewinnen. Dass sie in diesem Staaten verloren haben, stellt insofern keine große Überraschung dar. Hier hingen die Früchte für die Republikaner sehr tief, und sie wandten viel Mühe und noch mehr Geld auf, danach zu schnappen. Die Demokraten haben am 4. November 2014 besser abgeschnitten als bei den Zwischenwahlen 2010. Staaten, in denen sich die Demokraten bei den Gouverneurswahlen unerwartet schwer taten, wie Virginia oder Florida, sind Swing States, die es immer gibt.
An Glauben verloren
Auf jeden Fall war diese Abstimmung kein Referendum über Obama. Und sollte sie das gewesen sein, dann gab es kein klares Ergebnis. Er ist genauso der Präsident von New Hampshire, wo die Demokraten einen Senatorenposten gewonnen haben, wie von Colorado und Georgia, wo sie verloren.
Andererseits sind diese Midterms ein Spiegel von Obamas Präsidentschaft: Seiner zweiten Amtszeit fehlt es an Ziel und Richtung. Sie schleppt sich von einer Krise zur nächsten, von denen viele – Stichworte NSA, Bundessteuerbehörde IRS, Sicherheitslücken im Weißen Haus – selbstgemacht sind. Da, wo er sich klar positioniert hat, wie bei den Waffengesetzen nach dem Amoklauf in Newtown (Connecticut), ist es Obama nicht gelungen, eine Gesetzesänderung zu bewirken. Da, wo er sich nicht klar positioniert und engagiert hat, wie bei der Einwanderungsreform, wurde er dafür abgestraft.
Die Umfragen zeigen, dass die Wähler in entscheidenden Fragen eher Obama unterstützen als die Republikaner: Sie wollen "Obamacare" lieber verbessert als wieder abgeschafft sehen, sie wollen eine Einwanderungsreform, eine Anhebung des Mindestlohns und neigen den Positionen ihres Präsidenten auch bei einer Reihe anderer Themen zu. Das Problem besteht darin, dass nur noch sehr wenige daran glauben, dass Obama in der Lage ist, irgendetwas davon auch wirklich umzusetzen.
Die Republikaner können sich durch dieses Votum kaum bestätigt sehen. Dass sie nun die Kontrolle im Senat übernehmen, stellt zwar eine bedeutende Veränderung dar, was die politische Führung angeht – bei der Gesetzgebung dürfte sich das allerdings nicht als besonders folgenreich erweisen: Die Republikaner gehen nur mit einer kleinen Mehrheit aus den Wahlen hervor, und wenn ihre jüngsten Erfahrungen bei der Führung des Repräsentantenhauses in irgendeiner Weise Rückschlüsse zulassen, steht zu erwarten, dass die Grand Old Party sich als wenig wirkungsvoll erweisen wird.
Davon abgesehen: Gegen alles, was von den Republikanern kommt und den Demokraten nicht schmeckt, kann der Präsident sein Veto einlegen. Obama hat bei Verhandlungen zwar schon öfter wenig Rückgrat bewiesen, aber so lange er nicht einknickt, wird in den anstehenden zwei Jahren nicht mehr beschlossen werden können als in den vergangenen beiden.
Widersprüchliche Signale
Der einzige Unterschied besteht darin, dass diesmal nicht die Demokraten den Republikanern im Repräsentantenhaus deren mangelnde Kompromissbereitschaft vorwerfen werden: Von nun an werden die Republikaner Obama geißeln, er hintertreibe den Willen des Kongresses.
Doch sagt Mitch McConnell, der voraussichtlich neue Mehrheitsführer im Senat: „Nur weil wir ein Zwei-Parteien-System haben, bedeutet dies nicht, dass wir uns permanent streiten müssen. Ich denke, dass ich dies in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal unter Beweis gestellt haben, und hoffe, dass der Präsident mir die Gelegenheit gibt, dies wieder zu tun.“
Einer CNN-Umfrage unter Wählern nach Verlassen der Wahllokale zufolge finden acht von zehn amerikanischen Wählerin, dass der Kongress seiner Rolle und Verantwortung nicht gerecht geworden ist, während beinahe sechs von zehn mit Präsident Obama unzufrieden sind. 44 Prozent schätzen die Demokraten positiv ein, 40 Prozent die Republikaner. Die Amerikaner haben also mehrheitlich die Partei gewählt, mit der sie sich weniger identifizieren, um das Staatsorgan zu führen, dem sie am wenigsten vertrauen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein solches Verhalten nur noch größeren Zynismus zur Folge haben wird.
Am 4. November haben die Wählerinnen und Wähler keine Welle verursacht – sie sind ertrunken.
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