Die Waffenstillstandserklärung der ETA vom 5. September ist der Höhepunkt jahrelangen Debattierens und Taktierens seitens der baskischen Aktivisten. Sie stellt den aufrichtigen Versuch dar, zu einer Lösung des Konflikts beizutragen. Ich glaube – sie hat das Potential, den Konflikt mit dem spanischen Staat zu einem Ende zu bringen. An diesem Dialog war ich zusammen mit anderen Sinn-Féin-Politikern beteiligt. Die Diskussionen fanden teils im Baskenland, teils in Belfast statt. Immer wieder reisten Sinn-Féin-Abgeordnete zuletzt auch nach Genf, um baskische Delegierte zu treffen. Viele von ihnen sehen den irischen Friedensprozess als Vorbild und orientieren sich zu einem großen Teil an unseren Erfahrungen.
Fairness geboten
Nach den Erfahrungen der Waffenruhe von 2006 im Baskenland, die nach nur neun Monaten mit gegenseitigen Beschuldigungen endete, gibt es nun sowohl auf baskischer als auch auf spanischer Seite Skeptiker. Doch man darf nicht zulassen, dass aus (übertriebener) Vorsicht zu viele Vorbedingungen für einen Dialog gestellt werden.
Während des irischen Friedensprozesses erlebten wir, wie mit dem Gebrauch und der Deutung gewisser Worte Scrabble gespielt und damit der Prozess verzögert wurde. Wenn er erfolgreich sein soll, dann muss ein glaubhafter Prozess zwischen dem baskischen Volk und dem spanischen Staat demokratische Mandate respektieren. Die Wählerschaft hat das Recht, zu entscheiden, von welcher Partei sie vertreten werden möchte, und diese Entscheidung sollte die spanische Regierung anerkennen und respektieren.
Seit Ende 2009 haben die baskischen Parteien, Gewerkschaften und politischen Aktivisten einen beeindruckenden internen Prozess durchlaufen und eine Strategie formuliert. Mehrere tausend Aktivisten waren daran beteiligt. Man wollte sich auf einen neuen politischen Ansatz verständigen. Im Februar stimmte eine Konferenz der Abertzale-Linken, zu der auch die verbotene baskische Partei Batasuna zählt, einem neuen, breitangelegten Ansatz zu. Auch das entsprach dem irischen Vorbild.
Die neue Strategie verpflichtet die baskische Seite, „ausschließlich politische und demokratische Mittel anzuwenden“ und strebt einen politischen Wandel „ohne jede Gewalt und ohne störende Eingriffe“ an, „der in Übereinstimmung mit den Mitchell-Prinzipien erreicht werden soll". Diese Strategie hallt in der Erklärung der ETA vom Wochenende nach.
Risiken bleiben
In ihrer Video-Botschaft bestätigte die ETA ihre „Verpflichtung, eine demokratische Lösung des Konflikts zu finden. Sie ist heute wie gestern bereit, den demokratischen Mindestauflagen zuzustimmen, sofern die spanische Regierung zum Dialog bereit ist. Die Völkergemeinschaft sollte jetzt auf den Willen und die Verpflichtung der ETA reagieren, um am Aufbau einer dauerhaften, gerechten und demokratischen Lösung des jahrhundertelangen politischen Konflikts mitzuwirken.
Von Bedeutung ist auch, dass die Abertzale-Linke in ihrer Antwort auf die Erklärung der ETA diese Initiative als eine „unilaterale und bedingungslose Einstellung der militärischen Operationen auf unbestimmte Zeit“ bezeichnet. Sie spricht weiter davon, dass kontinuierlich Initiativen entwickelt werden sollten, um Fortschritte zu erzielen.
Die Position der Abertzale-Linken legt nahe, dass die baskischen Parteien verstanden haben, wie wichtig es ist, auf dieser Initiative aufzubauen. Und auch die Regierung in Madrid hat nun die große Verantwortung, diese Gelegenheit für Frieden und Fortschritt zu ergreifen. Sie muss vorausschauend denken und jene Stimmen ignorieren, die nach einer Lösung in Form von Sieg und Niederlage streben. Auch die Völkergemeinschaft wird ihre Rolle wahrnehmen müssen, wie sie es im irischen Friedensprozess tat und derzeit bei den Nahost-Verhandlungen tut, die vergangene Woche aufgenommen wurden.
Vor uns liegen Gefahren. Kein Prozess zur Beilegung eines Konflikts kann jemals ohne Risiko sein. Doch die Vorteile im Erfolgsfall überwiegen bei weitem die Gefahren eines Scheiterns.
Übersetzung: Christine Käppeler
Gerry Adams ist seit 1983 Vorsitzender der Sinn Féin Partei, die traditionell und geschichtlich eng mit der Irish Republican Army (IRA) verbunden ist. Er war bis zum "Karfreitagsabkommen" von 1998 einer der Architekt des nordirischen Friedensprozesses und blieb es bis beute.
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