In der vergangenen Woche leistete eine Gruppe von Tierrechtsaktivisten im irischen Donegal ihren persönlichen Beitrag zum Internationalen Tag der Artenvielfalt. Sie brachen nachts in eine Nerzfarm ein und ließen 5.000 Tiere frei. Sie und ihre Sympathisanten hielten das für eine gute Idee – die Alliance for Animal Rights und die Coalition to Abolish the Fur Trade applaudierten und signalisierten volle Unterstützung.
Hätten diese Leute eine Lastwagenladung Bleichmittel in den Fluss Finn gekippt, der Schaden wäre weit geringer gewesen. Heftiger zwar, aber endlich - von so einer Verschmutzung kann sich das Ökosystem wieder erholen. Die Nerze hingegen bleiben auf freiem Fuß und schlagen für immer eine Schneise ins Ökosystem: Wie viele eingeschleppte Arten tragen auch Amerikanische Nerze zur Reduzierung der Artenvielfalt bei, da sie hierzulande keine natürlichen Feinde kennen und ihre Beutetiere so rasch keine Mechanismen entwickeln, um sich ihnen zu entziehen. Die Tierfreunde aus Donegal hätten kaum mehr Tieren schaden können als mit der Nerzbefreiung.
Aber der Fall wirft noch eine andere Frage auf: Wie kamen die Nerze überhaupt nach Irland? Während die Inselrepublik ansonsten den Anschein eines zivilisierten Landes erweckt, hinkt sie in diesem Fall hinter dem Vereinigten Königreich her, wo Nerzfarmen im Jahr 2000 verboten wurden. Irlands Regierungen dagegen haben die kleine, aber zerstörerische Industrie immer beschützt, und aus den fünf Nerzfarmen, die es in der Republik noch gibt, gelangen kontinuierlich Nerze in die Freiheit, sei es durch Befreiungsaktionen oder aus Versehen und Unachtsamkeit. Die irische Regierung denkt darüber nach, die Erlaubnis für die grausame Haltung der Tiere im Jahr 2012 auslaufen zu lassen. Bis dahin wird es die Menschen mehr kosten, die Nerze auszurotten, als sie an ihrer Zucht verdient haben.
Affront gegen postulierte Werte
Aber Irland ist nur ein kleiner Player. Zwei Drittel der weltweiten Nerzzucht und 70 Prozent der Fuchszucht finden in anderen Ländern der EU statt. Dänemark allein deckt 40 Prozent des weltweiten Bedarfs an Nerzfellen. Wilde Amerikanische Nerze richten in Kontinentaleuropa sogar noch größeren Schaden an als auf den Inseln, weil sie dort den vom Aussterben bedrohten Europäischen Nerz vertreiben. Die 6.000 Nerzfarmen, die in der EU betrieben werden, stellen einen Affront gegen die von ihr postulierten Werte dar.
Diesen Monat kommen Regierungen mehrerer Länder im japanischen Nagoya zusammen, um die Konvention zur Artenvielfalt einer Überprüfung zu unterziehen. Bislang war sie eine einzige Enttäuschung. Ihr größtes Versagen bestand vielleicht darin, dass sie es bislang nicht geschafft haben oder nicht dazu bereit waren, die Ausbreitung eingeführter Arten zu kontrollieren. Die folgenden Geschichten sind wahre Schauermärchen.
Zum Beispiel der aus Ostindien und Malaysia stammende Froschwels, der nun China, Thailand und die USA kolonisiert, nachdem er aus Fischfarmen und Zierteichen entflohen ist. Er besitzt neben seinen Kiemen eine Art Lunge, kann deshalb über Land wandern und so Gewässer erreichen, die noch keine andere Fischgattung vor ihm zu Gesicht bekam. Er schlüpft zum Beispiel in Fischfarmen und frisst sich langsam durch den Bestand. In schlechten Zeiten kann er sich in den Schlamm eingraben und Monate ohne Nahrung auskommen, um dann wieder über das Ökosystem herzufallen, wenn die Bedingungen sich verbessert haben. Er frisst fast alles, was sich bewegt.
Brennende Zigarettestummel als Futter
Sein Pendant zu Lande ist die Riesenkröte. Sie wurde in großer Zahl in den Tropen eingeführt, um gegen Pflanzenschädlinge vorzugehen. Auch sie ist ein Allesfresser und nahezu unverwüstlich. Einmal wurde ein Exemplar sogar dabei beobachtet, wie es einen brennenden Zigarettenstummel fraß. Keiner, der versucht, sie zu fressen, überlebt: Sie ist für Räuber genauso gefährlich wie für Beutetiere. Anders als die meisten Reptilien kann sie in Salzwasser laichen. Man könnte meinen, dieses Wesen sei geradewegs aus Karel Capeks Roman Der Krieg mit den Molchen entsprungen.
Die wichtigste Seevogelkolonie der Welt – Gough Island im Südatlantik – wird ebenfalls von einem recht untypischen Feind bedroht: von der gemeinen Hausmaus. Nachdem der Nager vor 150 Jahren von Walfängern floh, hat er seine Größe verdreifacht und seine Ernährung umgestellt. Da die Seevögel auf der Insel nie gelernt haben, sich gegen Angreifer zu verteidigen, können die Mäuse nun einfach zu den Nestern gehen und die Küken bei lebendigem Leibe auffressen. Zu ihrer Beute gehören unter anderem Albatrosküken, die das 300fache der Mäuse wiegen. Ein Biologe, der dies mit angesehen hat verglich es mit einem getigerten Kätzchen, das ein Nilpferd angreift.
Auf der Weihnachtsinsel macht die Gelbe Spinnerameise etwas ähnliches und frisst jedes Tier bei lebendigem Leibe auf, das ihr in den Weg kommt. Darüber hinaus vernichtet sie auch den Regenwald, in dem sie die Blattläuse züchtet, die sich vom Saft der Bäume ernähren. Solche Horrorgeschichten kann man fast überall zu hören bekommen. Die Arten, die wir einführen, unterscheiden sich von der Verschmutzung, die wir verursachen: Sie hören nicht auf, wenn wir aufhören. Ein einziger unbedachter Akt (denken Sie an die Einführung des Hasen oder des Wanderröschens in Australien) kann das Ökosystem eines ganzen Kontinents verändern.
Ein Blutgras namens "Imperata
Einem Regierungsbericht zufolge kosten eingeschleppte Arten Großbritannien mehrere Milliarden Pfund im Jahr. Weltweit belaufe sich der Schaden auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung. Eine einzige eingeschleppte Art – ein Blutgras namens Imperata bedeckt in den Tropen zwei Millionen Quadratkilometer (das entspricht der landwirtschaftlich nutzbaren Anbaufläche der Vereinigten Staaten) und verhindert, dass diese landwirtschaftlich genutzt werden können – das entspricht der landwirtschaftlich nutzbaren Anbaufläche der Vereinigten Staaten – und verhindert gleichzeitig, dass das Ökosystem sich regenerieren kann.
In den meisten Fällen gibt es noch einen kurzen Zeitraum, während dem eine verschleppte Art noch aufgehalten werden kann. Man sollte also meinen, dass die Regierungen alle Hebel in Bewegung setzen, sobald die Gefahr auftaucht. Doch in den meisten Gegenden der Welt scheint die Politik in dieser Beziehung allein darin zu bestehen, stumpf auf das Problem zu starren, solange man noch etwas unternehmen könnte, um dann in Panik zu verfallen, wenn es zu spät ist. Als die Algenart Caulerpa taxifolia aus dem Ozeanographischen Museum in Monaco in den Mittelmeerraum entkam, bestand die einzige Reaktion der Behörden in einem Streit um die Schuldfrage. Als die Invasion 1984 zum ersten Mal dokumentiert wurde, bedeckte das Gras einen Quadratmeter des Meeresgrunds. Man hätte es in einer halben Stunde ausreißen können. Jetzt hat es sich über 13.000 Hektar ausgebreitet und scheint unkontrollierbar.
Als Kontinent, der am härtesten von der Invasion neuer Arten getroffen wurde, ist Australien immer noch nicht in der Lage, den Handel mit gefährlichen Arten zu kontrollieren. Wie die Biodiversity100-Kampagne des Guardian zeigt, werden dort 90 invasive Pflanzenarten in Pflanzenschulen verkauft und 210 Arten von Aquarienfischen können ohne Lizenz importiert werden. Die Bestimmungen im Vereinigten Königreich sind gut. 2006 wurden zum Beispiel 10.000 Pfund auf eine Strategie verwandt, die südafrikanische Wasserprimel loszuwerden, deren Kontrolle Frankreich nun mehrere Millionen Euro im Jahr kostet. In den Überseeterritorien wie beispielsweise den Gough-Inseln wird, wenn überhaupt, ebenfalls nur langsam reagiert.
Nerz, Froschwels, Riesenkröte und mutierte Hausmaus sind starke Symbole für die aus den Fugen geratene Macht des Menschen. Wir können mit einem einzigen Tastenanschlag in einer Investmentbank Chaos verursachen, einem Signal an eine Kampfdrohne, einem Samenkorn, das sich aus dem Profil eines Stiefels löst, einem Aquarium, das in einen Kanal entleert wird. Wenn es aber darum geht, das Durcheinander, das wir angerichtet haben, wieder in Ordnung zu bringen, behaupten wir, nichts tun zu können. Die Herausforderung dieses Jahrhunderts besteht darin, unserem Potenzial, Schaden anzurichten, ein Potenzial zum Guten entgegenzusetzen. Bislang gelingt uns dies allerdings noch nicht besonders.
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