Kein göttliches Mandat für den ANC

Südafrika Eines darf mit Blick auf die Wahlen am 22. April und den ANC-Führer Jacob Zuma nicht vergessen werden: Südafrika ist nicht Simbabwe, Wahlbetrug kaum denkbar

Niemand hegt Zweifel, dass die morgigen Parlamentswahlen in Südafrika frei und fair ablaufen werden. Und auch wenn Jakob Zumas ANC sich eindeutig nach links orientiert, hat dies doch rein gar nichts mit den voluntaristischen Experimenten Robert Mugabes zu tun, die Simbabwe in die Knie gezwungen haben. Anders als sein Nachbar ist Südafrika eng in die Weltökonomie eingebunden. Es verfügt über eine robuste Zivilgesellschaft, überaus kritische Medien und eine unabhängige Judikative, die nicht davor zurückschreckt, gegen Politiker vorzugehen, was von diesen wiederum akzeptiert wird.

Selbst wenn Zuma autoritärere Züge wie Mugabe annehmen sollte, würde er nicht zuletzt von seiner eigenen Partei in die Schranken gewiesen. Schließlich hat sie schon Thabo Mbeki den Laufpass gegeben, als der sein Blatt überreizte und ein drittes Mal Parteivorsitzender werden wollte. Der ANC scheint der tödlichen Falle der afrikanischen Demokratie entkommen zu sein: dem Herrscher auf Lebenszeit. Andererseits blühen diese begrüßenswerten demokratischen Instinkte nur dank der sicheren Mehrheit der herrschenden Partei und ihrer Überzeugung, sie habe ein göttliches Mandat zur Führung Südafrikas? Zuma redet gern davon, dass der ANC bis zum jüngsten Tag regieren werde. Und selbst Mandela wiederholte während seines Auftritts bei der letzten Wahlkampfveranstaltung des ANC am Sonntag mehrfach, der ANC habe eine „historische Verantwortung, unsere Nation zu führen“.

Alternative für schwarze Wähler

Diese Selbstwahrnehmung rührt von den Wahlergebnissen her: 2004 konnte der ANC nahezu 70 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, dieses Mal voraussichtlich über 60 Prozent. Er ist nach wie vor die Kraft der Befreiung, mit einem Pantheon gottgleicher Helden wie Mandela. Er ist die Heimat der meisten schwarzen Südafrikaner – eine Heimat, die man nicht so leicht verlassen kann. Wenn aber die jugendliche südafrikanische Demokratie erwachsen werden soll, ist es von entscheidender Bedeutung, dass der ANC lernt, mit der Möglichkeit von Niederlagen und mit einer starken Oppositionspartei umzugehen, die fest in der schwarzen Mehrheit des Landes verwurzelt ist. Die offiziell einzige Oppositionspartei, die Demokratische Allianz, wird dem ANC zwar die Mehrheit in der Westlichen Kap-Provinz abnehmen, sie wird aber immer noch und zurecht als Interessenvertretung einer rassistischen weißen Minderheit wahrgenommen.

Als 2008 von Getreuen des geschassten Ex-ANC-Vorsitzenden Mbeki mit Cope – Congress of the People – eine neue Partei ins Leben gerufen wurde, schien dies die erste wirkliche Alternative für schwarze Wähler, die sich vom ANC abwenden. Aber auch wenn Cope dem ANC einen bedeutenden Verlust zufügen sollte, muss sich die Partei doch anstrengen, über zehn Prozent der Stimmen zu kommen.

Eine indirekte Drohung

Die neue Partei hat dank der dubiosen Hinterlassenschaft Mbekis mit gewaltigen Kinderkrankheiten zu kämpfen. Ihre Existenz beflügelt den ANC geradezu, der sich bisher immer darin gefiel, von sich als einer „Familie“ zu sprechen: Zuma forderte denn auch im Wahlkampf dazu auf, den wärmenden Herd des ANC nicht zu verlassen, denn draußen sei es kalt – der ANC kümmert sich um die Seinen, so die unmissverständliche Botschaft. Doch in einem Land mit einer verheerenden Arbeitslosigkeit, in dem der Staat in manchen ländlichen Gegenden oft der einzige Arbeitgeber ist und nahezu 25 Prozent der Bevölkerung auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind, enthält eine solche Idee unweigerlich eine indirekte Drohung.

Man könnte argumentieren, dass die Mehrheit im heutigen Südafrika ihren Interessen immer noch am besten dient, wenn sie ihr Kreuz bei Zuma macht, von dem sich die Armen am meisten erhoffen können. Der Umstand aber, dass eine zahlenmäßig kleine, doch symbolisch bedeutsame Gruppe schwarzer Wähler sich zum ersten Mal vom ANC abwenden wird – viele von ihnen sind jung und ohne jegliche Verbindung zum Kampf gegen die Apartheid – ist ein wichtiges Zeichen für Südafrikas politische Gesundheit. Es ist die notwendige Neuausrichtung, an deren Ende womöglich das Ende der Alleinherrschaft des ANC stehen muss, wenn das Land weiter wachsen und gedeihen soll.

Mark Gevisser ist Autor des Buches A Legacy of Liberation: Thabo Mbeki and the Future of the South African Dream.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Mark Gevisser, The Guardian | The Guardian

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