Kenia: Ein Verbot von Plastiktüten löst das Müllproblem des Landes nicht

Umweltschutz Auf Straßen oder Plätzen in Nairobi liegt überall Plastikmüll und birgt die Gefahr, bei heftigem Regen die Abflüsse zu blockieren, von akuter Verschmutzung einmal abgesehen
Ausgabe 23/2023
Eine Landschaft aus unserem Müll
Eine Landschaft aus unserem Müll

Foto: Tony Karumba/AFP via Getty Images

Auf einer riesigen Deponie durchwühlt Emmanuel Lucy Berge aus Glas, Metall und Essensresten. Der 25-jährige Müllsammler sortiert und zieht mit der Hand, die in einem Handschuh steckt, Plastikflaschen heraus, die er in einen groben Leinensack wirft. Lucy zählt zu den Tausenden, die Nairobis Straßen und Müllhalden nach recycelbaren Materialien absuchen. An einem guten Tag auf der Dandora-Müllkippe verdient er 350 kenianische Schilling (2,50 Euro) für mehrere Kilo Plastikflaschen, die er über Agenten an Recycling-Firmen verkauft. Seit er acht war, geht Lucy mit Unterbrechungen dieser Beschäftigung nach.

Im vergangenen Jahrzehnt ist in Kenia die Menge der hergestellten Plastikprodukte explodiert. In der Hauptstadt mit ihren 4,4 Millionen Einwohnern fallen täglich mehr als 2.400 Tonnen Feststoffabfall an. Ein Fünftel davon ist Plastik. Auch deshalb sind seit 2017 Einweg-Plastiktüten verboten. Ein Schritt, der als bahnbrechend gelobt wird, weil sich das Gros der Bevölkerung daran hält. 2020 wurde zudem Einwegplastik in geschützten Gebieten wie Nationalparks untersagt.

Die Arbeit der Müllsammler macht sie anfällig für Infektionen

Auch wenn das Plastiktüten-Verbot ein Erfolg ist, kann es das Müllproblem des Landes nicht lösen. Viele Formen von Plastik wie Flaschen, Mülltüten und Take-away-Behälter blieben ausgeklammert. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Sinn des Verbots unterlaufen, indem wir so viel Plastikmüll durch Erstverpackungen zulassen“, meint der Umweltaktivist James Wakibia. „Wenn ich zum Fluss runtergehe und so viele Plastikflaschen und anderen Plastikmüll sehe, frustriert mich das. Wir müssen gegen diese Art von Verschmutzung kämpfen.“

Auf den Straßen, die zur Dandora-Deponie führen, liegt überall Plastikmüll und birgt die Gefahr, bei heftigem Regen die Abflüsse zu blockieren. „Viele Lastwagen transportieren den Müll ohne Abdeckung, sodass ein Teil auf der Straße landet“, sagt Gregory Ngugi, der die Jugendgruppe Dandora Youth Multipurpose anführt. Nahe der Halde hängt der Geruch von ranzigem Abfall in der Luft. Zu dem beim Transport herunterfallenden Müll komme eine rein informelle Abfallentsorgung im Viertel, die völlig unzureichend sei, moniert Ngugi. Kein Wunder, wenn Anwohner häufig ihre Abfälle auf die Straße werfen und dann Müllsammler wie Emmanuel Lucy gefragt sind, obwohl sie wegen ihres Jobs heftige Stigmatisierung erfahren. Ihre Arbeit macht sie anfällig für bakterielle Infektionen und Cholera. Diejenigen, die auf der Müllhalde schlafen, riskieren zudem, in Kontakt mit giftigen Substanzen zu kommen. „Diese Arbeiter sind jeden Tag dem Tod ausgesetzt“, klagt John Chweya, Vorstand des Nationalen Müllsammlerverbandes. „Müllsammler – wer sonst? – tragen die Folgen, wenn Unternehmen die Umwelt verschmutzen. Trotzdem werden sie nicht angemessen bezahlt.“

Unterdessen fürchten die Anwohner von Dandora, dass sich die zwölf Hektar große Deponie demnächst weiter ausbreitet und die Bar „Peru“ dran glauben muss. Im Juli tritt endlich ein Gesetz zum nachhaltigen Müllmanagement in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, Umweltschäden zu reduzieren, die durch ihre Produkte entstehen. Sie können das einzeln erledigen oder durch kollektive Maßnahmen. Bisher war die Privatwirtschaft nicht gezwungen, sich an Recyclingprogrammen wie PETCO zu beteiligen. Diese Initiative wurde 2018 ins Leben gerufen, nachdem die Regierung gedroht hatte, Produktion und Verkauf von Plastikflaschen zu verbieten, doch hielt sich der Erfolg in Grenzen. „Es gibt über 1.000 Unternehmen in Kenia, die Trinkwasser in Flaschen produzieren, aber die Initiative erfasste nur 13 oder 14“, sagt PETCO-CEO Joyce Gachungi. Jetzt hofften viele auf die neue Gesetzgebung, die bei den Herstellern ansetzt und ab 2024 greifen soll. „Die längste Zeit hat sich die Industrie vor der Verantwortung gedrückt“, so Umweltaktivist Wakibia. „Das Gesetz wird sie in die Pflicht nehmen.“

Caroline Kimeu ist Ostafrika-Korrespondentin des Guardian

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Übersetzung: Carola Torti
Geschrieben von

Caroline Kimeu | The Guardian

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