Guatemala, Pakistan, Indonesien, Haiti, die Philippinen – fünf verschiedene Länder, die eine Erfahrung gemein haben: Sie alle wurden im letzten Jahrzehnt von Naturkatastrophen heimgesucht, die ihre unterfinanzierten Gesundheitssysteme nicht zu bewältigen vermochten. Um die Folgen von Zerstörung und Chaos zu bewältigen, entsandte Kuba in diese Staaten Katastrophen- und Seuchenschutzteams, damit der jeweilige Gesundheitsapparat nicht vollends kollabierte. Diese Geschichten exemplarischer Solidarität durch ein Entwicklungsland wurden bislang kaum beachtet, geschweige denn gewürdigt. Dabei wurden die Ad-hoc-Teams der Henry-Reeve-Brigade bereits im August 2005 aus 1.500 kubanischen Ärzten und Helfern formiert, die ausnahmslos als Katastrophenmediziner geschult waren. Einige Gruppen sollten – mit dem nötigen Equipment versehen – erstmals in Regionen der USA eingesetzt werden, die seinerzeit durch den Hurrikan Katrina verheert wurden. Doch lehnte die Bush-Regierung das Angebot aus Havanna strikt ab.
Heute rekrutiert sich aus der Henry-Reeve-Brigade das größte Ärzteteam, das in Afrika gegen Ebola kämpft. Kuba hilft mit 465 Ärzten und Pflegern in Sierra Leone, Guinea und Liberia. Das ist mehr, als jedes andere Land an Beistand vorweisen kann. Als UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon Ende Oktober verlangte, es müsse weltweit das 20-fache an Ressourcen aufgeboten werden, wolle man der Epidemie Herr werden, hatte Kuba bereits 165 Mediziner nach Sierra Leone geschickt. Jeder dieser Freiwilligen – sie wurden aus einem Pool von gut 1.500 Kandidaten ausgewählt – verfügte über Erfahrungen im regionalen Krisenmanagement. Ungeachtet dessen gab es vor dem Einsatz intensive Schulungen im Pedro-Kourí-Institut für Tropenmedizin in Havanna, dirigiert von Experten der Organización Panamericana de la Salud. Weshalb kann das kubanische Fachpersonal fast mühelos mobilisiert werden? Wie kann es sein, dass ein nicht auf Rosen gebetteter Staat wie Kuba qualifizierte Ärzte in Größenordnungen an Hospitäler in Freetown oder Conakry delegiert?
Mangel erzwingt Effizienz
Die Erklärung lautet, dank einer Strategie zur medizinischen Bildung, gepaart mit einem präventiven, lokal basierten Ansatz ist es Kuba mit seinen gut elf Millionen Einwohnern gelungen, eine Gesundheitslandschaft zu etablieren, die sich mit den Systemen hoch entwickelter Nationen messen kann. Dies geschah keineswegs über Nacht, sondern ist Resultat einer Gesundheitsstrategie, die über Jahrzehnte hinweg mit eher kargen wirtschaftlichen Möglichkeiten synchronisiert wurde. Durch wohnortnahe ärztliche Grundversorgung und präventive Fürsorge ist das kubanische Gesundheitssystem – es kann auf allen Ebenen kostenlos genutzt werden – jedem zugänglich und hält die Menschen so lange wie möglich so gesund wie möglich. So werden Mittel für teure Behandlungen gespart.
Mit einem Wort, wenn augenblicklich etwa 50.000 kubanische Mediziner im eigenen Land, aber zugleich auch in 66 Staaten therapieren, dann ist dies nur möglich, weil der Mangel an Ressourcen zu erstaunlicher Effizienz verholfen habt. Die zeigt sich bei der Koordinierung gesundheitspolitischer Maßnahmen auf lokaler und nationaler Ebene. Anders lassen sich Infektionskrankheiten kaum eindämmen. Fragmentierte, unkoordinierte Aktionen durch verschiedene Behörden können gefährlich oder gar tödlich sein. Dies zeigten zuletzt auf tragische Weise der Tod des an Ebola erkrankten Liberianers Thomas Duncan am 8. Oktober in Dallas und der Umstand, dass vom US-Zentrum für Seuchenschutz einer mit dem Ebola-Virus infizierten Krankenschwester erlaubt wurde, einen Flug anzutreten. Es führt kein Weg daran vorbei, dass in armen Ländern auf Ausbrüche von Infektionskrankheiten schnell reagiert werden muss. So zeigt gerade die Ebola-Epidemie in Westafrika drastisch, wie wichtig der kubanische Ansatz ist: Nur eine koordinierte Reaktion kann eine schnelle Verbreitung aufhalten. Persönlichkeiten wie Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, oder US-Außenminister John Kerry haben die kubanische Hilfe bereits gelobt und unterstrichen, dass Zusammenarbeit die einzig sinnvolle Vorsorge gegen eine globale Gesundheitskrise darstellt.
Eine solche Lösung voranzutreiben, verlangt, dass über Staatsgrenzen hinweg der Wille vorhanden sein muss, Know-how abzustimmen. Havanna hat sich dem gestellt, als die dortige Regierung schon am 20. Oktober mit regionalen Partnern einen Ebola-Sondergipfel ausrichtete. Auffallend war, dass kein Gesandter des US-Gesundheitswesens teilnehmen wollte. Wenn aber Ebola eine integrierte und effektive globale Antwort finden soll, müssen politische Differenzen obsolet sein. Sonst wird das Martyrium der Kranken keine Ende nehmen.
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