„Passt du auf?“, flüstert Benedict Cumberbatchs Alan Turing in der Eröffnungssequenz. Dem Zuschauer bleibt kaum etwas anderes übrig; Morten Tyldum, der sich mit dem (in der Tonlage ganz unterschiedlich gelagerten) Film Headhunters für diese Regie empfahl, bietet jede Menge Nervenkitzel um Krieg und Geheimcodes auf. Der fesselnde, eindringlich-melancholische Thriller des Norwegers erzählt eine Geschichte über den wackeren Einfallsreichtum der Briten – getrübt von der bitteren Erkenntnis, dass Turing, wie Ex-Premier Gordon Brown es einmal formulierte, „etwas so viel Besseres verdient“ gehabt hätte.
Der Mathematiker und Pionier auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, der nach dem Krieg wegen „grober Unzucht“ verurteilt worden war und postum erst im Dezember 2013 rehabilitiert wurde, hat den Verlauf des Kriegs entscheidend verändert. Das bewahrte ihn allerdings nicht davor, verhaftet, gedemütigt und einer „chemischen Kastration“ unterzogen zu werden. Er starb 1954, vermutlich hatte er von einem vergifteten Apfel abgebissen.
Trotzdem handelt es sich bei The Imitation Game. Ein streng geheimes Leben nicht um eine Tragödie. Vielmehr feiert das Werk Turings außergewöhnliche Leistungen und gibt sich alle popkulturelle Mühe, seine schwierige Hauptfigur als heroischen Außenseiter in Szene zu setzen, gemäß dem Motto aus Graham Moores Drehbuch: „Die Menschen, von denen man es sich am wenigsten vorstellen kann, leisten manchmal etwas, das bis dahin unvorstellbar war.“
Nur widerstrebend von Commander Alastair Denniston (ein vernichtend herablassender Charles Dance) in die Gruppe der schlausten Köpfe an die unter falschem Namen arbeitende Government Code and Cypher School in Bletchley Park in Londons Norden rekrutiert, erwurstelt sich Cumberbatchs unergründlich schräger Vogel den Weg bis zu Winston Churchills Vertrauen und sichert sich so die Mittel für den Bau eines Protocomputers. Mit dem gelingt es Turing am Ende, den täglich wechselnden Geheimcode der Nazis zu knacken.
Unterdessen sichert sich die Mathematikerin und Cambridge-Absolventin Joan Clarke (Keira Knightley) mit einer Bestzeit im Kreuzworträtsellösen einen Platz in Turings Team und merkwürdigerweise auch in seinem Herzen. Während die Zahnräder der neuen Maschine vor sich hinrattern, müht Turing sich vergebens, die von Joan ausgesandten zwischenmenschlichen Signale, das Geheimnis seiner Sexualität und das Gespenst eines verlorenen Freunds aus Kindheitstagen zu entschlüsseln.
Graham Moores Drehbuch folgt der Struktur von Hugh Whitemores Theaterstück Breaking the Code von 1986 und springt geschickt zwischen drei verschiedenen Zeitebenen hin und her: Turings Schulzeit, in der er einmal zu seinem Freund Christopher sagt, Menschen seien wie kryptografische Rätsel; sein Aufenthalt in Bletchley Park mit den nervenaufreibenden Abenteuern in der gefeierten Spezialabteilung; und schließlich die Zeit nach dem Einbruch in Turings Wohnung in Manchester 1952, durch den die Polizei auf seine Homosexualität aufmerksam wird.
Für Eingeweide
Die künstlerischen Freiheiten im Umgang mit der historischen Wahrheit reichen dabei von unvermeidlich bis äußerst umstritten. Andrew Hodges, auf dessen Biografie das Drehbuch basiert, beschwerte sich, der Film bausche die Beziehung Alans zu Joan zu sehr auf, erwecke den Anschein, Turing habe auch gegenüber seinen Freunden und anderen Menschen, denen er vertrauen konnte, einen Hehl aus seiner Homosexualität gemacht, was wie so vieles andere nicht stimmt.
Meist werden die Tatsachen jedoch dem in der Unterhaltungsindustrie vorrangigen Ziel geopfert, einen spannenden Film auf die Leinwand zu bringen. Mag sein, dass Turings Protocomputer in einem ordentlichen Bakelitkasten aufbewahrt wurde, aber das Publikum muss eben die Kabel sehen, die wie Eingeweide aus der Maschine heraushängen.
Entscheidend ist, dass Regisseur Morten Tyldum der innigen Beziehung Raum lässt, die der Erfinder zu seiner Maschine entwickelt. Der Titel des Films bezieht sich auf ein auf Turing zurückgehendes Spiel (eine Version des Turing-Tests), bei dem es darum geht, herauszufinden, ob man mit einem Mann, einer Frau oder einer Maschine spricht – ein Vorläufer des Voight-Kampff-Tests aus Blade Runner (1982), dem The Imitation Game mehr verdankt als etwa dem vermeintlich nächstliegenden Film Enigma von 2001.
So wie Harrison Fords Rick Deckard sich in die Androidin Rachael verguckt, wird Alan Turing nicht von Menschen, sondern von einer künstlichen Intelligenz hingerissen. Sowohl er als auch seine Maschine versuchen, verschlüsselte Kommunikation zu verstehen. Sie sind Fremde in einem fremden Land, auf der Suche nach einer gemeinsamen Sprache.
Es ist Benedict Cumberbatch hoch anzurechnen, dass er seinen Protagonisten komplex und nicht nur kompliziert erscheinen lässt. Er hält mit Turings wahren Motiven und Gefühlen so geschickt hinterm Berg, dass man sich irgendwann fragen kann, ob er nicht doch ein sowjetischer Spion ist. Bestnoten verdient auch Nachwuchsstar Alex Lawther für seine Darstellung des jungen Alan, mit der er der gequälten Engstirnigkeit von Cumberbatchs Performance vortrefflich den Weg bereitet.
The Imitation Game Morten Tyldum GB/USA 2014, 114 Minuten
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