Keine Extrawürste mehr

USA Barack Obama will die US-Banken mehr am Zügel führen und ihnen deshalb einen Verhaltenskodex auferlegen. Viele Banker empfinden das als Kampfansage, nicht zu Unrecht

Eines der schlechtesten Argumente, das die Banker gegen die von US-Präsident Obama vorgeschlagene Regulierung ihrer Machenschaften ins Feld führen, besteht in der Behauptung, diese sei zu kompliziert. Als es darum ging, aus Hypothekenanleihen immer neue Wertanlagen zu erfinden, die am Ende oft so verpackt waren, dass selbst die Banken nicht mehr wussten, was sie da eigentlich kauften, hatten die Herren mit dieser Art Komplexität kein Problem. Und verglichen mit den toxischen Derivaten bestechen die von US-Präsident Obama vorgeschlagenen Regulierungen geradezu durch ihre Einfachheit. Letztendlich geht es lediglich um eine stärkere Trennung von Privatkundengeschäft und Kapitalmarktspekulationen. Die wurde in den USA bereits mit den Glass-Steagall-Acts von 1933 eingeführt und erst nach 1990 schrittweise wieder rückgängig gemacht. Nun will Obama sie wieder einführen.

Das Casino flog in die Luft

Der Grund für die Reformabsichten des Weißen Hauses ist offensichtlich. Die Kreditkrise wurde auf der „Casino“-Seite verursacht. Hier wurden all die Schulden aufgetürmt, die Risiken eingegangen und die Boni ausgezahlt. Die Banken kamen damit durch, weil sie mit ihren Dienstleistungen wie Kontenführung und Kreditfinanzierung eine soziale Funktion erfüllten, die für Privat- wie für Geschäftskunden von solcher Bedeutung war, dass der Staat das Risiko einer Insolvenz fürchtete. Es gab dafür das Schlagwort „to big too fail“. Als das Casino dann in die Luft flog, riss es wegen des weit verzweigten Netzes an Anleihen auf Schuldscheine „gesunde“ Teile des Finanzsystem mit sich. Das wäre vollends kollabiert, hätte der Staat nicht mit Geld der Steuerzahler interveniert.

In Großbritannien ist die Regierung über Obamas Vorstellungen gespalten und weiß nicht, was sie tun soll. Einerseits würde sie gern der Empörung der Bevölkerung über die Exzesse der Banker gerecht werden, andererseits hat sie Angst vor einer Konfrontation mit der City. Investoren und Märkte sollen nicht verschreckt werden, wo es gerade erst wieder bergauf geht. Die Konservativen sehen, dass Obama Recht hat und unterstützen seine Vorschläge. Labour sollte es ihnen nachtun. Je mehr der internationale Konsens bezüglich stärkerer Regulierungen wächst, desto merkwürdiger mutet die Erwartung der Londoner City an, man werde ihr schon eine Extrawurst braten.

Ein grundlegender Irrtum

Banker fordern oft, die Leute sollten stolz auf den unvergleichlichen Beitrag sein, den die Banken für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes leisten. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Großbritanniens aufgeblasener Finanzsektor ist kein nationales Aushängeschild mehr, sondern vielmehr zu einer Belastung geworden. Die Banken sind im Unrecht, wenn sie glauben, ihre Größe müsste sie beschützen. Der Irrglaube, sie seien zu groß, um zu scheitern, hat uns überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht. Wenn sie immer noch zu groß sind, ist dies nur ein weiterer Grund dafür, sie auf eine angemessene Größe zurecht zu stutzen.

Übersetzung: Holger Hutt

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Editorial | The Guardian

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