Kennedy ist kein Einzelfall

V-Mann Ein Polizist war als Spitzel in der britischen Umweltszene aktiv. Und nicht nur dort: Er bereiste 22 Länder und sammelte Informationen über linke Aktivisten

Seit geraumer Zeit sorgt in Großbritannien der Fall eines enttarnten Polizeispitzels für Aufregung. Der Polizist Mark Kennedy vom Londoner Metropolitan Police Service (Met) hat sieben Jahre lang unter anderem die Umweltszene Großbritanniens ausspioniert und war damit offenbar Teil einer koordinierten Operation der Polizei zur Störung einer von friedlichen Aktivisten getragenen Kampagne gegen den Klimawandel.

Der 41-jährige Kennedy, der sich unter dem Namen „Mark Stone“ in die Szene eingeführt hatte und angab, er arbeite als freiberuflicher Kletterer, hatte an Dutzenden von Protestaktionen in ganz Großbritannien und Europa teilgenommen und sich so das Vertrauen der Umweltaktivisten erworben und gelangte an sensible Details. Er erhielt den Spitznamen „Flash“, weil er sehr großzügig mit Geld umging, anderen Aktivisten half, Busse zu mieten und Gerichtsstrafen zu bezahlen. Mit einem gefälschten Pass 22 Länder bereiste, Informationen über linke Aktivisten sammelte und ungefähr seit 2003 sensible Details an seine Vorgesetzten weitergab.

Doch Kennedy sammelte nicht nur Informationen, sondern entwickelte sich zunehmend als treibende Kraft hinter neuen Aktionen. Als er zusammen mit 113 anderen Aktivisten in einer Schule verhaftet wurde, wo sie sich vor der geplanten Besetzung eines Kohlekraftwerkes versteckt hatten, nahm er sich als einziger einen eigenen Anwalt und wurde daraufhin sofort freigesprochen. Seine Freunde wurden misstrauisch und fanden bei ihm Papiere, die seine wahre Identität belegten. Als sie ihn im Oktober zur Rede stellten, gestand Kennedy, erklärte, er bereue, was er getan habe und gab an, er sei bei weitem nicht der einzige Polizeiagent gewesen, der auf die Umweltaktivisten angesetzt war.

Von den 113 potenziellen Besetzern wurden 26 angeklagt und 20 zu geringfügigen Strafen verurteilt. Die Anklage gegen die verbliebenen sechs Angeklagten wurde am vergangenen Montag vor dem Nottingham Crown Court fallengelassen, nachdem sie die Staatsanwaltschaft aufgefordert hatten, Einzelheiten über Kennedys Funktion zu offenbaren. Ihr Anwalt erklärte, die das Verfahren hätte ohne Kennedys Enttarnung zu einem ernsthaften Justizirrtum führen können.

Nachdem er seine Arbeit für die Polizei beendet und seine Taten bereut hat, bot Kennedy seine Hilfe bei der Verteidigung der Angeklagten an. Mike Schwarz, ein Anwalt bei der Kanzlei Bindmans, sagte, Kennedy habe sich die Sache zu eigen gemacht und sei zu der Überzeugung gelangt, der Kampf gegen den Klimawandel sei notwendig.

In der britischen Öffentlichkeit und Politik wird indes heftig über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Zivilpolizisten und Polizeispitzeln sowie deren Befugnisse debattiert.

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Geschrieben von

Paul Lewis, Rob Evans und Martin Wainwright | The Guardian

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