Kampf gegen den großen Satan

Entschuldigung Die iranische Führung heizt den Streit mit den USA an: Amerikanische Filmstars, die das Land besuchen, sollen sich erst einmal für die Sünden Hollywoods entschuldigen

Eigentlich hatte Hollywood dem Iran schon die Hand reichen wollen, bevor US-Präsident Barack Obama diesen Schritt unternahm. Man wollte Film-Gesandte in das vorderasiatische Land schicken, das die amerikanische Filmfabrik als dekadent schmäht und sich von Hollywood als feindselig und rückständig dargestellt sieht.

Sollte die illustre Hollywood-Schar – zu der neben American-Beauty-Darstellerin Annette Bening unter anderem auch Field-of-Dreams-Regisseur Phil Robinson gehört – davon ausgegangen sein, bei ihrer Ankunft im Iran würden sie Frieden und Harmonie erwarten, dann haben sie wohl die Wut unterschätzt, die sich in der hartnäckig anti-westlichen Regierung unter Ahmadinedschad angestaut hat.

Mit der Forderung, die neunköpfige Delegation solle sich für vermeintlich begangene Sünden entschuldigen, wenn sie mit führenden Vertretern der iranischen Filmindustrie zusammenkommen wolle, hat Ahmedinedschads Berater in Sachen Kunst, Javad Shamaqdari, Hoffnungen auf einen reibungslosen Ablauf der Kultur-Detente zunichte gemacht.

"Ungerechtfertigte Angriffe aus Hollywood"

„Den Vertretern des iranischen Kinos wird nur dann erlaubt werden, sich offiziell mit ... den Filmemachern aus Hollywood zu treffen, wenn diese sich bei den Iranern für die in den vergangenen dreißig Jahren begangenen Beleidigungen und Verunglimpfungen entschuldigen,“ sagte Shamaqdari gegenüber der iranischen Studentennachrichtenagentur ISNA. „Die Iraner und unsere Revolution sind immer wieder ungerechtfertigt aus Hollywood angegriffen worden. Wir werden Obamas Politik des Wandels Glauben schenken, wenn wir auch in Hollywood Wandel sehen – wenn Hollywood sein Verhalten gegenüber den iranischen Menschen und der islamischen Kultur korrigieren will, dann muss es von dort eine offizielle Entschuldigung geben.“

Mit dieser Forderung schließt Shamaqdari sich dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad an, der schon zuvor eine Entschuldigung Washingtons für vergangene politische Verfehlungen zur Bedingung für direkte Gespräche zwischen dem Iran und den USA gemacht hatte. Er forderte dies zu einem Zeitpunkt, an welchem die Gruppe, der auch William Horberg, der Präsident der Academy of Motion Picture Arts and Sciences und Desperate-Housewives-Darstellerin Alfre Woodard angehören – zu einer Charmeoffensive antrat, die offiziell als „kreativer Austausch“ gilt, aber auch deutlich darauf abzielt, eine Brücke über die Kluft des gegenseitigen Missverstehens zu schlagen.

Die Einladung in den Iran hatte die Delegation von Khane Cinema erhalten, der größten Filmgruppe des Landes, die dem Ministerium für Kultur und islamische Führung untersteht. Auf dem Programm stehen Workshops zur Schauspielerei, Regiearbeit und weiteren Bereichen des Filmgeschäfts sowie Besuche der Einrichtungen der staatlichen iranischen TV-Anstalt IRIB. Darüber hinaus wurden Treffen mit Majid Majidi und Ebrahim Hatamikia in Aussicht gestellt, zwei iranischen Regisseuren, die mit der theokratischen Regierung auf gutem Fuße stehen.

Angst vor "samtener Revolution"

In jüngster Zeit hat der Iran immer wieder Bemühungen zu einem kulturellen und akademischen Austausch mit den USA behindert, da diese ein Mittel zur Entfachung einer „samtenen Revolution“ gegen das islamische Regime sein könnten. So wurde vergangenen Monat einer amerikanischen Frauen-Badminton-Mannschaft die Einreise verweigert, obwohl diese dort zu einem Turnier eingeladen war.

Die Tatsache, dass den Hollywood-Stars nun Visen ausgestellt wurden, lässt darauf schließen, dass die iranische Regierung Einfluss auf das von ihr gezeichnete Bild nehmen will und untergräbt Äußerungen des Pressesprechers der Akademie, Leslie Unger, der behauptet hatte, mit dem Besuch seien „keine politischen Absichten“ verbunden.

„Die Anwesenheit der Delegation könnte eine Gelegenheit bieten, das echte Bild des Iran zu zeigen und dem aktuellen Strom anti-iranischer Hollywoodproduktionen etwas entgegenzusetzen, in denen der Versuch unternommen wird, das Land kriegerisch und militaristisch darzustellen,“ war in der iranischen Zeitung Etemaad zu lesen. „Die bekannten Film-Persönlichkeiten können sich ein vielseitiges Bild vom heutigen Iran machen.“

Offizielle werfen der amerikanischen Traumfabrik vor, das Land vorsätzlich und systematisch verzerrt darzustellen und unterstellen Hollywood, von pro-zionistischen Interessen kontrolliert zu werden.

Vor zwei Jahren bezeichnete die Ahmedinedschad-Regierung die Warner Bros-Produktion 300, in der es um die Schlacht bei den Thermopylen (zwischen Griechen und Persern im Jahr 480 vor Christus) geht, als „psychologische Kriegsführung“ und reichte bei der UN die Beschwerde ein, die Iraner würden in dem Streifen rassistisch stereotypisiert. Erst kürzlich erregte der Film The Wrestler mit Mickey Rourke Unmut, in dem unter anderem ein Wrestler namens „Der Ayatollah“ auftritt.

"Teil des Großen Satans"

Aus Misstrauen Hollywood gegenüber wies Ahmadinedschad auch eine Anfrage des US-Regisseurs Oliver Stone zurück, der eine Dokumentation über ihn drehen wollte. Die Berater des iranischen Präsidenten bezeichneten Stone als „Teil des Großen Satans“, obwohl der Filmemacher für seine linke Gesinnung bekannt ist und bereits Dokumentationen über Fidel Castro und Yassir Arafat sowie einen Spielfilm über John F. Kennedy gedreht hat.

Die feindselige Einstellung auf offizieller Seite steht in Gegensatz zu der vieler Einwohner des Iran, die auf Raubkopien oder auf angeblich illegalen Satellitenkanälen mit Begeisterung Hollywoodfilme schauen. Auch im staatlichen Fernsehen werden Hollywoodfilme gezeigt, wenngleich in zensierten Fassungen, die keine Szenen enthalten, die vermeintlich den islamischen Moralvorstellungen widersprechen.

* * *

Internationale Filmproduktionen, die den Unmut der iranischen Führung erregten:

The Wrestler: Führte zu Entrüstung, weil Hauptdarsteller Mickey Rourke einen Mast mit einer iranischen Fahne über dem Knie zerbricht. Des Weiteren tritt ein Wrestler namens „Der Ayatollah“ auf, der einen knappen Kampfanzug in den Nationalfarben des Iran trägt.

Die Steinigung von Soraya M: Ein Film, in dem eine wegen Ehebruchs verurteilte Frau durch Steinigung getötet wird.

Alexander: Oliver Stones Film über Alexander den Großen aus dem Jahr 2004 zog Kritik auf sich, weil er den antiken mazedonischen König zu sympathisch portraitierte, dem die Iraner die Zerstörung von Persepolis im Jahr 330 v. Chr. zuschreiben.

Body of Lies: Im der Produktion aus dem Jahr 2008 (Regisseur: Ridley Scott) sind die Haare der iranischen Schauspielerin Golshifteh Farahani zu sehen.

300: Weil die Perser hier angeblich blutrünstig und gewalttätig dargestellt werden.

Nicht ohne meine Tochter: Der Film zeigt die Flucht der Amerikanerin Betty Mahmoody aus dem Iran. Die Regierung verurteilte den - auf einer wahren Begebenheit beruhenden - Film, weil er einen negativen Eindruck vom Iran vermittle und verbot die Buchvorlage.





Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Robert Tait, The Guardian | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Wissen, wie sich die Welt verändert. Abonnieren Sie den Freitag jetzt zum Probepreis und erhalten Sie den Roman “Eigentum” von Bestseller-Autor Wolf Haas als Geschenk dazu.

Gedruckt

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt sichern

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden