Die Cholera ist eines der am deutlichsten sichtbaren Symptome des Zusammenbruchs Simbabwes. Tausende Menschen sind bis dato an der Seuche gestorben, weitere Zehntausende erkrankt. Millionen verarmter, halb verhungerter Simbabwer müssen Angst vor ihrem eigenen Trinkwasser haben.
Das Video von The Guardian finden Sie hier.
Doch Präsident Mugabe versucht die Cholera unsichtbar zu machen. Die Sterbenden werden in hastig errichteten Behandlungszentren versteckt, hinter Stacheldraht und unter Polizeiüberwachung, die Opfer fern der neugierigen ausländischen Blicke begraben. Mugabe hat die Epidemie trotz der immer rascher in die Höhe schnellenden Zahl der Toten für abgeklungen erklärt und behauptet, hinter der Krankheit stecke eine Verschwörung Großbritanniens.
Ein Film, den der Guardian kürzlich aus dem Land herausschmuggeln konnte, zeigt jetzt, was der autokratische Staatschef verbergen will: Die harsche Wirklichkeit des Lebens und Sterbens inmitten einer Cholera-Ausbruchs, den die Organisation Ärzte ohne Grenzen in der vergangenen Woche eine „gewaltigen medizinische Katastrophe“ nannte, „die zunehmend außer Kontrolle gerät“.
„Das Erbrochene schmeckte sehr bitter“
Stimmen aus den Townships Simbabwes, in denen Abwasser durch die Straßen rinnt und verseuchtes Wasser die Trinkwasservorräte verunreinigt, erzählen von der Angst vor einer heimtückischen Krankheit, vor der niemand sicher ist. Mütter erzählen, dass ihre Kinder inmitten kontaminierter Gewässer spielen, die wieder andere als ihre einzige Trinkwasserquelle bezeichnen. Eine Interviewte berichtet, es sei seit April kein fließendes Wasser mehr aus den Hähnen geflossen. Eine andere macht auf das Dreckwasser auf ihrer Veranda aufmerksam, in dem ihre Kinder spielen. Eine Frau beschreibt, wie es ist, wenn man die Cholera hat: „Zuerst bekam ich Kopfschmerzen. Nachdem die sich ein bisschen gebessert hatten, fing ich an mich zu übergeben und bekam Durchfall. Das Erbrochene schmeckte sehr bitter.“
Die Bilder zeigen auch, wie einer der inzwischen mehr als 3.700 Toten – ein Mann in braunen Hosen und blauem Hemd – auf der Ladefläche eines Lieferwagens herangefahren, mit Desinfektionsmittel besprüht und weggetragen wird, um beerdigt zu werden. Wer es bis in eines der eilig eingerichteten Cholera-Zentren schafft, hat zumindest die Chance zu überleben. Viele sterben aber zuhause, was auch vermuten lässt, dass die tatsächliche Zahl der bisherigen Todesopfer weit größer ist als bekannt.
Kollabierte Infrastruktur
Die Krankheit war im vergangenen Sommer ausgebrochen, nachdem im Zuge des Zusammenbruchs der Infrastruktur durch Misswirtschaft und Plündereien Abwasserleitungen gebrochen waren und das Trinkwasser kontaminiert hatten. Seitdem sind mehr als 80.000 Menschen erkrankt, da entweder kein Geld für die Reparatur der Rohre zur Verfügung steht oder dieses veruntreut wurde. Wochenlang gab es keine chemischen Mittel zur Reinigung des Trinkwassers.
Vielerorts ist die Wasserversorgung ohnehin abgestellt worden, viele Menschen sind gezwungen, sich zum Stillen ihres Durstes oder zum Kochen aus stehenden Tümpeln oder offenen Rinnsalen zu bedienen. Im Guardian-Film ist zu sehen, wie das Mitglied eines Gemeinderates einen Wasserhahn aufdreht. Es kommt nichts heraus. „Es gibt kein Wasser“, sagt er. „Mit dem Choleraproblem sitzen wir auf einer Zeitbombe.“
Bevor die Krankheit unter Kontrolle gebracht werden kann, werden ihr wahrscheinlich noch viele Menschen zum Opfer fallen. Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass sich infolge wochenlanger Regenfälle Fluten gebildet haben, die die Bakterien in Bächen und Flüssen im ganzen Land verbreiten.
Abwasser voller Würmer
Die stinkenden Abwässer lassen die Vernachlässigung durch den Staat erkennen. Auch der Schulbetrieb ist zum Erliegen gekommen und so spielen die Kinder in Harares Townships den ganzen Tag auf den Straßen, die sich buchstäblich in Abwasserströme verwandelt haben. Doch selbst wenn sie zuhause festgehalten werden, sind sie nicht vor der Krankheit gefeit. Angela aus Harare sagt, bei Regen würde Abwasser „mit Würmern“ ihre Veranda überfluten, auf der die Kinder spielen. „Uns wird gesagt, wir sollten uns die Hände waschen, aber was für einen Sinn hat das, wenn wir diesen Gestank einatmen?“
Die Ärzte ohne Grenzen, die bisher 45.000 Fälle behandelt haben, warnten vergangene Woche, es gebe keine Anzeichen für ein Abebben der Epidemie. Jede Minute würden sie einen neuen Cholera-Patienten verzeichnen. „Die Gründe für den Cholera-Ausbruch liegen auf der Hand,“ heißt es von Seiten der Hilfsorganisation. „Es fehlt an Zugang zu sauberem Wasser, die Abwasserleitungssysteme sind kaputt und verstopft, die Straßen sind voller Müll, der nicht abgeholt wird. Das alles sind deutliche Anzeichen dafür, dass als Ergebnis des politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Landes auch die Infrastruktur zusammengebrochen ist.“ Die Zahl der Todesopfer, die dieser Cholera-Ausbruch fordert, wird zudem von weiteren Faktoren in die Höhe getrieben.
In dem Land, in dem rund sieben Millionen Menschen – ein Drittel der Bevölkerung, die es in Simbawe noch gibt – auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind, sind Hunger und Unterernährung an der Tagesordnung. Selbst wer Mais- und Bohnenrationen erhält, hat kaum genug zu essen. Viele Simbabwer bekommen nur noch eine Mahlzeit am Tag, manche auch nur alle paar Tage. Deshalb ist ihr Immunsystem geschwächt und die Menschen sind krankheitsanfälliger. Unter diesen Umständen ist die Cholera nicht der einzige Killer. Während täglich ungefähr 20 Menschen an der Krankheit sterben, sterben hunderte an Aids.
Trotzdem hat die Cholera eine ungleich größere Furcht ausgelöst. Denn wenn ein Bewohner eines Dorfes oder Straße erkrankt, schwebt die ganze Nachbarschaft in Gefahr, sich anzustecken. „Simbabwes einst hochgelobtes Gesundheitssystem ist auf verheerende Weise implodiert, Davon sind nicht nur die Cholerapatienten betroffen,“ sagt Manuel Lopez, der Vorsitzende der Ärzte ohne Grenzen in Simbabwe. „Uns ist bekannt, dass die öffentlichen Krankenhäuser die Leute wegschicken. Den Gesundheitszentren gehen Vorräte und Gerätschaften aus, es gibt einen akuten Mangel an medizinischem Personal. Die Patienten können sich die Anreise nicht leisten, um ihre HIV-Medikamente abzuholen oder sich behandeln zu lassen, und viele unserer Kliniken sind überfüllt.“
Kein Geld für Medikamente
Selbst in den Krankenhäusern, in denen medizinische Versorgung noch möglich ist und einigermaßen funktioniert, werden die Leute gezwungen, für die Medikamente und die medizinische Versorgung zu bezahlen, bevor sie behandelt werden. Bei einer Arbeitslosenrate von 94 Prozent, einer wertlosen Landeswährung und Millionen, die von der Hand in den Mund leben, können nur sehr wenige sich dies leisten.
In dem Film spricht ein grauhaariger Mann in einem zerrissenen Hemd davon, er habe sich durch das Trinken von kontaminiertem Wasser mit Würmern angesteckt. „Wir holen uns Würmer aus dem Brunnenwasser. Wir müssen den Brunnen desinfizieren“, sagt er.
Er zeigt die Stelle auf seiner Brust, an der sich einer der Würmer durch das Fleisch gearbeitet hat. Zwei Wochen nach den Aufnahmen starb er an der Cholera. Seine Frau sagt, er habe sterben müssen, weil sie kein Geld für die medizinische Behandlung aufbringen konnten. „Im Krankenhaus gibt es keine Medikamente und wir haben kein Geld, um uns behandeln zu lassen,“ berichtet sie. „Er hätte eigentlich am Tropf hängen sollen. Aber dafür wurde Geld verlangt und ich hatte keines. Er starb, weil kein Geld da war.“
Sterberate bei 4,7 Prozent
Den neusten Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge hat das Simbabwer Ministerium für Gesundheit und Kinderschutz seit dem Ausbruch der im August 2008 79.613 Choleraverdachtsfälle gemeldet. Zuvor hatten Gesundheitsexperten geschätzt, dass die Zahl im schlimmsten Fall bei 60.000 liegen würde. In 3.731 der gemeldeten Fälle kam es zum Tod, womit die Sterberate insgesamt bei 4,7 Prozent liegt.
Alle zehn Provinzen Simbabwes sind von dem Ausbruch der Krankheit betroffen. Im ganzen Land sind derzeit ungefähr 365 Cholera-Behandlungszentren in Betrieb. Trotzdem stirbt fast die Hälfte der Todesopfer in der eigenen Gemeinde und nicht in medizinischen Einrichtungen.
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